Ihr-Recht-Blog

29. April 2013

BVerwG: Diskriminierung durch Anforderung eines Fahreignungsgutachtens (“Idiotentest”)?

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit Urteil vom 21. März 2013  entschieden, dass sich derjenige, von dem die Fahrerlaubnisbehörde wegen des Verdachts auf Alkoholmissbrauch die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens gefordert hat, nur dann auf ein zur Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage führendes Rehabilitierungsinteresse berufen kann, wenn sich aus besonderen Umständen des Einzelfalls ausnahmsweise eine diskriminierende Wirkung ergibt (BVerwG 3 C 6.12).

In dem vom BVerwG entschiedenen Fall wurde der Kläger wurde im Mai 2005 wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,32 Promille rechtskräftig verurteilt; ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen. Im Januar 2006 erhielt der Kläger wieder eine Fahrerlaubnis. Aus einem ärztlichen Fahreignungsgutachten ergaben sich Hinweise auf zeitweisen Alkoholmissbrauch. Daraufhin forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Kläger zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens auf. Nachdem der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde im Januar 2008 die Fahrerlaubnis. Daraufhin lehnte die Behörde den Antrag des Klägers ab. Seine hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens erhielt der Kläger nach Vorlage eines positiven Fahreignungsgutachtens die beantragte Fahrerlaubnis. Er begehrt nun die Feststellung, dass die Behörde auch ohne ein solches Gutachten zur Fahrerlaubniserteilung verpflichtet gewesen wäre. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass der Kläger ein schutzwürdiges Interesse in Gestalt eines Rehabilitierungsinteresses an der beantragten Feststellung habe. Die Fahrerlaubnisbehörde habe die Fahrerlaubniserteilung zu Unrecht von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig gemacht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dieses Urteil geändert. Die auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellte Klage sei wegen des Fehlens eines berechtigten Interesses an der begehrten Feststellung unzulässig; das Berufungsgericht habe nach Ansicht des BVerwG zu Unrecht ein Rehabilitierungsinteresse des Klägers bejaht. Ein solches Rehabilitierungsinteresse bestehe bei der Anforderung eines Fahreignungsgutachtens wegen des Verdachts auf Alkoholmissbrauch nur dann, wenn die Anforderung wegen besonderer Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise eine diskriminierende Wirkung habe oder den Betroffenen sonst in seinen Persönlichkeitsrechten verletze, so das BVerwG.

11. April 2013

BGH: Zur Zulässigkeit von Musikunterricht in Mietwohnungen

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 10. April 2013, Az.VIII ZR 213/12 seine Rechtsprechung bekräftigt, wonach bei geschäftlichen Aktivitäten freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten, eine Nutzung vorliegt, die der Vermieter in ausschließlich zu Wohnzwecken angemieteten Räumen ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht dulden muss. Der Vermieter kann zwar im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein, eine Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu erteilen, wenn – was der Mieter dazulegen und zu beweisen hat – von der beabsichtigten Nutzung keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung.

Im vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob der Vermieter verpflichtet sei, in der Mietwohnung gewerblich erteilten Gitarrenunterricht zu dulden. Der Vermieter hatte hierzu keine Erlaubnis erteilt und das Mietverhältnis schließlich unter Hinweis auf den gewerblich erteilten Musikunterricht und daraus resultierende Beschwerden von Mitbewohnern gekündigt. Der BGH legte die Angaben des Mieters zu Art und Umfang seiner Tätigkeit zugrunde (Gitarrenunterricht an drei Werktagen für etwa zwölf Schüler), und hat dargelegt, das eine Verpflichtung des Vermieters zur Erteilung einer derartigen Erlaubnis vorliegend offensichtlich nicht in Betracht komme. Die Kündigung des Vermieters hat somit das Mietverhältnis wirksam beendet.

