Ihr-Recht-Blog

2. September 2021

LSG Berlin-Brandenburg: Subunternehmer und Scheinselbständigkeit

Bei als Subunternehmern beauftragten Bauhilfskräften handelt es sich um Scheinselbständige, wenn, mangels schriftlicher Verträge und aussagekräftiger Rechnungen, diesen ein konkret von ihnen zu erbringendes Werk nicht zugeordnet werden kann (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.06.2021, Az. L 28 BA 122/18).

Das LSG hat in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen, dass bestimmte berufliche Tätigkeiten sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbstständigkeit wahrgenommen werden können und dass es für die Zuordnung insoweit auf die Gesamtschau der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl. BSG, Urteil vom Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – "Rackjobbing" m.w.N.). Ohne Belang ist, mit welchem "Etikett" die am Vertragsverhältnis Beteiligten eine Tätigkeit versehen. Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr – wie dargelegt – anhand abstrakter Merkmale und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw. Tätigkeitskatalogen (BSG a.a.O.). Fehlen zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben und kann die zu prüfende sowohl in der Form einer Beschäftigung als auch in der einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden, kommt, so die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, die auch der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, den vertraglichen Vereinbarungen keine allein ausschlaggebende, aber eine gewichtige Rolle zu. Denn die Vertragsparteien haben es zwar nicht in der Hand, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen. Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, kommt aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 R 3/17 R – m.w.N. ). Insofern ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen "Etikettenschwindel" handelt. Dieser kann als Scheingeschäft i.S.d. § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Nichtigkeit dieser Vereinbarung und der Notwendigkeit führen, den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. BSG, Urteile vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R – ; vom 4. September 2018 – B 12 KR 11/17 R – m.w.N. <Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychotherapie> und vom 14. März 2018 – B 12 KR 3/17 – <Opernchorsänger>).

Das LSG hat auch darauf hingewiesen, daß die objektive Beweislast für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung dem Träger der Sozialversicherung obliegt. Es ist auch nicht in einem etwaigen Zweifelsfall wegen des starken Gewichts der Sozialversicherung eher eine abhängige als eine selbständige, unternehmerische Tätigkeit anzunehmen. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BSG, Urteil vom 24. Oktober 1978 – 12 RK 58/76 -). Der mit der Feststellung von Sozialversicherungspflicht und der daraus folgenden Beitragspflicht einhergehende Eingriff jedenfalls in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz; vgl. BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12- R 6/18 R – ; BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1998 – 1 BvR 1318/86 u.a. – m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2003 – 1 BvR 558/99 -) ist nur zu rechtfertigen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Sozialversicherung erfüllt sind. Daher muss der abhängige Charakter der Tätigkeit und damit die Sozialversicherungspflicht positiv festgestellt werden können, so der Senat.

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