Ihr-Recht-Blog

25. Juni 2020

OLG Koblenz zur Vertretungsbefugnis des Architekten

Die Vertretung seiner Auftraggeber im Widerspruchsverfahren nebst Geltendmachung entsprechender Kostenerstattungsansprüche ist einem Architekten nicht nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt. Entsprechend entschied das OLG Koblenz in einem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 04.12.2019, Az. 9 U 1067/19.

In dem der Entscheidung des OLG Koblenz zugrundeliegendem Sachverhalt hatte eine Architektin für ihre Auftraggeber, die Eigentümer eines Grundstücks, eine Bauvoranfrage gestellt, die jedoch abgelehnt wurde. Gegen den Bescheid legte die Architektin im Namen der Grundstückseigentümer Widerspruch ein und vertrat diese im Widerspruchsverfahren. Unter anderem diese Tätigkeit im Widerspruchsverfahren hatte die Klägerin, eine berufsständische Organisation der Rechtsanwaltschaft, zum Anlass genommen, die Beklagte wegen unerlaubter Rechtsdienstleistung auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.

Dem trat die beklagte Architektin entgegen mit der Begründung, dass auch das Widerspruchsverfahren zu ihrem Berufs- und Tätigkeitsgebiet gehöre – zumindest jedenfalls als Nebendienstleistung. Eine solche sei nach § 5 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) erlaubt.

Dieser Auffassung folgte das OLG nicht. Nach Auffassung des OLG liegt eine erlaubte Nebenleistung nach § 5 Rechtsdienstleistungsgesetz dann nicht mehr vor, wenn die Tätigkeit eine Rechtsprüfung erforderlich mache, die über eine rein schematische Rechtsanwendung hinausgehe. So verhalte es sich hier. Die Vertretung im Widerspruchsverfahren habe die Prüfung individueller, einzelfallbezogener Ansprüche erforderlich gemacht und sei daher nicht mehr als Nebenleistung eines Architekten zu qualifizieren. Das Berufsbild des Architekten umfasse die fachliche, technische Begleitung und beschränke sich im Bereich der Rechtsberatung auf eine fachliche und organisatorische Unterstützung des Bauherrn.

Eine Vertretung im Widerspruchsverfahren gehe hierüber deutlich hinaus, weil dies nicht nur die Kenntnis bautechnischer und baurechtlicher Vorschriften voraussetze, sondern auch das übrige öffentliche Recht und das – auf das Widerspruchsverfahren in weiten Teilen entsprechend anwendbare – Verwaltungsprozessrecht beherrscht werden müsse.

Der Architekt werde durch diese Begrenzung seiner Tätigkeit auch nicht in seiner Berufsausübungsfreiheit verletzt (Art. 12 Abs. 1 GG). Zum einen sei allenfalls der Randbereich der Berufsausübung berührt. Zum anderen sei die Einschränkung seines Tätigkeitsfeldes zum Schutz des Rechtsuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen hinreichend gerechtfertigt.

Die Entscheidung des OLG Koblenz ist noch nicht rechtskräftig; die beklagte Architektin hat Revision eingelegt.

22. Juni 2020

LG München zum Verlust des Schlüssels durch den Mieter

Filed under: Mietrecht — Schlagwörter: , , , , , , , , , , — ihrrecht @ 07:12

Bei Verlust eines Schlüssels ist der Mieter allenfalls nur dann verpflichtet, dem Vermieter die Kosten des Austauschs der gesamten Schließanlage zu erstatten, wenn aus objektiver Sicht unter den gegebenen Einzelfallumständen eine konkrete Missbrauchsgefahr besteht. Ein rein abstraktes Gefährdungspotential ist hierfür nicht ausreichend. Dies hat das LG München I mit Urteil vom 18.06.2020, Az. 31 S 12365/19  im Anschluss an BGH, Urteil vom 05.03.2014, Az. VIII ZR 205/13 entschieden.

