Ein Werk ist mangelhaft, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit nicht hat. Unter der Beschaffenheit des Werks sind insbesondere alle dem Werk unmittelbar und jedenfalls für eine gewisse Zeit anhaftenden physischen Merkmale zu verstehen. Zur vereinbarten Beschaffenheit gehören alle Eigenschaften des Werks, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung kann auch die Farbe eines Anstrichs sowie die Farbstabilität für einen bestimmten Zeitraum sein. Der Besteller darf mangels Erörterung des Vergilbungsrisikos vor oder bei Vertragsschluss die berechtigte Erwartung hegen, dass der nach der Besichtigung der Probefläche festgelegte Weißanstrich nicht bereits nach weniger als einem Jahr mehr als nur unwesentlich vergilbt. Hierauf hat der BGH mit Urteil vom 31.08.2017, Az. VII ZR 5/17 hingewiesen.
In dem seitens des BGH entschiedenen Sachverhalt beabsichtigte der Beklagte, in der Produktionshalle einer Großbäckerei Malerarbeiten vornehmen zu lassen. Die Klägerin legte dort eine ca. 20 qm große Probefläche an, wobei sie diese Fläche reinigte, vorbereitete und strich. Nach dieser Behandlung sah die Probefläche schneeweiß aus. Nach Besichtigung der Probefläche erteilte der Beklagte der Klägerin den Auftrag bezüglich der Malerarbeiten in dieser Produktionshalle.
Die Arbeiten wurden zunächst bis April 2012 bei laufendem Betrieb der Bäckerei teilweise ausgeführt. Es kam zu Differenzen zwischen den Parteien und zu einer Arbeitspause bis zum Dezember 2012. Bei Wiederaufnahme der Arbeiten Anfang Dezember 2012 rügte der Beklagte einen bereits vergilbten und fleckigen Zustand der bearbeiteten Flächen. Die Parteien hoben das Vertragsverhältnis vor Fertigstellung aller Leistungen einvernehmlich auf. Der Beklagte verweigerte die Abnahme der klägerischen Werkleistung wegen der Vergilbung und begehrt Mangelbeseitigung.
Das Landgericht hatte die auf Zahlung restlichen Werklohns sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage als derzeit unbegründet abgewiesen (LG Göttingen, Urteil vom 24.09.2015; Az. 8 O 235/13). Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Restwerklohnklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet (OLG Braunschweig, Urteil vom 08.12.2016, Az. 8 U 111/15). Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Der Senat hat auf die Beschwerde des Beklagten die Revision zugelassen, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ergebe sich aus Auslegung des Werkvertrages, welche Beschaffenheit eines Werks die Parteien vereinbart haben. Zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB gehörten alle Eigenschaften des Werks, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Im Streitfall entspreche das Werk der Klägerin der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit. Es sei funktionstauglich.
Die Ausführung der Arbeiten durch die Klägerin sei nach den anerkannten Regeln der Technik erfolgt. Hinweise auf Ausführungsfehler hätten sich nach dem Ergebnis der ergänzenden Anhörung des Sachverständigen nicht ergeben, so das OLG. Die eingeschränkte Farbstabilität der verwendeten Farben stelle keinen zur Abnahmeverweigerung berechtigenden Mangel dar. Die von der Klägerin eingesetzten Farben seien für den Einsatz in einer Großbäckerei nicht ungeeignet. Eine dauerhafte Farbstabilität sei bei weißen und hochweißen Farbtönen nach den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen ### im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht realisierbar. Der Sachverständige habe unter anderem ausgeführt, dass es für die Vergilbung und den Vergilbungsgrad, insbesondere für Anstriche in Großbäckereien, keine technischen Regelwerke gebe; der Vergilbungsprozess hänge unter anderem von den Einsatzbedingungen der Farben ab. Auch eine Verkehrsüblichkeit gebe es insoweit nicht.
Der BGH hat dargelegt, daß eine Beschaffenheitsvereinbarung ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhaften getroffen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 09. Juli 2002 – X ZR 242/99, NZBau 2002, 611, 612). Ob die Parteien eines Werkvertrags eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen und welche Beschaffenheit sie gegebenenfalls vereinbart haben, ist durch Auslegung des Werkvertrags zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 08. Mai 2014 – VII ZR 203/11, BGHZ 201, 148 Rz. 14 m.w.N.).
Die Auslegung von Willenserklärungen ist grundsätzlich Angelegenheit des Tatrichters. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet allerdings dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 – VII ZR 67/11, BGHZ 192, 172 Rz. 12 m.w.N.). Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zählt der Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung (vgl. BGH, Urteil vom 05. März 2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rz. 21; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 – VII ZR 87/14, NJW 2015, 1107 Rz. 14).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Werkvertrags der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand, so der BGH. Das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts, wonach hinsichtlich der Farbstabilität des Weißanstrichs keine (konkludente) Beschaffenheitsvereinbarung zu Stande gekommen ist, beruht auf einem Verstoß gegen den Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung. Bei der Auslegung im Hinblick auf eine etwaige Beschaffenheitsvereinbarung ist die berechtigte Erwartung des Bestellers an die Werkleistung von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2007 – VII ZR 210/05, BauR 2007, 1407, 1409 = NZBau 2007, 507 Rz. 23). Der Beklagte durfte mangels Erörterung des Vergilbungsrisikos vor oder bei Vertragsschluss und mangels besonderen Fachwissens zu dieser Problematik angesichts der beträchtlichen Kosten der Malerarbeiten die berechtigte Erwartung hegen, dass der nach der Besichtigung der Probefläche festgelegte Weißanstrich – übliche Reinigung vorausgesetzt – nicht bereits nach weniger als einem Jahr mehr als nur unwesentlich vergilben würde. Diesen für eine beiderseits interessengerechte Vertragsauslegung bedeutsamen Gesichtspunkt habe das Berufungsgericht nach Ansicht des BGH nicht hinreichend gewürdigt.
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