Ihr-Recht-Blog

24. Mai 2011

Aktuell: EuGH: Ausländer als Notare

Filed under: Verfassungsrecht — Schlagwörter: , , , , , , — ihrrecht @ 12:18

In Deutschland, Österreich, Luxemburg, Belgien, Frankreich und Griechenland ist der Notarberuf bislang den eigenen Staatsbürgern vorbehalten. Nach einer Entscheidung des EuGH vom heutigen Tage  müssen  diese Staaten den Notarberuf auch für EU-Ausländer öffnen. Denn die Tätigkeit der Notare sei keine „Ausübung öffentlicher Gewalt“, der Vorbehalt der eigenen Staatsangehörigkeit sei daher eine unzulässige Diskriminierung, so der EuGH heute (Az.: C-54/08).

Den Zugang zum Beruf des Notars hätten die Staaten aber nur dann beschränken dürfen, wenn die Tätigkeiten mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden wären.  Dies sei allerdings nicht der Fall, so der EuGH, vielmehr sei die Hauptaufgabe von Notaren das Beurkunden von Akten und Verträgen, wobei sich die Parteien vorher schon auf deren Inhalt geeinigt haben müssten. Der Notar könne dabei zwar Änderungen vorschlagen, es sei ihm aber nicht möglich, dies Kraft seines Amtes einseitig zu tun. Daher seien die Beurkundungen letztlich „nicht mit einer unmittelbaren und spezifischen Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden“.

Der EuGH hat damit allerdings noch nicht entschieden, ob Deutschland auch die Ausbildung zum Notar in einem anderen Land anerkennen muß. Somit könnte ein Bewerber nach derzeitigem Rechtsstand zwar die EU-Staatsbürgerschaft aufweisen, müßte aber ansonsten die übrigen Voraussetzungen für die Zulassung als Notar in Deutschland und damit auch die Ausbildung nach deutschem Recht nachweisen.

17. Mai 2011

BGH: Selbständiges Beweisverfahren: Unterbrechung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei eines selbständigen Beweisverfahrens ist die Entscheidung über einen Antrag nach § 494a ZPO nicht möglich, weil das Verfahren unterbrochen ist .

Dies hat der BGH mit Beschluss vom 23.03.2011, Az. VII ZB 128/09, ausgeführt.

Der BGH hat sich mit dieser Entscheidung von seiner Entscheidung vom 11.12.2003, Az. VII ZB 14/03  (BauR 2004, 531 = NZBau 2004, 156 = ZfBR 2004, 268) abgegrenzt. Diese Entscheidung betraf jedoch ein selbständiges Beweisverfahren, dessen Beweisaufnahme noch nicht beendet war. Für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass das Ziel des Verfahrens, nämlich eine schnelle Beweissicherung oder eine rasche und kostensparende Einigung der Parteien nur erreicht werden könne, wenn das selbständige Beweisverfahren möglichst zügig und ohne die mit einer Unterbrechung nach § 240 ZPO verbundene zeitliche Verzögerung durchgeführt werde.

Im vorliegenden Fall war die Beweisaufnahme jedoch abgeschlossen. Ab diesem Zeitpunkt besteht nach Ansicht des BGH kein besonderes Beschleunigungsbedürfnis mehr. Andererseits setzt ein anschließend folgendes Verfahren nach § 494a ZPO in der Regel vergleichsweise kurz bemessene Fristen in Gang, innerhalb derer weitreichende Entscheidungen jedenfalls des Antragstellers über sein weiteres Vorgehen notwendig werden. Soweit über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist deshalb zu diesem Zeitpunkt auch ein Bedürfnis nach einer Überlegungsfrist für den Insolvenzverwalter in vergleichbarer Weise vorhanden wie während eines laufenden Rechtsstreits, so der BGH.

Im Regelfall wird der Antragsgegner in derartigen Fällen auf seinen Kosten sitzen bleiben, auch wenn das selbständige Beweisverfahren Mängel oder die Verantwortlichkeit des Antragsgegners hierfür gerade nicht belegt hat.

