Ihr-Recht-Blog

29. November 2022

OLG zur Haftung des Geschäftsführers einer nichtexistenten GmbH

Bei einem unternehmensbezogenen Geschäft geht der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass der Inhaber des Unternehmens Vertragspartei wird und nicht der für das Unternehmen Handelnde. Der Handelnde haftet aber, wenn der Unternehmensträger gar nicht existiert oder wenn der Handelnde keine Vollmacht hatte, für den Unternehmensträger zu handeln.

Hierauf hat das OLG Celle mit Urteil vom 04.04.2022, Az. 6 U 47/21 in einem Fall, in welchem die angeblich vertragsschließende KG nicht existierte, und im Übrigen hat der beklagte Geschäftsführer nicht dargelegt und nachgewiesen hat, als Vertreter der Komplementär-GmbH aufgetreten zu sein (deren organschaftlicher Vertreter er auch nicht gewesen sein will), abgestellt.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte das Landgericht in 1. Instanz bereits festgestellt, dass der in Rede stehende Bauvertrag vom 29. April 2016 zwischen der Klägerin und der dort genannten, unstreitig aber nie existenten D. GmbH & Co. KG vom beklagten Geschäftsführer unterzeichnet wurde. Entsprechend war von dessen Haftung auszugehen.

BGH hat mit Beschluss vom 24.08.2022, Az. VII ZR 6 U 47/21 die vom beklagten Geschäftsführer eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde verworfen.

24. November 2022

BGH bestätigt: Schonfristregelung ist auf die ordentliche Kündigung nicht anwendbar!

Der BGH hat mit Urteil vom 05.10.2022, Az. VIII ZR 307/21 noch einmal bestätigt, daß die Schonfristregelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB auf die ordentliche Kündigung nicht anwendbar ist.

Ein innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB erfolgter Ausgleich des Mietrückstands beziehungsweise eine entsprechende Verpflichtung einer öffentlichen Stelle hat lediglich Folgen für die auf § 543 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3 BGB gestützte fristlose, nicht jedoch für eine aufgrund desselben Mietrückstands hilfsweise auf § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB gestützte ordentliche Kündigung (Bestätigung von Senatsurteil vom 13.10.2021 – VIII ZR 91/20, IMR 2022, 13).

Diese (beschränkte) Wirkung des Nachholrechts des Mieters entspricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, so dass der an Gesetz und Recht gebundene Richter (Art. 20 Abs. 3 GG) diese Entscheidung nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen darf, die so im Gesetzgebungsverfahren (bisher) nicht erreichbar war, so der BGH (im Anschluss an BVerfGE 69, 315, 372; 82, 6, 12 f.; Bestätigung von Senatsurteil vom 13.10.2021 – VIII ZR 91/20, Rz. 87, IMRRS 2021, 1363 = NZM 2022, 49).

14. November 2022

EuGH zu den Mindestsätzen der HOAI

Die Mindestsätze der HOAI 1996/2002 verstoßen nicht gegen Europarecht! Entsprechend hat sich der EuGH mit Urteil vom 27.10.2022 – Rs. C-544/21 positioniert.

Der EuGH hierzu:

Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ist nicht auf einen Fall anwendbar, in dem ein Vertrag vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie geschlossen wurde und dieser Vertrag vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie alle seine Wirkungen erschöpft hat.

Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie endete am 28.12.2009. Soweit in den genannten Fällen der Architektenvertrag vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurde, bleibt die Regelung über die Mindestsätze der HOAI 1996/2002 weiterhin anwendbar.

9. November 2022

LG München zum Anspruch des Mieters auf Zustimmung zur Installation einer Wallbox

Filed under: Mietrecht — Schlagwörter: , , , , , , , , , — ihrrecht @ 13:35

Der Mieter hat regelmäßig Anspruch auf eine Erlaubnis zur Installation einer Wallbox für das Laden eines Elektrofahrzeugs in der Garage.

Moralische Vorbehalte des Vermieters gegenüber der Nutzung von Elektroautos vermögen eine Unzumutbarkeit der Erlaubniserteilung nicht zu rechtfertigen.

