Die Wiederaufnahme abgebrochener Verhandlungen führt nicht zu einer auf den Beginn der Verhandlungen rückwirkenden Hemmung der Verjährung. Dies hat der BGH mit jetzt veröffentlichtem Urteil vom 15.12.2016, Az. IX ZR 58/16 entschieden.
Zwar werde in Literatur (Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 203 Rn. 12; MünchKomm-BGB/Grothe, 7. Aufl., § 203 Rn. 8; BeckOGK-BGB/Meller- Hannich, 2016, § 203 Rn. 54; BeckOK-BGB/Spindler, 2016, § 203 Rn. 5) und Rechtsprechung (OLG Köln, Beschluss vom 1. Juli 2013 – 5 U 44/13, nv) erwogen, dass dann, wenn über einen Anspruch mehrfach verhandelt wird, die dazwischen liegenden Zeiträume insgesamt als hemmend zu behandeln sind. Voraussetzung ist, dass entweder bei wertender Betrachtungsweise die späteren Verhandlungen letztlich nur die früheren fortführen oder dass zwischen den einzelnen Verhandlungsabschnitten ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. Als Beispielsfall wird genannt, dass frühere Verhandlungen eingeschlafen sind und mit Verspätung wiederaufgenommen werden. Andere stellen sich auf den Standpunkt, neue Verhandlungen setzten stets eine neue Hemmung in Gang (BGH, Urteil vom 28. März 1985 – III ZR 20/84, VersR 1985, 642, 644; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 14. Aufl., § 203 Rn. 6; jurisPK-BGB/Lakkis,7. Aufl., § 203 Rn. 17; vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2002 – VI ZR 416/01, BGHZ 152, 298, 302 aE; OLG Hamm, VersR 1997, 1112; OLG Frankfurt, MDR 2010, 326).
Werden beidseits nicht fortgesetzte und deswegen als abgebrochen anzusehende Verhandlungen wieder aufgenommen, kommt eine rückwirkende Hemmung durch die neuen Verhandlungen auf den Zeitpunkt der ersten Verhandlung nicht in Betracht, so der BGH. Für eine Rückwirkung der Hemmung unter wertenden Gesichtspunkten oder bei einem engen zeitlichen Zusammenhang besteht schon kein Bedarf, weil bei Vorliegen besonderer Umstände auch bei längeren Zeiträumen zwischen den Kontakten zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten nicht von einem das Verhandlungsende bewirkenden Einschlafen auszugehen ist (vgl. BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, 2016, § 203 Rn. 54). Im Übrigen muss die Frage, wie die Zeiträume zwischen beendeten und wiederaufgenommenen Verhandlungen verjährungsrechtlich zu bewerten sind, in beiden Fällen des Verhandlungsendes aus systematischen Gründen gleich beantwortet werden, also sowohl in dem Fall, dass Verhandlungen endgültig abgelehnt werden, als auch in dem Fall, dass sie einschlafen. Ein nachvollziehbarer Grund, eingeschlafene und ausdrücklich abgebrochene Verhandlungen bei der Bewertung ihrer Wiederaufnahme unterschiedlich zu behandeln, ist nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber wollte eingeschlafene und abgelehnte Vergleichsverhandlungen im Rahmen des § 203 BGB gleichbehandeln. Dies ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren (vgl. BT-Drucks. 14/6857 S. 43; BGH, Urteil vom 6. November 2008 – IX ZR 158/07, NJW 2009, 1806 Rn. 12). Hat aber der Verpflichtete die Fortsetzung der Verhandlungen ausdrücklich abgelehnt, würde es ihn unzumutbar belasten, wenn die Hemmung nur deshalb zurückwirkte, weil er später wieder gesprächsbereit ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 1. Juli 2013- 5 U 44/13, nv; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 203 Rn. 12;BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, 2016, § 203 Rn. 56). Entsprechendes gilt aber auch, wenn der Berechtigte die Verhandlungen einschlafen lässt.
Auch ist eine Rückwirkung der Hemmung mit Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften, innerhalb angemessener Fristen für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu sorgen, nicht zu vereinbaren. Wollte man nämlich eine solche annehmen, könnte die Frage der Begründetheit des Anspruchs auf unabsehbare Zeit in der Schwebe gelassen werden, indem die Verhandlungen zunächst nicht weitergeführt und zwischendurch immer wieder aufgenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 2008 – IX ZR 158/07, aaO).
Der BGH hat in diesem Zusammenhang auch betont, dass feste Fristen, wann Verhandlungen einschlafen, nicht bestehen. Der Zeitraum, den man dem einen Teil zur Reaktion auf die Äußerung des anderen Teils einräumen muss, hängt von dem Gegenstand der Verhandlung und der Verhandlungssituation ab (vgl. Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 14. Aufl., § 203 Rn. 6). Letztendlich unterliege es grundsätzlich tatrichterlichem und im Revisionsrechtszug daher nur beschränkt nachprüfbarem Ermessen, die Zeitspanne zu bestimmen, innerhalb derer auf die Erklärung eines der Verhandlungsführer eine Antwort des anderen vernünftigerweise zu erwarten war (BGH, Urteil vom 28. März 1985 – III ZR 20/84, VersR 1985, 642, 644).