10. Mai 2011

BGH: Zu den Voraussetzungen für die Angabe künftiger Forderungen in der Zwangsvollstreckung

Die Auskunftsverpflichtung nach § 807 ZPO erstreckt sich auch auf künftige Forderungen des Schuldners, sofern der Rechtsgrund und der Drittschuldner der Forderung im Zeitpunkt der Auskunftserteilung hinreichend bestimmt sind. Bei künftigen Forderungen eines selbständig tätigen Schuldners gegen seine Kunden ist diese Voraussetzung allerdings regelmäßig nur im Falle einer laufenden Geschäftsbeziehung erfüllt, bei der die begründete Erwartung besteht, der Schuldner werde auch künftig Aufträge von seinen bisherigen Kunden erhalten. In einem solchen Fall bestehen grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken, die Auskunftsverpflichtung auf die Geschäftsvorfälle der letzten zwölf Monate zu erstrecken.

Dies hat der BGH mit Beschluss vom 03.02.2011, Az. I ZB 2/10 ausgeführt.

Im Ausgangsfall hatte sich die Schuldnerin, eine niedergelassene Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie, mit notarieller Urkunde vom 12. August 2003 wegen der Zahlung eines bestimmten Geldbetrages der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen. Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin wegen eines Teilbetrags von 25.000 € die Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. In diesem Verfahren hat die Schuldnerin am 11. Februar 2009 eine eidesstattliche Versicherung über ihr Vermögen abgegeben. Die Gläubigerin hat eine Ergänzung der eidesstattlichen Versicherung beantragt. Sie begehrt – soweit für das vorliegende Verfahren noch von Interesse – Auskunft über Namen und Anschrift der von der Schuldnerin in den letzten zwölf Monaten behandelten Privatpatienten sowie die mit jedem einzelnen Privatpatienten in den letzten zwölf Monaten getätigten Umsätze.

Nach Ansicht des BGH ist die Schuldnerin unter Berücksichtigung der eingangs aufgezeigten Maßstäbe nicht verpflichtet,  Auskunft hinsichtlich der von ihr in den letzten zwölf Monaten vor Abgabe der eidesstattlichen Versicherung behandelten Privatpatienten zu erteilen, wenn deren Behandlung abgeschlossen ist und sie ihre Rechnung beglichen haben. Es mag sein, so der BGH, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Privatpatienten einer Praxis für Allgemeinmedizin und Psychotherapie, die den Arzt in den vergangenen zwölf Monaten aufgesucht haben, dies in absehbarer Zeit wieder tun wird. Es lässt sich allerdings aber nicht mit ausreichender Sicherheit voraussagen, welche Patienten dies im Einzelnen sein werden. Die unbestimmte Erwartung, einige Patienten könnten den Arzt in Zukunft wieder aufsuchen, rechtfertigt es nicht, den Arzt zur Auskunftserteilung über sämtliche Patienten zu verpflichten, die er in den letzten zwölf Monaten behandelt hat. Denn darunter befinden sich auch Patienten, die den Arzt voraussichtlich nicht wieder aufsuchen werden, und deren Geheimhaltungsinteresse das Befriedigungsinteresse der Gläubiger des Arztes daher überwiegt.

4. Mai 2011

Aktuell: Sicherungsverwahrung: Karlsruhe beugt sich Europäischem Gerichtshof!

Filed under: Strafrecht — Schlagwörter: , , , , — ihrrecht @ 12:04

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, daß sämtliche Regelungen zur Sicherungsverwahrung gefährlicher Straftäter verfassungswidrig sind und das Grundrecht auf Freiheit verletzen. Extrem gefährliche Straftäter dürfen aber zum Schutz der Bevölkerung bis zu einer Neuregelung, spätestens bis 31. Mai 2013, weiter eingesperrt bleiben, so das BVerfG. In sogenannten Altfällen muss die besondere Gefährlichkeit der Betroffenen bis Jahresende geprüft werden.Damit fügten sich die Karlsruher Richter dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Nach Ansicht des BVerfG verstoßen die früheren Regelungen zur rückwirkenden Verlängerung der zuvor auf zehn Jahre befristeten Sicherungsverwahrung sowie zu ihrer nachträglichen Anordnung ebenso gegen das Freiheitsrecht der Betroffenen wie die Gesetzesreform vom Dezember 2010. Das Gericht begründete dies damit, dass sich die Sicherungsverwahrung, die nur dem Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tätern dient, nicht deutlich genug von einer Strafhaft unterscheidet. Dieses sogenannte Abstandsgebot hatte bereits der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg im Dezember 2009 eingefordert.

Damit reagierten die Karlsruher Richter auf die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, der in mehreren Entscheidungen klar signalisiert hatte, dass Deutschland auch in den Fällen, in denen die deutschen Gerichte meinten, an der Straßburger Rechtsprechung vorbeikommen zu können, permanent weiter verurteilt  wird.

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