Das Abstellen eines E-Autos in der Garage stellt einen vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache dar. Dagegen lässt sich nicht einwenden, E-Autos würden einer erhöhten Brandgefahr unterliegen.

Hierauf hat das LG München I mit Urteil vom 25.05.2022, Az. 14 S 16374/21 hingewiesen.

2. November 2022

OVG Berlin-Brandenburg: Kein Abwehranspruch gegen E-Ladesäule!

Die mit dem bestimmungsgemäßen Gebrauch einer (am öffentlichen Straßenrand errichteten) E-Ladesäule typischerweise entstehenden Beeinträchtigungen sind grundsätzlich von den Straßenanliegern als zumutbare sozialadäquate, aus dem straßenrechtlichen Gemeingebrauch fließende Belastungen zu dulden.

Hierauf hat das OVG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 11.10.2022, Az. 1 S 28/22 hingewiesen.

Zutreffend weise die Beschwerde zwar darauf hin, dass sich die zeitliche Beschränkung von 8 – 18 Uhr nur auf die angeordnete Parkbevorrechtigung für Elektrofahrzeuge bezieht, so das OVG. Daher ist auch außerhalb dieses Zeitraums, namentlich nachts, die Nutzung der Ladesäule möglich, solange kein anderes Nicht-Elektrofahrzeug dort parkt. Abgesehen davon, dass der Antragsteller sein Fahrzeug selbst in der Nachtzeit dort abstellen kann und nur – wie jeder andere Verkehrsteilnehmer auch – am Morgen um 8 Uhr zu entfernen hätte, hat der Antragsteller die mit dem bestimmungsgemäßen Betrieb typischerweise verbundenen Immissionen zu dulden. Die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der Ladesäule typischerweise entstehenden Beeinträchtigungen durch An- und Abfahrten, Türen- und Kofferraumschlagen bzw. Ein- und Aussteigen sowie Stimmen von Fahrgästen u.ä. sind von ihm als zumutbare sozialadäquate, aus dem Gemeingebrauch fließende Belastungen, ggf. auch in der Nachtzeit, hinzunehmen (vgl. betreffend Bushaltestelle und Wartehäuschen OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Juni 2018 – OVG 1 S 9.18 -; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 9. Juli 2004 – 1 W 11/04 -). Dass die Rechtsordnung diese Belastungen als grundsätzlich zumutbar wertet, ergibt sich auch aus der Straßenverkehrsordnung, die das Parken an öffentlichen Straßen überall, d.h. auch in reinen Wohngebieten, als Gemeingebrauch erlaubt und lediglich die – hier nicht einschlägigen – Einschränkungen aus §§ 1 Abs. 2, 12 und 13 StVO vorsieht (Burmann/Heß/ Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, § 12 Rn. 36). Dies gilt explizit auch für elektrisch betriebene Fahrzeuge, wie der Umkehrschluss aus § 13 Abs. 5 Satz 3 StVO i.V.m. § 12 Abs. 3a StVO ergibt, der nur für die dort genannten Fälle das Parken in reinen Wohngebieten ausschließt.

Dass der Antragsteller unzumutbaren gesundheitsgefährdenden Belastungen ausgesetzt ist, ist nicht ersichtlich und vom Antragsteller nach wie vor nicht substantiiert dargelegt. Zwar hat das Verwaltungsgericht Berlin in dem Urteil vom 31. März 2022 (VG 13 K 184/19 n.v.), auf das sich die Beschwerde beruft, festgestellt, dass Geräusche die durch das nächtliche Türen – und Kofferraumschlagen von Elektroautos ausgehen, in einem Hinterhof untypisch und unzumutbar sein können und deshalb gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot verstoßen können (Urteil Seite 7 f.). Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden jedoch nicht vergleichbar. Abgesehen davon, dass sich das Verwaltungsgericht in jenem Fall auf konkrete Messungen an den betroffenen Immissionsorten gestützt hat, geht es hier nicht um die Frage der „Rücksichtslosigkeit einer Baugenehmigung“ zur Errichtung von Stellplätzen für E-Fahrzeuge im Hinterhof von überwiegend zur Wohnung genutzten Gebäuden. Vielmehr geht es bei der in der Größe einem herkömmlichen Parkscheinautomaten entsprechenden Ladesäule um Straßenzubehör i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 3 BerlStrG, welches als öffentliche Verkehrsanlage keiner Baugenehmigungspflicht unterliegt, § 1 Abs. 1 Nr. 1 BauO Bln (vgl. VGH München, Beschluss vom 13. Juli 2018 – 8 CE 18.1071 -). Das gewöhnliche Öffnen und Schließen von Türen und Kofferraum, das Ein- und Aussteigen sowie Stimmgeräusche und An- und Abfahrverkehr gehören indes zu den notwendigen, typischerweise mit dem Parkvorgang verbundenen und daher hinzunehmenden Emissionen.