Verletzt der Vermieter die Obliegenheit, den Mieter darauf hinzuweisen, dass eine Schließanlage nicht erweiterbar ist, trägt er im Schadensfall die Kosten, die darauf zurückzuführen sind, dass er keine erweiterbare Schließanlage gewählt hat, selbst (§§ 241 Abs.2, 254 BGB). Alternativ hätte der Vermieter die Möglichkeit, das Wohnungsschloss auf Kosten des Schädigers durch einen nicht zur Schließanlage gehörenden Zylinder auszutauschen, so das LG München in seiner Entscheidung.

Bereits die Vorstellung, dass jemand einen aufgefundenen Schlüssel in einer Mehrfamilienhausgegend einer Großstadt dazu verwendet, von Tür zu Tür zu gehen und zu überprüfen, ob er an einer Haus- und Wohnungstür zufällig passt, erscheint nach Ansicht des Gerichtes fernliegend. Wenn überhaupt, wird ein derartiges Verhalten eher nur jemand an den Tag liegen, der gerade keine Türen gewaltsam öffnen will. Ein derartiger Täter könnte vorliegend mit dem Schlüssel im sehr unwahrscheinlichen Fall, dass er Haus und Wohnung findet, zu der der Schlüssel passt, nur die Hauseingangstüre und die Wohnungstüre des Beklagten öffnen, denn die verlorenen Schlüssel schließen nicht auch die Wohnungstüren der anderen Hausbewohner. Auch einen etwaigen Zugang zu einer Tiefgarage ermöglichen sie nicht. Schließlich ist auch ein besonderer Anreiz, unerlaubt in den Hauseingangsbereich des streitgegenständlichen Hauses zu gelangen, nicht erkennbar.

Der Austausch des Wohnungstürschlosses konnte vorliegend durch den Einbau eines neuen, zur eingebauten Schließanlage Vitess 2000 von "ABUS" passenden Schlosses erfolgen, so das LG.  Schließanlagen würden gerichtskundig von den Herstellern als erweiterbare und nicht erweiterbare Schließanlagen angeboten. Bei einer erweiterbaren Schließanlage kann ein Wohnungsschloss durch ein anderes zur Schließanlage passendes Schloss ausgetauscht werden. Nicht erweiterbare Schließanlagen bieten diese Möglichkeit nicht. Will der Vermieter einer nicht erweiterbaren Schließanlage ein Wohnungstürschloss austauschen, hat er die Möglichkeit, ein Wohnungstürschloss einzubauen, das nicht zur Schließanlage passt – der entsprechende Mieter hat dann zwei verschiedene Schlüssel – oder die gesamte Schließanlage auszutauschen.

Die vom Kläger ausgetauschte Schließanlage Vitess 2000 ist allgemeinkundig erweiterbar; auf die Internetseite des Herstellers "http://www.abus.com" nimmt das LG München insoweit Bezug. Der Vermieter darf daher den Wohnungsschlosszylinder auf Kosten des Mieters durch einen anderen zur Schließanlage passenden Zylinder ersetzen. Dadurch ist das Risiko gebannt, dass ein etwaiger Täter die Wohnung des Mieters oder eventueller Nachnutzer öffnen kann, so das LG München.

17. Juni 2020

BGH: Baulärm und Mietminderung

Nach Abschluss des Mietvertrags eintretende erhöhte Geräusch- und Schmutzimmissionen begründen, auch wenn sie von einer auf einem Nachbargrundstück eines Dritten betriebenen Baustelle (hier: zur Errichtung eines Neubaus in einer Baulücke) herrühren, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen gem. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss. Der BGH hat mit diesem Urteil vom 29.04.2020, Az. VIII ZR 31/18 seine Rechtsprechung mit Senatsurteil vom 29.04.2015, Az. VIII ZR 197/14 bestätigt und fortgeführt.

Eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien kann nicht mit der Argumentation bejaht werden, die Freiheit der Wohnung von Baustellenlärm werde regelmäßig stillschweigend zum Gegenstand einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien. Die bei einer Mietsache für eine konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Einigung kommt nicht schon dadurch zustande, dass dem Vermieter eine bestimmte Beschaffenheitsvorstellung des Mieters (hier: hinsichtlich eines Fortbestands der bei Abschluss des Mietvertrags vorhandenen "Umweltbedingungen" der Wohnung) bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert, so der BGH.

Macht der Mieter einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung in Gestalt der vorgenannten Geräusch- und Schmutzimmissionen geltend, richtet sich die Darlegungs- und Beweislast nicht nach den im Bereich des § 906 BGB bestehenden Regelungen, sondern nach den Grundsätzen des Wohnraummietrechts und insbesondere nach der dort grundsätzlich geltenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nach Verantwortungsbereichen (Anschluss an BGH, Urteil vom 01.03.2000 – XII ZR 272/97, unter II 2 a m.w.N., IBRRS 2000, 1446 = IMRRS 2000, 0417 = NJW 2000, 2344; vgl. auch BGH, Urteil vom 18.05.1994 – XII ZR 188/92, IBRRS 1994, 0398 = IMRRS 1994, 0003 = BGHZ 126, 124, 127 ff.; BGH, Beschluss vom 25.01.2006 – VIII ZR 223/04, IBR 2006, 234 = NJW 2006, 1061 Rn. 3). Demnach hat der Mieter darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass die von ihm angemietete Wohnung Immissionen der vorbezeichneten Art ausgesetzt ist, die die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung unmittelbar beeinträchtigen, und dass es sich hierbei um eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Hierbei darf von den auf dieser Grundlage zu treffenden notwendigen Feststellungen der Tatrichter – schon mangels eines entsprechenden Erfahrungssatzes – nicht mit der Begründung absehen, dass Baumaßnahmen, die auf einer in der Nähe der Wohnung gelegenen Baustelle (hier: zur Errichtung eines Neubaus in einer Baulücke) durchgeführt werden, typischerweise mit Immissionen in Form von Lärm und Schmutz einhergingen, die eine Mietminderung rechtfertigten. Vielmehr ist die Frage nach der Art und dem Umfang von Immissionen wegen deren Objektbezogenheit regelmäßig anhand des konkreten Einzelfalles zu beantworten.

Beruft sich der Vermieter gegenüber dem Wohnungsmieter darauf, Ansprüche nach § 906 BGB gegen den Verursacher nicht zu haben, hat er diejenigen, dem Verhältnis zwischen ihm und dem Verursacher – und damit dem Verantwortungsbereich des Vermieters – entstammenden Tatsachen, seien sie personen- oder grundstücksbezogen, vorzubringen und im Falle des Bestreitens zu beweisen, die in Anbetracht des bis dahin festgestellten Sachverhalts – auch unter Beachtung der im Verhältnis zum Verursacher gelten-den Beweislastverteilung – dazu führen, dass weder Abwehr- noch Entschädigungsansprüche bestehen, so der BGH.

3. Juni 2020

OLG Koblenz: Abschlagsrechnung und Schlussrechnungsreife

Dem Architekten oder Ingenieur steht kein Anspruch auf eine Abschlagszahlung mehr zu, wenn das Vertragsverhältnis durch Kündigung, einvernehmlicher Vertragsaufhebung oder in sonstiger Weise beendet worden ist. In einem solchen Fall hat er seine Leistungen vielmehr umfassend abzurechnen. Ein etwaiger Anspruch auf Zahlung eines Abschlags erlischt infolge der Schlussrechnungsreife. Dementsprechend befindet sich der Auftraggeber bei Eintritt der Schlussrechnungsreife nicht mit der Zahlung eines (nicht mehr) gegebenen Anspruchs auf einen Abschlag in Verzug, so dass der Architekt oder Ingenieur insoweit auch keinen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen hat.

Hierauf hat das OLG Koblenz mit Urteil vom 23.05.2019, Az. 2 U 1447/16 hingewiesen, der BGH hat mit Beschluss vom 29.01.2020, Az. VII ZR 129/19 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

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