Ihr-Recht-Blog

31. Januar 2022

BGH zum Belegeinsichtsrecht des Mieters

Der BGH hat mit Urteil vom 15.12.2021, Az. VIII ZR 66/20 darauf hingewiesen, dass ein Mieter hinsichtlich der bei einer Betriebskostenabrechnung vom Vermieter geschuldeten Belegvorlage grundsätzlich Einsicht in die Originale der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung verlangen kann, ohne insoweit ein besonderes Interesse darlegen zu müssen.

In Ausnahmefällen kann es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) allerdings in Betracht kommen, dass der Vermieter lediglich die Vorlage von Kopien oder Scanprodukten schuldet. Die Frage, ob ein solcher Ausnahmefall gegeben ist, entzieht sich allgemeiner Betrachtung und ist vom Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

Ein Ausnahmefall, in dem der Vermieter nicht Einsichtnahme in die Originalbelege schuldet, kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn der Vermieter seinerseits von seinem Dienstleister entsprechende Belege nur in digitaler Form erhalten hat. Darüber hinaus kann aufgrund besonderer, vom Tatrichter zu würdigender Umstände des Einzelfalls anzunehmen sein, dass dem Vermieter ausnahmsweise nicht zugemutet werden kann, dem Mieter Einsicht in vorhandene Originalunterlagen zu gewähren, so der BGH.

24. Januar 2022

BSG: Corona und das allgemeine Lebensrisiko

Das Infektionsrisiko mit Corona-Virus gehört nach Ansicht des Bundessozialgerichtes zum allgemeinen Lebensrisiko (BSG, Beschluss vom 14.06.2021, Az. B 4 AS 86/21 B).

So kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Die Beurteilung, ob ein erheblicher Grund vorliegt, liegt grundsätzlich im Ermessen des jeweiligen Gerichts. Dieses Ermessen kann sich auf Null reduzieren mit der Folge, dass der Termin aufgehoben werden muss und anderenfalls der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt ist.

Der Hinweis darauf, dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sowohl im Landkreis, in dem ein Prozessbevollmächtigter seinen Kanzleisitz hat, als auch im Landkreis, in dem das Gericht seinen Sitz hat, auf die Infektionen mit dem Covid-19 bezogene Inzidenzwerte von über 200 bestehen, reicht nach Ansicht des Bundessozialgerichts für eine Terminsverlegung nicht aus. Die Unzumutbarkeit einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung folgt nicht allein aus Inzidenzwerten oder der allgemeinen Infektionslage. Vielmehr haben die Gerichte einen erheblichen Einschätzungsspielraum bei der Beurteilung, ob gerichtliche Verhandlungen trotz der Infektionslage durchgeführt werden können.

Ein gewisses Infektionsrisiko mit dem Corona-Virus gehört derzeit für die Gesamtbevölkerung zum allgemeinen Lebensrisiko, von dem auch die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens nicht vollständig ausgenommen werden können, so das Bundessozialgericht.

17. Januar 2022

BGH zur Gesamthöhe des Zahlungsrückstandes bei Kündigung des Mietverhältnisses

Filed under: Mietrecht — Schlagwörter: , , , , , , , , , , , — ihrrecht @ 09:15

Der BGH hat mit Urteil vom 08.12.2021, Az. VIII ZR 32/20 darauf hingewiesen, dass bei einer Kündigung eines Wohnraummietvertrages wegen Zahlungsverzugs allein die Gesamthöhe des Rückstands relevant ist.

Die Erheblichkeit des zur außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs berechtigenden Mietrückstands ist demnach gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a Alt. 2, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB allein nach der Gesamthöhe der beiden rückständigen Teilbeträge zu bestimmen. Danach ist der Rückstand jedenfalls dann nicht mehr unerheblich, wenn er die für einen Monat geschuldete Miete übersteigt. Für eine darüberhinausgehende gesonderte Bewertung der Höhe der einzelnen monatlichen Rückstände im Verhältnis zu jeweils einer Monatsmiete und damit für eine richterliche Anhebung der Anforderungen an eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs lässt das Gesetz keinen Raum (Bestätigung des Senatsurteils vom 15.04.1987, Az. VIII ZR 126/86, unter II 1 d [zu § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BGB a.F.], IMRRS 2007, 2567 = NJW-RR 1987, 903).

