Ihr-Recht-Blog

17. Februar 2020

OLG Hamburg: Keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch Abnahmeausschuss!

Die vom Bauträger geschuldete Leistung entgegenzunehmen und über ihre Ordnungsgemäßheit zu entscheiden, ist allein Sache des Erwerbers. Dies gilt auch für das Gemeinschaftseigentum. Entsprechend hat dies das OLG Hamburg mit Urteil vom 11.09.2019, Az. 5 U 128/162 entschieden.

Die von einem Bauträger vorformulierte Klausel, wonach das Gemeinschaftseigentum vom Verwalter zusammen mit einem in der ersten Eigentümerversammlung zu wählenden Abnahmeausschuss abgenommen wird, benachteiligt einen Ersterwerber unangemessen und ist unwirksam. Das gilt auch dann, wenn der Bauträger von der Wahl des Abnahmeausschusses ausgeschlossen ist, so das OLG. Durch die Regelung wird den Ersterwerbern  die Möglichkeit genommen, über die Ordnungsgemäßheit der Werkleistung des Bauträgers selbst zu befinden. Eine vom Bauträger geschuldete Leistung entgegenzunehmen und über ihre Ordnungsgemäßheit zu entscheiden, ist aber alleine Sache des Erwerbers. Dies gilt auch für das Gemeinschaftseigentum (vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 13.06.2013, Az.: 12 U 162/12; vgl. OLG München, Urteil vom 09.04.2018, Az.: 13 U 4710/16 Bau). Zwar sieht die streitgegenständliche Klausel vor, dass zur rechtsgeschäftlichen Vertretung der Eigentümergemeinschaft nur der Abnahmeausschuss befugt ist. Dennoch wird dem Erwerber sein originäres Abnahmerecht genommen, weil die Klausel zumindest so verstanden werden kann, dass der Erwerber nicht mehr zur individuellen Abnahme berechtigt ist (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 26.04.2018, Az.: 13 U 1908/16).

Das OLG Hamburg sieht in der vorliegend relevanten Klausel zudem liegt einen Verstoß gegen § 9 Abs. 2 AGBG, für den jeweiligen Erwerber nicht erkennbar war, dass die Vollmacht widerruflich ist und er jederzeit selbst die Abnahme erklären kann (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 31.03.2015, Az.: 10 U 46/14).

11. Februar 2020

OLG München: Obergrenze auch für individuell vereinbarte Vertragsstrafe!

Auch eine individualvertraglich vereinbarte Vertragsstrafenregelung ist sittenwidrig und nichtig, wenn für die Vertragsstrafe keine absolute Obergrenze festgelegt wird.
Hierauf hat das OLG München mit Beschluss vom 13.07.2018, Az. 28 U 429/18 Bau hingewiesen, der BGH hat nunmehr mit Beschluss vom 09.10.2019, Az. VII ZR 166/18 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Nach Auffassung des OLG München lässt sich der Entscheidung des BGH vom 08.10.1992 (Az. IX ZR 98/91) entnehmen, dass der BGH dem Gesichtspunkt einer Obergrenze auch im Rahmen der Kontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB maßgebliche Bedeutung zumisst. In Tz. 71 der Entscheidung führt der BGH die fehlende Begrenzung nach oben hin ausdrücklich als Argument an und folgert aus ihr – zusammen mit dem Gesichtspunkt des Anwachsens je nach Höhe der geleisteten Zahlungen – eine Nichterreichung des Zwecks "Druckfunktion". Hieraus mag kein Automatismus herzuleiten sein, dass bei Fehlen einer Obergrenze stets und in jedem Fall die Sittenwidrigkeit folgt. Das OLG München zieht aber aus dem Urteil des BGH die eindeutige Erkenntnis, dass das Fehlen einer Obergrenze im Einzelfall ein maßgebliches Kriterium ist, das Zweifel an der zulässigen Funktion der Vertragsstrafe aufwirft und insbesondere Anlass zu einer eingehenden Prüfung dieser Frage geben muss.

