Ihr-Recht-Blog

21. Februar 2023

VG Schleswig zum VW-Thermofenster

Das Verwaltungsgericht Schleswig hat mit Urteil vom 20.02.22, Az. 3 A 113/18 den Freigabebescheid des Kraftfahrbundesamtes, mit welchem das von VW verwendete sogenannte Thermofenster als zulässig eingestuft wurde, für rechtswidrig erklärt.

Beim Thermofenster handelt es sich um eine Software, die dafür sorgt, dass die Abgasreinigung bei Temperaturen von unter 10 Grad heruntergeregelt wird, womit Grenzwerte für saubere Luft überschritten werden können.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig, sowohl Berufung zum Oberverwaltungsgericht als auch die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht wurden zugelassen.

Betroffen ist das Software-Update für die VW-Modelle Golf und Touran der Abgasnorm Euro 5 mit Zwei-Liter-Dieselmotor. Das Kraftfahrbundesamt hatte im Zuge des Dieselskandals von 2015 von VW verlangt, die Software zu aktualisieren und die skandalträchtige Abschalteinrichtung, eine Prüfstandserkennung, zu entfernen. Allerdings wurden in Freigabebescheiden weitere VW-Abschalteinrichtungen vom Kraftfahrbundesamt als zulässig eingestuft, hierunter die sogenannten Thermofenster.

2. November 2022

OVG Berlin-Brandenburg: Kein Abwehranspruch gegen E-Ladesäule!

Die mit dem bestimmungsgemäßen Gebrauch einer (am öffentlichen Straßenrand errichteten) E-Ladesäule typischerweise entstehenden Beeinträchtigungen sind grundsätzlich von den Straßenanliegern als zumutbare sozialadäquate, aus dem straßenrechtlichen Gemeingebrauch fließende Belastungen zu dulden.

Hierauf hat das OVG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 11.10.2022, Az. 1 S 28/22 hingewiesen.

Zutreffend weise die Beschwerde zwar darauf hin, dass sich die zeitliche Beschränkung von 8 – 18 Uhr nur auf die angeordnete Parkbevorrechtigung für Elektrofahrzeuge bezieht, so das OVG. Daher ist auch außerhalb dieses Zeitraums, namentlich nachts, die Nutzung der Ladesäule möglich, solange kein anderes Nicht-Elektrofahrzeug dort parkt. Abgesehen davon, dass der Antragsteller sein Fahrzeug selbst in der Nachtzeit dort abstellen kann und nur – wie jeder andere Verkehrsteilnehmer auch – am Morgen um 8 Uhr zu entfernen hätte, hat der Antragsteller die mit dem bestimmungsgemäßen Betrieb typischerweise verbundenen Immissionen zu dulden. Die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der Ladesäule typischerweise entstehenden Beeinträchtigungen durch An- und Abfahrten, Türen- und Kofferraumschlagen bzw. Ein- und Aussteigen sowie Stimmen von Fahrgästen u.ä. sind von ihm als zumutbare sozialadäquate, aus dem Gemeingebrauch fließende Belastungen, ggf. auch in der Nachtzeit, hinzunehmen (vgl. betreffend Bushaltestelle und Wartehäuschen OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Juni 2018 – OVG 1 S 9.18 -; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 9. Juli 2004 – 1 W 11/04 -). Dass die Rechtsordnung diese Belastungen als grundsätzlich zumutbar wertet, ergibt sich auch aus der Straßenverkehrsordnung, die das Parken an öffentlichen Straßen überall, d.h. auch in reinen Wohngebieten, als Gemeingebrauch erlaubt und lediglich die – hier nicht einschlägigen – Einschränkungen aus §§ 1 Abs. 2, 12 und 13 StVO vorsieht (Burmann/Heß/ Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, § 12 Rn. 36). Dies gilt explizit auch für elektrisch betriebene Fahrzeuge, wie der Umkehrschluss aus § 13 Abs. 5 Satz 3 StVO i.V.m. § 12 Abs. 3a StVO ergibt, der nur für die dort genannten Fälle das Parken in reinen Wohngebieten ausschließt.