Anders als die Vorinstanz angenommen hatte, steht der Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 9. Februar 2018 nicht entgegen, dass der in den Monaten Januar und Februar 2018 rückständige Teil zwar insgesamt die für einen Monat geschuldete Miete übersteigt (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB), der für den Monat Januar 2018 entstandene Rückstand in Höhe von 135,41 Euro gemessen an einer Monatsmiete von 704 Euro jedoch für sich allein gesehen – wie das Berufungsgericht gemeint hat – als unerheblich zu werten sei, so der BGH.

11. Januar 2022

OLG Hamburg zu den „üblichen“ Raumtemperaturen

Das OLG Hamburg hat sich mit Urteil vom 30.12.2020, Az. 4 U 21/20 mit der Frage auseinandergesetzt, welche Raumtemperaturen in einer neu zu errichtenden Wohnung erreicht werden müssen. Der BGH hat nunmehr mit Beschluss vom 9.08.2021, Az. VII ZR 77/21 die gegen das Urteil des OLG Hamburg eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Nach der jetzt rechtskräftigen Entscheidung des OLG Hamburg besteht ein Anspruch auf eine bestimmte Heizleistung nur, wenn dies gesondert vereinbart ist. Werden bestimmte Temperaturen in den technischen Anschlussbedingungen zum Wärmelieferungsvertrag genannt, begründet dies allein keine Beschaffenheitsvereinbarung für die zu errichtende Wohnung.

Wird keine gesonderte Vereinbarung über die Heizleistung getroffen, ist für den üblichen Gebrauch einer Wohnung von einer erreichbaren Raumtemperatur von 20°C für Wohnräume und 24°C für das Bad auszugehen.

Das Gericht hat sich auf den Anhang D der EN 12831:2003(D) bezogen und sich insoweit auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten gestützt. Den von den Käufern behaupteten Anspruch, dass sich die Wohnräume (mit Ausnahme des Bades) jederzeit auf 22°C Raumtemperatur erwärmen lassen müssten, hat das Gericht zurückgewiesen. Ein Anspruch auf eine bestimmte Heizleistung unabhängig davon, ob die vereinbarten oder üblichen Raumtemperaturen erreicht werden oder nicht, besteht nur, wenn dies gesondert vereinbart ist. Das ist nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag nicht der Fall, so das OLG.

3. Januar 2022

BGH zu den umlagefähigen Betriebskosten; hier: Gartenpflege

Die Kosten der Fällung eines – wie hier – morschen, nicht mehr standsicheren Baums sind grundsätzlich umlagefähige Kosten der Gartenpflege im Sinne von § 2 Nr. 10 BetrKV (BGH, Urteil vom 10.11.2021, Az. VIII ZR 107/20).

Die Frage, ob zu den Gartenpflegekosten auch diejenigen der Fällung eines (morschen, nicht mehr standsicheren) Baums zählen, hatte der Senat bislang noch nicht entschieden (vgl. Senatsbeschluss vom 29. September 2008 – VIII ZR 124/08, NZM 2009, 27 Rn. 1 f.) und ist in der Rechtsprechung der Instanzgerichte sowie in der Literatur umstritten.

