Ihr-Recht-Blog

25. Juni 2012

BGH: Kassenärzte nicht wegen Bestechlichkeit strafbar!

Filed under: Strafrecht — Schlagwörter: , , , , , , , — ihrrecht @ 09:39

Kassenärzte, die von einem Pharmaunternehmen Vorteile als Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln dieses Unternehmens entgegennehmen, machen sich nicht wegen Bestechlichkeit nach § 332 StGB strafbar. Auch eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB scheidet aus.

Dies hat der BGH mit jetzt veröffentlichtem Beschluss vom 29.03.2012, AZ.: GSSt 2/11, entschieden.

Nach Ansicht des BGH sind niedergelassene Vertragsärzte weder als Amtsträger zu betrachten  noch handeln sie als Beauftragte der Krankenkassen, wenn sie ihren Patienten Medikamente verschreiben. Die gesetzlichen Krankenkassen seien zwar Stellen öffentlicher Verwaltung im Sinne der gesetzlichen Amtsträgerdefinition. Der freiberuflich tätige Kassenarzt aber sei weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde, so die Bundesrichter.

Vielmehr werde er durch den Versicherten ausgewählt. Die Verordnung eines Arzneimittels vollziehe sich im Rahmen der ärztlichen Behandlung dieses Patienten, einem personal geprägten Vertrauensverhältnis zwischen dem Patienten und seinem Arzt. Die Einbindung des Kassenarztes in das System öffentlich gelenkter Daseinsfürsorge verleihe der ärztlichen Tätigkeit nicht den Charakter hoheitlich gesteuerter Verwaltungsausübung, so dass er kein Amtsträger sein könne.

Der BGH schließt allerdings mit dem deutlichen Hinweis an den Gesetzgeber, daß vor dem Hintergrund der seit längerem im strafrechtlichen Schrifttum geführten Diskussion sowie im Hinblick auf gesetzgeberische Initiativen (vgl. dazu etwa BTDrucks. 17/3685) zur Bekämpfung korruptiven Verhaltens im Gesundheitswesen er nicht die grundsätzliche Berechtigung des Anliegens verkenne, Missständen, die – allem Anschein nach – gravierende finanzielle Belastungen des Gesundheitssystems zur Folge haben, mit Mitteln des Strafrechts effektiv entgegenzutreten. Die Anwendung bestehender Strafvorschriften, deren Tatbestandsstruktur und Wertungen der Erfassung bestimmter Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Erbringung von Gesundheitsleistungen nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung als strafrechtlich relevant entgegenstehen, auf der Grundlage allein dem Gesetzgeber vorbehaltener Strafwürdigkeitserwägungen sei der Rechtsprechung jedoch versagt.

19. Juni 2012

Bauvertrag: Leistungsumfang bei “fix und fertig” im Angebot

Filed under: Bau- und Architektenrecht — Schlagwörter: , , , , , , — ihrrecht @ 11:03

Aus der maßgeblichen Sicht des Kunden beinhaltet ein Angebot: "1 qm Stabparkett – fix und fertig" neben der vollständigen Verlegung des Parketts auch sämtliche Kosten einer Herstellung der Verlegereife des Untergrunds. Das gilt nach dem Urteil des OLG Saarbrücken; Az. 1 U 376/10 vom 31.05.2012 auch für gewerksfremde Leistungen, auf die der Parkettlegerbetrieb nicht eingerichtet ist (Abfräsen im Blastrac-Kugelstrahlverfahren, Reprofilierung der Estrichoberfläche). Die Verkehrssitte und – als deren Ausdruck – DIN 18 356 (Parkettarbeiten) sind für die Auslegung nicht maßgeblich.

Aus der maßgeblichen Sicht eines Kunden, der Informationen darüber begehrt, was an Kosten auf ihn zukommt, kann die Aussage des Unternehmers, der Parkettboden koste "fix und fertig" 62 EUR pro m2,  nur in der Weise verstanden werden, dass damit die vollständige Verlegung des Parketts und sämtliche dadurch anfallende Kosten erfasst sind, was eine – auch nur möglicherweise erforderliche – Untergrundbehandlung mit einschließt, so das OLG. Das vom Unternehmer mit dieser allgemein gehaltenen Angabe eingegangene Risiko einer zu positiven Beurteilung des Untergrunds, ohne diesen zuvor einer Überprüfung unterzogen zu haben, musste diesem als Fachfirma bewusst sein.

Dabei hat der Senat noch einmal auf die Beweislastverteilung bezüglich des Auftragsumfanges hingewiesen. Der Besteller hat die Vereinbarung nach Ort, Zeit, Höhe substantiiert darzutun, der Unternehmer hat dann die Unrichtigkeit dieser Darlegung zu beweisen (Palandt/Sprau, a.a.O., § 633 Rz. 18; BGH NJW-RR 1996, 952; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 901).

5. Juni 2012

BGH: Wann ist ein Schriftzug eine Unterschrift?

Filed under: Zivilrecht/Verfahrensrecht — Schlagwörter: , , , , , — ihrrecht @ 07:47

Der BGH hatte sich in einer jüngst ergangenen Entscheidung mit der Frage zu befassen, wann ein unter einen Schriftsatz gesetzter Schriftzug die Anforderungen an eine Unterschrift erfüllt. Im Ausgangsfall hatte das Berufungsgericht einen unter die Berufungsschrift gesetzten Schriftzug als nicht ausreichend angesehen und die Berufung als unzulässig verworfen. Der BGH hat auf die Rechtsbeschwerde hin den Beschluss des Berufungsgerichts aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen (BGH, Beschluss vom 26.04.2012, Az. VII ZB 36/10).

Nach Ansicht des BGH stellt ein aus unleserlichen Zeichen bestehender Schriftzug am Ende einer Berufungsschrift  jedenfalls dann eine Unterschrift im Sinne des § 130 Nr. 6 ZPO dar, wenn seine individuellen, charakteristischen Merkmale die Wiedergabe eines Namens erkennen lassen und aufgrund einer Gesamtwürdigung aller dem Berufungsgericht bei Ablauf der Berufungsfrist zur Verfügung stehenden Umstände die Identifizierung des Ausstellers ermöglichen.  Eine den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO genügende Unterschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug voraus, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, der sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und der die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Dabei ist in Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, jedenfalls bei gesicherter Urheberschaft ein großzügiger Maßstab anzulegen.

Im entschiedenen Fall weise der vom Berufungsgericht nach Ansicht des BGH zutreffend als Abfolge aus Strichen, Punkten und Haken beschriebene Schriftzug starke individuelle Merkmale auf, die insbesondere wegen der ungewöhnlichen Kombination der Schriftzeichen keinen ernsthaften Zweifel daran aufkommen lassen, dass es sich um eine von ihrem Urheber zum Zwecke der Individualisierung und Legitimierung geleistete Unterschrift handele.

Entscheidend trat im Ausgangsfall hinzu, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls bei objektiver Betrachtungsweise keinen vernünftigen Zweifel daran haben konnte, dass die Berufungsschrift von Rechtsanwalt M. unterzeichnet ist. In einem schriftlichen Hinweis des Vorsitzenden vom 19. April 2010 hat es den Parteien mitgeteilt, die Unterschriften aller Anwälte der Kanzlei, zu der der Prozessbevollmächtigte W.D. des Beklagten, Rechtsanwalt M. und ein weiterer Anwalt K. gehören, zu kennen. Der Senat geht ebenso wie die Rechtsbeschwerde davon aus, dass diese Mitteilung zutrifft. Dann aber hätte dem Berufungsgericht auffallen müssen, dass es sich bei der mit einem langen senkrechten Strich beginnenden Schriftzeichenfolge um die stets gleichartige Unterschrift des Rechtsanwalts M. handele und dass die ersten vier Zeichen des Schriftzuges folglich nicht den Namen des Unterzeichnenden betreffen; sie konnten vernünftigerweise nur als Zusatz "i.V." gelesen werden.

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