Auch aus der obergerichtlichen Rechtsprechung, so der Senat des OLG München, lässt sich ablesen, dass dem Gesichtspunkt einer Vertragsstrafen-Obergrenze im Hinblick auf eine Vereinbarkeit mit § 138 Abs. 1 BGB maßgebliche Bedeutung zukommt. So hat das OLG Nürnberg in einem Urteil vom 25.11.2009 (Az. 12 U 681/09) entschieden, dass dem Fehlen einer Begrenzung nach oben bei der Kontrolle einer individualvertraglich vereinbarten Vertragsstrafenregelung anhand § 138 Abs. 1 BGB maßgebliche Bedeutung zukommt. Das Urteil ist zwar nicht im Bereich Baurecht ergangen, für den Senat erschließt sich aber nicht, warum die an den allgemeinen Zwecken einer Vertragsstrafe orientierte Argumentation nicht auf den Bereich des Baurechts übertragen werden könnte.

4. Februar 2020

BGH zur einzelfallbezogenen Prüfung des Härtefalles bei der Eigenbedarfskündigung

Der BGH hat mit Urteil vom 11.12.2019, Az. VIII ZR 144/19 darauf hingewiesen, dass der Härtegrund des zu zumutbaren Bedingungen nicht zu beschaffenden Ersatzwohnraums konkrete tatrichterliche Feststellungen voraussetzt, welcher Ersatzwohnraum für den Mieter nach seinen finanziellen und persönlichen Verhältnissen angemessen ist, welche Bemühungen von dem Mieter nach diesen Verhältnissen anzustellen sind und ob er diesen Anstrengungen genügt hat (im Anschluss an Senatsurteil vom 22.05.2019, Az. VIII ZR 180/18, NJW 2019, 2765 Rz. 50, 53).

Bei der Bewertung und Gewichtung der widerstreitenden Interessen beider Parteien im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ist den Wertentscheidungen Rechnung zu tragen, die in den für sie streitenden Grundrechten zum Ausdruck kommen. Dabei haben die Gerichte zu berücksichtigen, dass bezüglich der Anwendung und Auslegung des Kündigungstatbestands des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB einerseits und der Sozialklausel andererseits dieselben verfassungsrechtlichen Maßstäbe gelten. Auch im Rahmen des § 574 Abs. 1 BGB ist daher die vom Vermieter beabsichtigte Lebensplanung grundsätzlich zu respektieren und der Rechtsfindung zugrunde zu legen (im Anschluss an Senatsurteil vom 22.05.2019 – VIII ZR 180/18, a.a.O., Rz. 60 m.w.N.). Zugleich haben die Gerichte aber auch die volle Bedeutung und Tragweite des Bestandsinteresses des Mieters zu erfassen und zu berücksichtigen (im Anschluss an Senatsurteil vom 22. Mai 2019, Az. VIII ZR 180/18, a.a.O., Rz. 62 m.w.N.), so der BGH.

Bei der Würdigung und Gewichtung der beiderseitigen Belange haben die Tatsacheninstanzen darauf zu achten, sich nicht in Widerspruch zu verfassungsrechtlich verbürgten Rechtspositionen der Mietvertragsparteien (insbesondere Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 2 GG) zu setzen (Senatsurteil vom 22. Mai 2019 – VIII ZR 180/18, aaO Rn. 55). Weiter haben sie zu berücksichtigen, dass die Abwägung stets auf der Grundlage der sorgfältig festzustellenden Einzelfallumstände zu erfolgen hat (vgl. auch BT-Drucks. 3/1234, S. 74 [zu § 565a-E, der später als § 556a BGB aF Gesetz geworden ist]; BT-Drucks. V/1743, S. 3 Nr. 2 [zur geänderten Fassung des § 556a BGB]), weswegen sie sich nicht auf eine – aufgrund der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse grundsätzlich nicht mögliche – Kategorisierung zurückziehen dürfen (Senatsurteil vom 22. Mai 2019 – VIII ZR 180/18, aaO Rn. 37).

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