Teilweise werden Baumfällkosten generell als nicht umlagefähig angesehen, wobei zur Begründung einerseits darauf abgestellt wird, es handele sich nicht um „laufende Kosten“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrKV (vgl. LG Berlin, Urteil vom 13. April 2018 – 63 S 217/17; AG Berlin-Schöneberg, Urteil vom 8. Oktober 2009 – 106 C 110/09; LG Krefeld, Urteil vom 17. März 2010 – 2 S 56/09; AG Potsdam, WuM 2012, 203; AG HamburgBlankenese, ZMR 2015, 135, 136; AG Leipzig, WuM 2020, 643; vgl. auch Bausch, NZM 2006, 366), andererseits (auch) darauf, dass der Vermieter mit der Fällung eines – wie hier – morschen und nicht mehr standfesten Baums lediglich eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht erfülle oder einen Mangel der Mietsache beseitige (vgl. AG Köln, WuM 2017, 592 f.; AG Neustadt an der Weinstraße, ZMR 2009, 456; LG Berlin, GE 1988, 355; vgl. auch AG Hamburg, WuM 1989, 641).

Nach anderer Ansicht fallen die Kosten der Fällung eines alters-, krankheits- oder umweltbedingt abgängigen, das heißt allmählich absterbenden, Baums unter die Bestimmung des § 2 Nr. 10 BetrKV, weil die Beseitigung eines solchen Baums zur ordnungsgemäßen Gartenpflege gehöre (LG München I, ZMR 2021, 116 ff.; LG Hamburg, Urteil vom 13. Juli 1989 – 7 S 185/88; AG Hamburg-Wandsbek, ZMR 2014, 804; AG Düsseldorf, WuM 2002, 498; ähnlich auch LG Frankfurt am Main, NZM 2005, 338; Staudinger/Artz, BGB, Neubearb. 2021, § 556 Rn. 35b; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 14. Aufl., § 556 BGB Rn. 156; Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 556 BGB Rn. 72; Spielbauer/Schneider/Schneider, Mietrecht, 2. Aufl., § 556 BGB Rn. 241; Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 9. Aufl., A Rn. 146; MünchKommBGB/Zehelein, 8. Aufl., BetrKV § 2 Rn. 54).

Die letztgenannte Auffassung verdient nach Ansicht des BGH den Vorzug. Die Kosten der Fällung eines – wie hier – morschen, nicht mehr standfesten Baums zählen zu den Kosten der Gartenpflege im Sinne von § 2 Nr. 10 BetrKV. Denn die Fällung und Beseitigung eines solchen Baums ist regelmäßig eine objektiv erforderliche Maßnahme der Gartenpflege.

Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 2 Nr. 10 BetrKV. Zwar sind dort Baumfällarbeiten nicht ausdrücklich genannt. Jedoch sind nach dieser Vorschrift die Kosten der Gartenpflege Betriebskosten im Sinne von § 1 BetrKV und gehören hierzu (unter anderem) die Kosten der Pflege gärtnerisch angelegter Flächen einschließlich der Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen.

Der Umstand, dass in der Erläuterung des § 2 Nr. 10 BetrKV lediglich die „Erneuerung“ von Pflanzen und Gehölzen und nicht deren Entfernung erwähnt wird, steht einer Umlagefähigkeit von (bloßen) Beseitigungskosten nicht entgegen. Denn zum einen unterfällt das Entfernen von Pflanzen und Gehölzen bereits dem (Ober-)Begriff der „Gartenpflege“. Hierzu zählen sämtliche Maßnahmen, die objektiv dem Erhalt der Gartenanlage als solche infolge eines Pflegebedarfs dienen. Dies erfordert nicht nur Arbeiten, die dem Erhalt einzelner Pflanzen und Gehölze dienen, sondern auch deren Entfernung, wenn sie krank, abgestorben oder – wie hier im Falle eines Baums – morsch und nicht mehr standsicher sind. Denn solche Umstände beeinträchtigen die Gartenanlage als Ganzes. Zum anderen setzt eine „Erneuerung“ von Pflanzen und Gehölzen regelmäßig deren vorherige Entfernung voraus. Daher bedurfte es entgegen der Ansicht der Revision einer ausdrücklichen Nennung der „Entfernung“ in § 2 Nr. 10 BetrKV nicht, so der BGH.

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