Dass der Antragsteller unzumutbaren gesundheitsgefährdenden Belastungen ausgesetzt ist, ist nicht ersichtlich und vom Antragsteller nach wie vor nicht substantiiert dargelegt. Zwar hat das Verwaltungsgericht Berlin in dem Urteil vom 31. März 2022 (VG 13 K 184/19 n.v.), auf das sich die Beschwerde beruft, festgestellt, dass Geräusche die durch das nächtliche Türen – und Kofferraumschlagen von Elektroautos ausgehen, in einem Hinterhof untypisch und unzumutbar sein können und deshalb gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot verstoßen können (Urteil Seite 7 f.). Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden jedoch nicht vergleichbar. Abgesehen davon, dass sich das Verwaltungsgericht in jenem Fall auf konkrete Messungen an den betroffenen Immissionsorten gestützt hat, geht es hier nicht um die Frage der „Rücksichtslosigkeit einer Baugenehmigung“ zur Errichtung von Stellplätzen für E-Fahrzeuge im Hinterhof von überwiegend zur Wohnung genutzten Gebäuden. Vielmehr geht es bei der in der Größe einem herkömmlichen Parkscheinautomaten entsprechenden Ladesäule um Straßenzubehör i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 3 BerlStrG, welches als öffentliche Verkehrsanlage keiner Baugenehmigungspflicht unterliegt, § 1 Abs. 1 Nr. 1 BauO Bln (vgl. VGH München, Beschluss vom 13. Juli 2018 – 8 CE 18.1071 -). Das gewöhnliche Öffnen und Schließen von Türen und Kofferraum, das Ein- und Aussteigen sowie Stimmgeräusche und An- und Abfahrverkehr gehören indes zu den notwendigen, typischerweise mit dem Parkvorgang verbundenen und daher hinzunehmenden Emissionen.

Dass die von der Ladesäule ausgehenden Beeinträchtigungen über das typische Maß hinausgehen und gesundheitsgefährdend sind, hat auch die Beschwerde nicht dargetan. Zwar behauptet der Antragsteller mit seinem der Antragsschrift beigefügten Schriftsatz vom 23. Januar 2022 Gesundheitsschädigungen durch „massivste, permanente Schlafstörungen, infolge dessen auch Konzentrationsstörungen, die ebenso massiv sind, verbunden mit fortdauernden Herz- Kreislauf- und Verdauungsstörungen, Störungen des vegetativen Nervensystems und diverse weitere auf die Hoch-Verlärmung … zurückzuführende Störungen/Schädigungen.“ Diese sind jedoch weder glaubhaft gemacht (z.B. durch ärztliches Attest) noch drängen sie sich auf. Dies gilt auch angesichts des von der Beschwerde vorgelegten exemplarischen Protokolls des Antragstellers von der Nacht vom 21. Mai auf den 22. Mai 2022. Die dort beschriebenen Geräusche beschränken sich im Wesentlichen auf die gebrauchstypischen („Türenschlagen, Handy-Telefonat, Startergeräusch, Gespräche“). Soweit der Antragsteller weiter moniert, es sei zu Flaschenklirren, lautem Juchzen und zurückgelassenen Flaschen gekommen, sind dies Verhaltensweisen Dritter, gegen die er ein ordnungsbehördliches Einschreiten veranlassen kann, wenn tatsächlich ein ordnungswidriges Maß erreicht wird. Einen Anspruch auf absolute Stille in der Nachtzeit gibt es hingegen auch im reinen Wohngebiet nicht.

An substantiierten Darlegungen für eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr fehlt es bei summarischer Prüfung auch, soweit der Antragsteller eine Lichtverschmutzung oder Ladevibrationen geltend macht. Das vorgelegte Foto ist unbehelflich. Es lässt keinen Vergleich zur Helligkeit anderer Lichtquellen, z.B. Straßenlaternen, zu. Außerdem erscheint die abgelichtete, einem „Spot“ ähnliche punktuelle Lichtquelle dem Senat schon deshalb unrealistisch, weil das kleine Display für die Benutzer der Ladesäule nicht lesbar wäre. Weshalb sich der Antragsteller nicht durch Vorhänge oder Jalousien gegen den Lichteinfall schützen kann, hat er ebenfalls nicht dargelegt. Ebenso zweifelhaft erscheint dem Senat, dass sich durch „ein ständig wahrnehmbares Brummen, Surren und Vibrieren“ Gesundheitsgefahren für den Antragsteller ergeben sollen. Sollten durch einen Ladevorgang überhaupt Vibrationen verursacht werden, was nicht ansatzweise belegt ist, dürften diese kaum im Inneren des Hauses wahrnehmbar sein. Denn an den Unterstreifen, an dessen äußerem straßenseitigen Rand die Ladesäule steht, grenzen erst ein Gehweg von ca. 1,60 Meter Breite und dann – ausweislich der vorgelegten Lichtbilder – das um mehrere Meter vom abgezäunten Gehweg zurückversetzte Haus des Antragstellers an. Vor diesem Hintergrund hätte es substantiierter Ausführungen dazu bedurft, aus welchen – auch technischen – Gründen es zu den lediglich behaupteten Auswirkungen durch die Ladesäule kommen kann. Allein der pauschale Hinweis auf die übliche Konstruktionsweise eines in den 1960er Jahren errichteten Hauses genügt nicht.

28. Juli 2021

VerwG Trier zur Folienumkleidung der Sektflaschen

Sekt­fla­schen müssen zwingend eine Foli­e­n­um­k­lei­dung haben. Dies hat das Verwaltungsgericht Trier nunmehr mit Urteil vom 07.07.2021, Az. 8 K 421/21.TR entschieden und damit die Klage eines Winzers, der Sektflaschen ohne Folienumkleidung verkaufen wollte, abgewiesen.

Die zuständige Rheinland-Pfälzische Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) hatte dem Winzer den Verkauf von 1.300 Flaschen Riesling Jahrgangssekt untersagt mit der Begründung, die Flaschen genügten nicht der einschlägigen unionsrechtlichen Vorgabe, da keine Folienumkleidung um Korken und Flaschenhals vorhanden war.

Der Kläger hatte dagegen geltend gemacht, dass höherrangiges Unionsrecht durch die Untersagung verletzt sei. Es gebe zahlreiche Weinbaubetriebe, die Sektflaschen ohne Folienumkleidung in Verkehr brächten. Es ist nach Auffassung des Winzers auch kein vernünftiger Grund ersichtlich, Sektvermarktern aufzuerlegen, ihre Flaschen mit einer solchen Folie zu versehen. Die Folie sei ein umweltschädliches Accessoire ohne technische Funktion, da der Korken auf der unter hohem Druck stehenden Sektflasche wirkungsvoll bereits durch die "Haltevorrichtung" auf der Flasche gehalten werde. Eine Irreführung des Verbrauchers sei nicht zu befürchten, denn faktisch würden nicht alle Schaumweine mit der vorgeschriebenen Folienumkleidung vermarktet und nach dem Unionsrecht auch andere Produkte mit Folie ausgestattet werden dürften, sodass der Verbraucher sich ohnehin an der Etikettierung und nicht nur anhand der Präsentation mit Folie orientieren müsse, so der Winzer letztendlich.

Das Verwaltungsgericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Zwar unterfalle der Verkauf der Sektflaschen zwar dem Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 Grundrechte-Charta – also höherrangigem Unionsrecht. Gleichwohl ist der Eingriff in die unternehmerische Freiheit durch eine entsprechende EU-Verordnung nach Überzeugung des Gerichts sachlich gerechtfertigt. Die Verordnung bezwecke den Schutz des Verbrauchers vor Irreführung ebenso wie den Schutz der Schaumweinhersteller im Sinne eines fairen Wettbewerbs, so das Gericht. Die einheitliche Aufmachung von Sektflaschen gehe auf eine mehr als 100 Jahre währende Tradition zurück, welche bis heute der Sicherheit des Verbrauchers beim Kauf diene. Die Vorschrift dient nach Auffassung des Gerichts dabei auch dem fairen Wettbewerb, da alle Anbieter gleichsam verpflichtet seien.

Auch die umweltrechtlichen Bedenken des Winzers haben das Gericht nicht überzeugen können. Der Verordnungsgeber habe alle relevanten Aspekte bei Erlass miteinander abgewogen und zu einem Ausgleich gebracht. Es erfolgte zusätzlich der Hinweis, dass offenkundig auch umweltfreundliche, recyclebare Folien verwendet werden könnten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Nach Presseberichten überlegt der Kläger, einen Antrag auf Zulassung der Berufung zum Rheinland-Pfälzischen Oberverwaltungsgericht zu stellen.

25. November 2020

OVG Nordrhein-Westfalen zur Löschung eines Architekten aus der Architektenliste

Ein Architekt ist aus der Architektenliste zu löschen, wenn nach der Eintragung Tatsachen eintreten oder bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass er die für die Wahrnehmung der Berufsaufgaben erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn ein Architekt überschuldet ist und über kein tragfähiges Sanierungskonzept verfügt, das den Schluss auf einen baldigen Schuldenabbau rechtfertigt. Ein erfolgsversprechendes Sanierungskonzept liegt etwa dann vor, wenn ein verbindlicher und von den Gläubigern akzeptierter Tilgungsplan existiert, dem konkrete Ratenzahlungen und insbesondere das Ende der Rückführung der gesamten Rückstände zu entnehmen sind, der Architekt vereinbarten Ratenzahlungen nachkommt und währenddessen keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden können.

Hierauf hat das OVG Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 30.06.2020, Az. 4 B 673/19 hingewiesen und die Beschwerde eines Architektengegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 10.05.2019 zurückgewiesen. Dieser hatte sich gegen einen Löschungsbeschluss wegen Überschuldung gewandt und beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner gegen den Beschluss erhobenen Klage im Wege des Eilverfahrens wiederherzustellen.

Mit der Löschung aus der Architektenliste verliert der Architekt das Recht, die Berufungsbezeichnung "Architekt" weiterhin zu führen. Gleichzeitig verliert er seine Bauvorlageberechtigung. Die hierin liegenden erheblichen Beeinträchtigungen, die es dem Betroffenen natürlich zu dem erschweren, seine Finanzen wieder zu ordnen, stellen nach herrschender Rechtsprechung auch unter Verhältnismäßigkeitgesichtspunkten keinen Hinderungsgrund für eine Löschung dar. Hier wird seitens der Rechtsprechung auch darauf verwiesen, dass der Betroffene ja durchaus seinen Beruf grundsätzlich weiter ausüben könne, eben aber nicht mehr unter Bezeichnung Architekt und nicht mehr mit Bauvorlageberechtigung.

11. März 2020

Aktuell: Corona, Quarantäne und Verdienstausfall

Wer wegen des Verdachtes einer Erkrankung mit dem Virus Covid-19 unter Quarantäne gestellt wird, hat unter den dort genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf Erstattung seines hieraus resultierenden Verdienstausfalles gemäß § 56 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG).

Der Arbeitgeber hat für die Zeit, in der er Lohnfortzahlung zu leisten hat, also regelmäßig für die Höchstdauer von 6 Wochen, einen Erstattungsanspruch nach § 56 V IfSG. Insoweit kann er nach § 56 XII IfSG auch die Zahlung eines Vorschusses für die voraussichtlich entstehenden Aufwendungen beantragen.

1. Februar 2018

BGH zum Rückforderungsanspruch des Jobcenters gegen den Vermieter

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Jobcenter, welcher im Rahmen von Sozialleistungen Mietzahlungen gemäß § 22 Abs. 7 SGB II unmittelbar an einen Vermieter überweist, im Fall versehentlich über das Ende des Mietverhältnisses hinaus gezahlter Mieten einen diesbezüglichen Rückforderungsanspruch unmittelbar gegenüber dem Vermieter geltend machen kann, wenn letzterer bereits bei Erhalt der Zahlung wusste, dass ihm dieser Betrag wegen der Beendigung des Mietvertrags nicht zusteht (BGH, Urteil vom 31. Januar 2018, Az. VIII ZR 39/17).

Zwar haben die Vermieter bei objektiver Betrachtung die hier streitgegenständliche Zahlung von 860 € nicht durch eine Leistung des klagenden Jobcenters, sondern vielmehr durch eine Leistung ihrer (ehemaligen) Mieter enthalten, denen gegenüber der Jobcenter wiederum in seiner Eigenschaft als Sozialleistungsträger im Rahmen des bestehenden Bedarfs für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II Sozialleistungen zu erbringen hatte. Insoweit hatten die Mieter mit ihrem Antrag nach § 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II dem Kläger lediglich die Anweisung erteilt, die ihnen zustehenden Unterstützungsleistungen direkt an die Vermieter zu zahlen.

Dennoch erfolgt die Rückabwicklung der für August 2014 zu Unrecht gezahlten 860 € vorliegend ausnahmsweise nicht im Rahmen der insoweit bestehenden Leistungsbeziehungen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (also zwischen den beklagten Vermietern und den Mietern einerseits und den Mietern und dem klagendem Jobcenter andererseits), sondern steht dem Jobcenter ein direkter Rückzahlungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion) gegen die Vermieter zu. Denn die Mieter hatten ihren Antrag nach § 22 Abs. 7 Satz SGB II bereits vor Ausführung der streitgegenständlichen Zahlung gegenüber dem Kläger (konkludent durch Vorlage des neuen Mietvertrags) widerrufen. Vor allem aber wussten die Vermieter in dem entschiedenen Fall aufgrund der Beendigung des Mietverhältnisses bereits bei Erhalt des Geldes, dass ihnen der für den Monat August 2014 überwiesene Betrag von 860 € nicht zustand und es damit an einer Leistung der Mieter als ihrem (ehemaligen) Vertragspartner fehlte. Diesen Betrag haben die Vermieter vielmehr in sonstiger Weise auf Kosten des Jobcenters ohne rechtlichen Grund erlangt (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB), so der BGH.

21. November 2017

VGH Hessen zur Ermittlung des Mehrverkehrs durch neues Wohngebiet

Der VGH Hessen hat sich mit Urteil vom 17.08.2017, Az. 4 C 2760/16 u. a. mit der Ermittlung des planbedingten Mehrverkehrs, der durch ein neues Wohngebiet erzeugt wird, befasst.

Demnach gehen die Senate des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in ihrer Rechtsprechung davon aus, dass je Wohneinheit etwa 1,5 Fahrzeuge vorhanden sind und dass jedes Fahrzeug ca. 2,5 Mal am Tag bewegt wird (Hessischer VGH, Beschluss vom 17. Januar 1995 – 4 N 3707/88 -, n.V.; Urteil vom 28. Mai 2001- 9 N 1626/96, und Beschluss vom 26. März 2004 – 3 N 2180/99). Unter Zugrundelegung dieses Ansatzes, dem andere Oberverwaltungsgerichte bis in die jüngste Zeit folgen (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 16. Mai 2017 – 15 N 15.1485; Beschluss vom 19. August 2016 – 9 NE 16.1512; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. April 2015 – 3 S 748/13; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. Januar 2015 – 2 R 94/14) ist täglich von 3,75 Fahrzeugbewegungen je Wohneinheit auszugehen. Ferner ist ein motorisierter Besucherverkehr sowie ein Güterverkehr von insgesamt 2 Fahrten pro Wohneinheit am Tag anzunehmen (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 16. Mai 2017 – 15 N 15.1485).

In dem seitens des VGH entschiedenen Sachverhalt ergab dies bei 28 geplanten Wohneinheiten eine planbedingte Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs von 105 Fahrzeugbewegungen täglich bezogen auf die je Wohneinheit vorhandenen Fahrzeuge sowie zu einem weiteren planbedingten Mehrverkehr für Besucherverkehr und Güterverkehr von 56 Fahrzeugbewegungen. Die Erhöhung des Kfz-Verkehrs von gesamt 161 Fahrzeugbewegungen täglich liegt damit allerdings deutlich unter der Schwelle von 200 Fahrzeugbewegungen pro Tag, bis zu der diese vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls lediglich eine geringfügige Beeinträchtigung des Interesses eines Straßenanliegers, von planbedingtem Mehrverkehr, insbesondere im Hinblick auf Verkehrslärmimmissionen, verschont zu bleiben, bewirkt (Hessischer VGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – 4 C 1338/16 -; Urteil vom 13. März 2014 – 4 C 2148/11.N; Urteil vom 14. November 2013 – 4 C 2414/11.N; Urteil vom 23. März 2011 – 4 C 2708/09.N; Urteil vom 7. Juli 2009 – 3 C 1203/08.N).

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7. April 2017

BVerwG: Keine MPU unter 1,6 Promille!

Ist nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille im Strafverfahren die Fahrerlaubnis entzogen worden, darf die Verwaltungsbehörde die Neuerteilung nicht allein wegen dieser Trunkenheitsfahrt von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens (MPU) abhängig machen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht aktuell mit Urteilen vom 06.04.2017, Az. 3 C 24.15 und 3 C 13.16 entschieden. Anders liege es allerdings, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme von künftigem Alkoholmissbrauch begründen.

Im Verfahren 3 C 24.15 hatte das Strafgericht die Klägerin wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr  mit einer BAK von 1,28 Promille nach § 316 StGB verurteilt und ihr nach § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen, da sich aus der Tat ergebe, dass sie zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Als sie die Neuerteilung beantragte, erhielt sie von der Fahrerlaubnisbehörde gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) die Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten vorzulegen. Im Verfahren  3 C 13.16 hatte das Strafgericht dem Kläger die Fahrerlaubnis bei im Übrigen gleichem Sachverhalt wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,13 Promille entzogen. In beiden Fällen ist die Klage auf Erteilung der Fahrerlaubnis ohne vorherige medizinisch-psychologische Untersuchung in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die vorinstanzlichen Urteile geändert und die Beklagten jeweils verpflichtet, den Klägern die beantragten Fahrerlaubnisse auch ohne die Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Frage von Alkoholmissbrauch neu zu erteilen. Der Auffassung, dass die Fahrerlaubnis nach strafgerichtlicher Entziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt nur nach Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens neu erteilt werden dürfe, ist es nicht gefolgt. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV rechtfertigt eine einmalige Trunkenheitsfahrt ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Tatsachen erst ab einer BAK von 1,6 Promille die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die strafgerichtliche Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt ist – wie die Bezugnahme in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV auf die unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe zeigt – kein eigenständiger, von der 1,6 Promille-Grenze unabhängiger Sachgrund für die Anforderung eines Gutachtens. Im Strafverfahren ist der Täter bei einer Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) „in der Regel“, also ohne das Hinzutreten weiterer belastender Tatsachen, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen (§ 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB), so das Bundesverwaltungsgericht.

18. Oktober 2016

VerwG NW: Fahrerlaubnisentzug bei Alkoholabhängigkeit auch ohne Teilnahme am Strassenverkehr

Bei festgestellter Alkoholabhängigkeit setzt die Fahrerlaubnisentziehung nicht voraus, dass der Fahrerlaubnisinhaber alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen hat. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt mit Beschluss vom 28. September 2016, Az. 1 L 784/16.NW in einem Eilverfahren entschieden.

Im zugrundeliegenden Fall war der Betroffene von der Polizei erheblich alkoholisiert, nämlich mit einer Atemalkoholkonzentration von 2,37 Promille, zu Hause aufgefunden worden. Die Kreisverwaltung als untere Verkehrsbehörde ordnete daraufhin zur Klärung der Zweifel an seiner Fahreignung die Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung an. Dieses Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass eine Alkoholabhängigkeit vorliege.

Die Kreisverwaltung entzog dem Betroffenen deshalb mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis. Wegen des angeordneten Sofortvollzugs wandte sich der Fahrerlaubnisinhaber mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht.

Der Antrag blieb ohne Erfolg. In der  Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt wird ausgeführt, die Kreisverwaltung sei zu Recht von der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen, weil bei ihm eine Alkoholabhängigkeit vorliege, die seiner Fahreignung entgegenstehe. Bei dem Antragsteller sei bereits drei Jahre zuvor eine Alkoholabhängigkeit festgestellt worden. Nunmehr sei er zu Hause mit einer Atemalkoholkonzentration von 2,37 Promille angetroffen worden, nachdem er eine Woche lang täglich 0,6 Liter Wodka und 0,5 Liter Radler konsumiert habe, ohne in dieser Zeit Nahrung zu sich zu nehmen. Es sei daher nicht zu beanstanden, wenn diese Umstände – zusammen mit weiteren Anhaltspunkten – gutachterlich als manifeste Alkoholabhängigkeit bewertet würden. Die Fahrerlaubnisentziehung bei festgestellter Alkoholabhängigkeit setze auch nicht voraus, dass der Betroffene alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen habe.

Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt werden.

16. September 2016

BVerwG: Anschluss an Fernwärmeversorgung aus Klimagründen erleichtert!

Filed under: Öffentliches Recht — Schlagwörter: , , , , , , , — ihrrecht @ 10:57

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat sich mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen eine Kommune den Anschluss- und Benutzungszwang an eine Fernwärmeversorgung zum Zwecke des globalen Klimaschutzes nach § 16 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) anordnen darf. Es hat mit Urteil vom 08. September 2016, Az. BVerwG 10 CN 1.15 entschieden, dass die Gemeinde- und Stadträte vor Erlass einer solchen Satzung nicht immer ein aufwändiges Gutachten über die klimatischen Auswirkungen der Maßnahme einholen müssen.

Der Entscheidung liegt ein Rechtsstreit zwischen der Stadt Halberstadt und einer lokalen Wohnungsbaugenossenschaft zu Grunde. Die Stadt beschloss am 27. September 2012 eine Satzung, mit der für einen Teil des Stadtgebiets zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes ein Anschluss- und Benutzungszwang an die Fernwärmeversorgung angeordnet wurde. Die Wohnungsbaugesellschaft stellte dagegen einen Normenkontrollantrag und bestritt, dass mit dem Anschluss der Grundstücke an die Fernwärmeversorgung im konkreten Fall Vorteile für den Klimaschutz verbunden seien. Das Oberverwaltungsgericht hat die Satzung in wesentlichen Teilen für unwirksam erklärt, weil ein dringendes öffentliches Bedürfnis im Sinne des § 8 Nr. 2 Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt (GO) nicht hinreichend festgestellt sei. Die Stadt habe es vor dieser Anordnung unterlassen, den dafür erforderlichen gutachtlichen Vergleich der zu erwartenden CO2-Emissionen mit und ohne Anschlusszwang an die Fernwärmeversorgung durchzuführen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat der Revision der Stadt stattgegeben und festgestellt, dass § 16 EEWärmeG als bundesrechtliche Erweiterung für die Ermächtigung für die Kommunen, einen Anschluss- und Benutzungszwang anzuordnen, zwar in einem bestimmten Umfang Raum lässt für eine ergänzende Anwendung von Landesrecht. Jedoch ermächtigt die Vorschrift die Länder nicht, die Anforderungen in Bezug auf den globalen Klimaschutz zu verschärfen. § 8 Nr. 2 GO kann daher nicht als Grundlage für zusätzliche Erfordernisse herangezogen werden. Nach dem EEWärmeG kann ein gutachtlicher Vergleich der zu erwartenden CO2-Emissionen mit und ohne Anschluss- und Benutzungszwang nicht generell gefordert werden. Wenn die Fernwärmeversorgungseinrichtung in einem bestimmten Mindestmaß mit erneuerbaren Energien, mit Abwärme oder Kraft-Wärme-Koppelung betrieben wird, das in Anlage VIII des Gesetzes definiert ist, so spricht eine generelle Vermutung dafür, dass der Anschluss- und Benutzungszwang von Wohngebieten dem Klima- und Ressourcenschutz dient. Erfüllt sie diese Anforderungen nicht, bedarf es allerdings in der Regel einer konkreten Vergleichsberechnung in Bezug auf die gesamtklimatischen Auswirkungen. Da das Oberverwaltungsgericht noch nicht geprüft hat, ob die Fernwärmeeinrichtung der Stadt Halberstadt den Anforderungen der Anlage VIII des EEWärmeG entspricht, hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes

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