4. April 2013

BGH: Zu den Beratungspflichten des Architekten hinsichtlich der Baukosten

Filed under: Bau- und Architektenrecht — Schlagwörter: , , , , , , — ihrrecht @ 14:42

Der BGH hat sich in einer aktuellen Entscheidung einmal mehr mit der Beratungspflicht des Architekten hinsichtlich der Baukosten befasst und betont, daß der Architekt den Auftraggeber zutreffend über die voraussichtlichen Baukosten beraten muss. Bei schuldhafter Verletzung dieser Verpflichtung ist er dem Auftraggeber zum Schadensersatz verpflichtet. Allerdings, so betont der BGH, kann Schadensersatzanspruch wegen unzutreffender Baukostenermittlung ausscheiden, wenn der Auftraggeber nach der Kostenschätzung des Architekten umfangreiche Umgestaltungen vornehmen lässt (BGH, Beschluss vom 07.02.2013, Az. VII ZR 3/12).

Der BGH hat in seinen Entscheidung zunächst auf seine bisherigen Rechtsprechung abgestellt, wonach ein Schadensersatzanspruch gegen den Architekten wegen Verletzung seiner Vertragspflichten in Betracht kommt, wenn er den Auftraggeber unzutreffend über die voraussichtlichen Baukosten berät (BGH, Urteile vom 11. November 2004 – VII ZR 128/03, BauR 2005, 400 = NZBau 2005, 158; vom 24. Juni 1999 – VII ZR 196/98, BauR 1999, 1319 = ZfBR 2000, 28; Kniffka in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 2012, § 633 BGB Rn. 99 ff., 107 ff.; Koeble in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., Teil 12 Rn. 462).

Allerdings, so der BGH, habe die Vorinstanz fehlerhaft darauf abgestellt, dass der Kläger habe seine Pflicht zur Kostenberatung bereits dadurch verletzt habe, dass er es im Rahmen der Grundlagenermittlung unterlassen habe, konkret zu ermitteln, ob seine Pläne für die Beklagten finanzierbar seien. Dabei hat das Berufungsgericht den Sachvortrag des Klägers übergangen, wonach die Kostenschätzung im Sommer 2003 die Zusammenlegung und den maisonetteartigen Umbau von Wohnungen noch nicht enthalten habe. Entsprechende Umgestaltungsvorstellungen hätten die Beklagten erst später geäußert. Diesen Sachvortrag hatte der Kläger bereits in erster Instanz gehalten.

Das Berufungsgericht hatte ferner darauf abgestellt, der Architektenvertrag sei bereits im Frühjahr 2004 auf den Dachausbau erweitert worden. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Entscheidung, das kontaminierte Dach zu entfernen und im erneuerten Dach Wohnraum zu schaffen, so hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, sei ein Kredit in Höhe von rund 1.230.000 € beantragt worden. Dabei hat das Berufungsgericht nach Ansicht des BGH erneut Sachvortrag des Klägers übergangen. Danach seien dem Kreditantrag nur die Kosten für bis dahin geplante Sanierung zugrunde gelegt worden, nicht jedoch für den Dachausbau, weil die Entscheidung darüber, ob dieser erfolge, noch gar nicht gefallen sei. Die Beklagten hätten die Entscheidung für den Dachausbau erst im November 2004 auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens vom 29. Oktober 2004 getroffen. Auch dies hat der Kläger bereits in erster Instanz geltend gemacht.

Hätte das Berufungsgericht berücksichtigt, dass die Beklagten erst nach der Kostenschätzung vom Sommer 2003 Umgestaltungsvorstellungen geäußert hätten, wäre dem Kläger insoweit möglicherweise keine für den geltend gemachten Schaden ursächliche Pflichtverletzung zur Last zu legen. Hätte das Berufungsgericht ferner berücksichtigt, dass die Entscheidung für den Dachausbau erst nach der Kreditzusage gefallen sei, wäre dem Kläger möglicherweise auch unter diesem Gesichtspunkt keine ursächliche Pflichtverletzung zur Last zu legen, so der BGH.

Der BGH hat den Rechtsstreit daher an die Vorinstanz zurückverwiesen, versehen mit dem zusätzlichen Hinweis, daß bei einer eventuellen Schadensberechnung  die Vermögenslage mit und ohne eine eventuelle Falschberatung verglichen werden muss (vgl. Kniffka, Bauvertragsrecht, aaO, § 633 Rn. 107).

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