Dass die von der Ladesäule ausgehenden Beeinträchtigungen über das typische Maß hinausgehen und gesundheitsgefährdend sind, hat auch die Beschwerde nicht dargetan. Zwar behauptet der Antragsteller mit seinem der Antragsschrift beigefügten Schriftsatz vom 23. Januar 2022 Gesundheitsschädigungen durch „massivste, permanente Schlafstörungen, infolge dessen auch Konzentrationsstörungen, die ebenso massiv sind, verbunden mit fortdauernden Herz- Kreislauf- und Verdauungsstörungen, Störungen des vegetativen Nervensystems und diverse weitere auf die Hoch-Verlärmung … zurückzuführende Störungen/Schädigungen.“ Diese sind jedoch weder glaubhaft gemacht (z.B. durch ärztliches Attest) noch drängen sie sich auf. Dies gilt auch angesichts des von der Beschwerde vorgelegten exemplarischen Protokolls des Antragstellers von der Nacht vom 21. Mai auf den 22. Mai 2022. Die dort beschriebenen Geräusche beschränken sich im Wesentlichen auf die gebrauchstypischen („Türenschlagen, Handy-Telefonat, Startergeräusch, Gespräche“). Soweit der Antragsteller weiter moniert, es sei zu Flaschenklirren, lautem Juchzen und zurückgelassenen Flaschen gekommen, sind dies Verhaltensweisen Dritter, gegen die er ein ordnungsbehördliches Einschreiten veranlassen kann, wenn tatsächlich ein ordnungswidriges Maß erreicht wird. Einen Anspruch auf absolute Stille in der Nachtzeit gibt es hingegen auch im reinen Wohngebiet nicht.

An substantiierten Darlegungen für eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr fehlt es bei summarischer Prüfung auch, soweit der Antragsteller eine Lichtverschmutzung oder Ladevibrationen geltend macht. Das vorgelegte Foto ist unbehelflich. Es lässt keinen Vergleich zur Helligkeit anderer Lichtquellen, z.B. Straßenlaternen, zu. Außerdem erscheint die abgelichtete, einem „Spot“ ähnliche punktuelle Lichtquelle dem Senat schon deshalb unrealistisch, weil das kleine Display für die Benutzer der Ladesäule nicht lesbar wäre. Weshalb sich der Antragsteller nicht durch Vorhänge oder Jalousien gegen den Lichteinfall schützen kann, hat er ebenfalls nicht dargelegt. Ebenso zweifelhaft erscheint dem Senat, dass sich durch „ein ständig wahrnehmbares Brummen, Surren und Vibrieren“ Gesundheitsgefahren für den Antragsteller ergeben sollen. Sollten durch einen Ladevorgang überhaupt Vibrationen verursacht werden, was nicht ansatzweise belegt ist, dürften diese kaum im Inneren des Hauses wahrnehmbar sein. Denn an den Unterstreifen, an dessen äußerem straßenseitigen Rand die Ladesäule steht, grenzen erst ein Gehweg von ca. 1,60 Meter Breite und dann – ausweislich der vorgelegten Lichtbilder – das um mehrere Meter vom abgezäunten Gehweg zurückversetzte Haus des Antragstellers an. Vor diesem Hintergrund hätte es substantiierter Ausführungen dazu bedurft, aus welchen – auch technischen – Gründen es zu den lediglich behaupteten Auswirkungen durch die Ladesäule kommen kann. Allein der pauschale Hinweis auf die übliche Konstruktionsweise eines in den 1960er Jahren errichteten Hauses genügt nicht.

Bloggen auf WordPress.com.

%d Bloggern gefällt das: