Ihr-Recht-Blog

2. März 2023

OLG Düsseldorf zum Wohnungserwerb mit Renovierungsverpflichtung

Ein Wohnungserwerb mit Renovierungsverpflichtung ist kein Bauträgervertrag, so das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 29.11.2022, Az. 24 U 49/21.

Nur wenn sich der Veräußerer einer Immobilie zu Bauleistungen verpflichtet, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung Neubauarbeiten vergleichbar sind, haftet er nicht nur für die ausgeführten Umbauarbeiten, sondern auch für die in diesem Bereich vorhandene Altbausubstanz nach den Gewährleistungsregeln des Werkvertragsrechts, so das OLG Düsseldorf im Anschluss an BGH, IBR 2007, 429; OLG München, IBR 2022, 575

Bei einer Renovierungsverpflichtung oder bei einer sonstigen Umbauverpflichtung, die nicht den Umfang eines Bauvertrags erfüllt, ist § 650u BGB demzufolge nicht anwendbar; auf derartige Verträge ist vielmehr neben dem Kaufrecht das Werkvertragsrecht anzuwenden: Das gilt etwa, wenn sich die baulichen Verpflichtungen nach Art und Umfang in Maßnahmen erschöpfen, die einer (aufwändigen) Renovierung – im Gegensatz zu einer „Kernsanierung“ – entsprechen, so das OLG weiter.

12. Januar 2023

LG Münster zur Darlegungs- und Beweislast bei Rückforderung des Maklerlohns

Das LG Münster hat sich mit Urteil vom 15.12.2022 – 8 O 212/22 mit der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Frage befasst, wem die Darlegungs- und Beweislast im Falle der Rückforderung des Maklerlohns nach § 656c I BGB (Anspruch bei Tätigkeit für beide Parteien trifft.

Nach Ansicht des LG Münster liegt die Darlegungs- und Beweislast für eine Rückforderung der Maklercourtage nach § 656c Abs. 1 BGB nicht bei dem Makler, sondern bei dem Kaufinteressenten, der den Makler auf Rückzahlung in Anspruch nimmt.

Auch eine Pflicht zur Urkundenvorlegung im Rahmen eines Auskunftsanspruchs der Kunden gegenüber dem Makler besteht nach Ansicht des LG Münster nicht. Zwar wird verschiedentlich in der Literatur gefordert, dass es im Rahmen von § 656c BGB einen solchen Auskunftsanspruch des Maklerkunden bzw. eine Auskunftspflicht des Maklers geben müsse (etwa Fischer, NJW 2021, 1202, sowie derselbe in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 656c Rn. 12; Herrler in Staudinger/Arnold (2021), BGB, § 656c Rn. 6, 8; Würdinger in jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 656c (Stand: 17.12.2020) Rn. 12; a.A. Meier in BeckOGK, Stand 01.11.2022, BGB § 656c Rn. 14-16). Denn selbst wenn man einen solchen Auskunftsanspruch bejaht, so kann daraus nicht zusätzlich auch noch ein Belegvorlageanspruch wie bei einer Rechenschaftspflicht (§ 259 Abs. 1 BGB) konstruiert werden. Dies wäre mit der gesetzgeberischen Wertung, die einen Nachweis einer Maklerlohnzahlung gegenüber dem Maklerkunden ausdrücklich in den Überwälzungsfällen, nicht aber in den Doppeltätigkeitsfällen vorgesehen hat, nicht zu vereinbaren. Überdies muss ein Belegvorlageanspruch auch nicht zur Wahrung der berechtigten Interessen der Kläger (vgl. § 241 Abs. 2 BGB) geschaffen werden. Denn die Kläger haben in einem solchen Fall auch ohne solche Hilfe zumutbare Mittel an der Hand, um den ihnen obliegenden Beweis eines Verstoßes gegen § 656c Abs. 1 BGB zu führen. Sie können insbesondere den Verkäufer und ggf. auch die Mitarbeiter des Maklers als Zeugen für diese Behauptung benennen, und diese müssten dann wahrheitsgemäß vor Gericht Auskunft darüber geben, ob eine Provision in gleicher Höhe vereinbart, gezahlt und nicht erlassen wurde.

29. November 2022

OLG zur Haftung des Geschäftsführers einer nichtexistenten GmbH

Bei einem unternehmensbezogenen Geschäft geht der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass der Inhaber des Unternehmens Vertragspartei wird und nicht der für das Unternehmen Handelnde. Der Handelnde haftet aber, wenn der Unternehmensträger gar nicht existiert oder wenn der Handelnde keine Vollmacht hatte, für den Unternehmensträger zu handeln.

Hierauf hat das OLG Celle mit Urteil vom 04.04.2022, Az. 6 U 47/21 in einem Fall, in welchem die angeblich vertragsschließende KG nicht existierte, und im Übrigen hat der beklagte Geschäftsführer nicht dargelegt und nachgewiesen hat, als Vertreter der Komplementär-GmbH aufgetreten zu sein (deren organschaftlicher Vertreter er auch nicht gewesen sein will), abgestellt.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte das Landgericht in 1. Instanz bereits festgestellt, dass der in Rede stehende Bauvertrag vom 29. April 2016 zwischen der Klägerin und der dort genannten, unstreitig aber nie existenten D. GmbH & Co. KG vom beklagten Geschäftsführer unterzeichnet wurde. Entsprechend war von dessen Haftung auszugehen.

BGH hat mit Beschluss vom 24.08.2022, Az. VII ZR 6 U 47/21 die vom beklagten Geschäftsführer eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde verworfen.

5. Oktober 2022

OLG Frankfurt zur Bürgschaftsherausgabe

Das OLG Frankfurt hat mit Beschluss vom 30.05.2022, Az. 22 W 22/22 darauf hingewiesen, dass es sich bei der Verpflichtung zur Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde es sich um eine Holschuld handelt.

Aus der Holschuld folgt für den Bürgschaftsgläubiger (hier: den Auftragnehmer) lediglich die Verpflichtung, die Bürgschaftsurkunde zur Abholung bereit zu halten und im Rahmen der Abholung herauszugeben. Weitere Pflichten – z.B. die Erklärung der Leistungsbereitschaft oder gar die Übersendung der Bürgschaftsurkunde – bestehen nicht.

Es obliegt dem Hauptschuldner (hier: dem Auftraggeber), seinen Abholwillen kundzutun und die Bürgschaftsurkunde abzuholen, so das OLG.

21. September 2022

OLG Frankfurt zur Vorkenntnis beim Maklervertrag

Für das Zustandekommen des Maklervertrags genügt das Anbieten des Objekts unter Hinweis auf die Provisionspflicht, wenn der Interessent sich Objektangaben geben lässt und die Maklerdienste in Anspruch nimmt. Wendet der Interessent eine bestehende Vorkenntnis ein, so hat er dies dem Makler mitzuteilen (OLG Frankfurt, Urteil vom 06.07.2022, Az. 13 U 84/21).

Das Zustandekommen eines Maklervertrages setzt übereinstimmende Willenserklärungen des Maklers und des Interessenten im Sinne von Angebot und Annahme gemäß §§ 145 ff. BGB voraus, die auf den Abschluss eines Maklervertrages im Sinne des § 652 Abs. 1 BGB gerichtet sind. Erforderlich ist somit bei jedem der Beteiligten ein Verhalten, das als entsprechende Willenserklärung im Sinne eines Angebots bzw. einer Annahme gewertet werden kann. Hierbei wird ein Angebot des Maklers häufig in der Übermittlung eines Exposes mit Provisionsverlangen zu erblicken sein. Demgegenüber liegt allein darin, dass ein Interessent sich Maklerleistungen gefallen lässt, noch nicht notwendigerweise eine Willenserklärung dahingehend, dass er mit dem Makler in Vertragsbeziehung treten möchte (vgl. BGH, NJW 84, 232; BGH, Urt. v. 23.10.1980, Az. IVa ZR 27/08 – WM 80, 1396 m.w.N.). Erforderlich ist auf Seiten des Interessenten für die Annahme des Zustandekommens eines Maklervertrages nämlich mindestens, dass er Maklerdienste entgegennimmt und dabei weiß oder wissen muss, dass der Makler hierfür von ihm bei Abschluss des beabsichtigten Hauptvertrages eine Vergütung verlangen wird (Köln, WM 89, 693). Dem Verhalten eines Interessenten kommt immer dann bei der Prüfung des Zustandekommens eines Maklervertrages ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert im Sinne eines Vertragsangebots oder einer Vertragsannahme zu, wenn er – wie vorliegend – aufgrund eindeutiger Hinweise von einer Entgeltpflicht der für ihn erbrachten Leistung ausgehen muss (BGH, NJW 17, 1024), was insbesondere dann gilt, wenn er weitere Maklerleistungen nachfragt (BGH, NJW-RR 10, 257) oder deutlich erkennbar gegen Entgelt angebotene Dienste in Anspruch nimmt (BGH, NJW 86, 177, 05, 3779).

Der BGH hat insbesondere dann, wenn der Interessent von einem eindeutigen und ausdrücklichen Provisionsverlangen des Maklers Kenntnis hat, wie hier, und sich unter Bezug auf die Anzeige beim Makler meldet oder Maklerleistungen, wie zum Beispiel einen Besichtigungstermin nachfragt (BGH, NJW 17, 1024) bzw. in Anspruch nimmt (BGH, NJW-RR 99, 361, 07, 499), das Zustandekommen eines Maklervertrages angenommen. Von einem Maklervertrag ist somit immer dann auszugehen, wenn der Makler – hier die Klägerin – ein Grundstück unter Hinweis auf die Provisionspflicht anbietet und ein Interessent – hier die Beklagte – sich Objektangaben machen lässt und weitere Maklerdienste in Anspruch nimmt (vgl. bereits BGH in NJW 67, 1365). Dies gilt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung auch für eine Anzeige im Internet (vgl. Hamm, NJW-RR, 13, 170).

Vom Zustandekommen des Maklervertrages ist der für die Entstehung des Provisionsanspruchs zusätzlich erforderliche Kausalzusammenhang zwischen den erbrachten Maklerleistungen und dem Vertragsschluss zu unterscheiden. Allerdings muss die vom Makler entfaltete Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit für den Abschluss des bzw. der Hauptverträge nicht allein oder gar hauptsächlich, sondern lediglich mitursächlich geworden sein (BGH, NJW-RR 88, 942).

Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht als erstinstanzliches Vorgericht verkannt, dass die Vermutungsregelung hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Maklerleistung und dem Zustandekommen der Hauptverträge nach der Rechtsprechung des BGH gilt, weshalb es im Weiteren, auf der Grundlage seiner unzutreffenden Rechtsansicht, insoweit folgerichtig, die Beweislast zu Unrecht der Klägerin aufgebürdet hat.

Richtigerweise hätte das Landgericht den ursächlichen Zusammenhang zwischen den Maklerleistungen und dem Zustandekommen der Verträge, die nach der Rechtsprechung des BGH geltende Vermutungsregel für die Ursächlichkeit annehmen müssen, da die Hauptverträge in einem angemessenen Zeitraum nach der Maklertätigkeit unstreitig abgeschlossen worden sind. Die vom BGH insoweit entwickelten Grundsätze gelten sowohl für die vorliegend zum Tragen kommende Maklernachweistätigkeit (BGH NJW 06, 3062) als auch im Grundsatz für – eine vorliegend nicht streitgegenständliche – Vermittlungstätigkeit (Zweibrücken, NJW-RR 99, 1502).

30. August 2022

OLG Schleswig zum Streitwert einer Klage auf Berichtigung des Grundbuchs

Für die Höhe des Streitwerts einer Klage auf Berichtigung des Grundbuchs ist die Höhe des Interesses des Klägers und nicht der Wert des Grundstücks entscheidend (OLG Schleswig, Beschluss vom 11.08.2022, Az.- 5 W 20/22).

Das OLG hat in diesem Zusammenhang auf die Abgrenzung zwischen schuldrechtlichen Ansprüchen auf Löschung von Rechten und der wie im vorliegenden Fall schlichten Unrichtigkeit des Grundbuchs hingewiesen. In den letztgenannten Fällen ist in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte für die Streitwertbemessung von dem von den Klägern bezifferten Interesse auszugehen.

4. August 2022

BGH zur Prüfung des fiktiven Schadens

Wird der kaufvertragliche Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gem. § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten bemessen, hat das Gericht eine Schadensermittlung nach den Grundsätzen des § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmen und insoweit zu prüfen, in welcher Höhe ein Schaden überwiegend wahrscheinlich ist; das gilt auch und gerade dann, wenn in einem Sachverständigengutachten eine Schätzungsbandbreite (hier: +/- 30%) genannt wird.

Hierauf hat der BGH mit Urteil vom 11.03.2022, Az. V ZR 35/21 hingewiesen.

In dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Verfahren hat der BGH die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die Schadensermittlung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut vornehmen kann. Dabei, so der BGH, ist zu beachten, dass im Rahmen des sog. kleinen Schadensersatzes der Betrag verlangt werden kann, der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung zur Beseitigung der Mängel erforderlich ist (vgl. Senat, Urteil vom 7. Mai 2004 – V ZR 77/03, NJW 2004, 2526, 2527), und dass dieser auch im Bereich der oberen Schätzungsbandbreite (+ 30%) liegen kann.

2. August 2022

BGH zur isolierten Anfechtbarkeit eines Beweisbeschlusses

Der BGH hat mit Beschluss vom 04.05.2022, Az. VII ZB 46/21 seine bisherige Rechtsprechung, wonach ein Beweisbeschluss grundsätzlich nicht isoliert anfechtbar ist, bestätigt.

Ausnahmsweise, so der BGH weiter, ist eine sofortige Beschwerde statthaft, wenn bereits der Beweisbeschluss eine Verletzung von Grundrechten einer Partei zur Folge hätte, die sich im weiteren Verfahren nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben ließe (Fortführung von BGH, IBR 2009, 356).

Der Beweisbeschluss kann nur mit den gegen die Endentscheidung gegebenen Rechtsmitteln zur Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gestellt werden, weil mit der Zulassung einer selbständigen Anfechtung durch die Beschwerdeinstanz unzulässigerweise in die Sachentscheidungskompetenz des Prozessgerichts eingegriffen würde (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – I ZB 118/07 Rn. 9, NJW-RR 2009, 995; Beschluss vom 4. Juli 2007 – XII ZB 199/05 Rn. 8, NJW-RR 2007, 1375). Diese Beschränkung dient auch der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Zivilprozesses.

Gestützt wird der Ausschluss der Anfechtbarkeit ferner durch die Regelung des § 355 Abs. 2 ZPO, wonach der Beschluss über die Delegation der Beweisaufnahme an den beauftragten oder ersuchten Richter nicht der Anfechtung unterliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2007 – XII ZB 199/05 Rn. 8, NJW-RR 2007, 1375). Dabei ist § 355 Abs. 2 ZPO als Ausschnitt eines generellen Grundsatzes des Rechtsbehelfsausschlusses für instanzielle Anordnungen zur Beweiserhebung zu begreifen (Ahrens in Festschrift für Coester-Waltjen, 2015, S. 1075, 1077; vgl. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 24. August 2000- 9 WF 138/00, FamRZ 2001, 294, juris Rn. 5 ff.).

Grundsätzlich hat der Ausschluss einer selbständigen Anfechtung des Beweisbeschlusses des Prozessgerichts keine Verkürzung der Rechte der Parteien zur Folge, da eine effektive Überprüfung mit dem gegen die Endentscheidung eingelegten Rechtsmittel möglich bleibt. Auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Endentscheidung kann die Partei jedoch nicht verwiesen werden, wenn bereits der Beweisbeschluss für sie einen bleibenden rechtlichen Nachteil zur Folge hätte, der sich im weiteren Verfahren nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben ließe (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 2005 – 2 BvR 1899/04, NVwZ 2005, 681, juris Rn. 18; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – I ZB 118/07 Rn. 12, NJW-RR 2009, 995).

Dieser bleibende rechtliche Nachteil ist – so der BGH weiter – dahingehend zu konkretisieren, dass die Ausführung des Beweisbeschlusses zu einer irreversiblen Verletzung von Grundrechten einer Partei führen würde (vgl. Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 4. Aufl., § 355 Rn. 68 ff.; siehe auch OLG Köln, Beschluss vom 12. August 2019 – 5 W 22/19, MedR 2020, 132, juris Rn. 6; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 358 Rn. 4). Auch wenn eine isolierte Anfechtbarkeit eines Beweisbeschlusses einfachgesetzlich nicht vorgesehen ist (dazu oben III. 2. a)), kann sie gleichwohl ausnahmsweise geboten sein, wenn dies aus Gründen höherrangigen Rechts angezeigt ist. Käme ein effektiver Grundrechtsschutz zu spät, wenn die Partei auf Rechtsmittel gegen die Endentscheidung verwiesen würde, kann eine isolierte Anfechtbarkeit des Beweisbeschlusses von Verfassungs wegen veranlasst sein (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2007 – XII ZB 201/06 Rn. 16, NJW 2007, 3575). Bejaht worden ist dies etwa für den Fall drohender Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch Preisgabe von Informationen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich bei Durchführung des Beweisbeschlusses (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 2005 – 2 BvR 1899/04, NVwZ 2005, 681, juris Rn. 18 f.). In derartigen Fällen entspricht es der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung, dass vorrangig die Fachgerichte – und nicht erst das Bundesverfassungsgericht – Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen selbst gewähren und etwaige aufgetretene Fehler im Instanzenzug – hier also durch Eröffnung der sofortigen Beschwerde – korrigieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2018 – 1 BvR 1240/18, NJW 2019, 987, juris Rn. 5).

Sonstige Nachteile der Partei tatsächlicher aber auch rechtlicher Art rechtfertigen dagegen keine isolierte Anfechtung des Beweisbeschlusses.

26. Juli 2022

OLG Koblenz zum Ruhen des Verfahrens während laufender Berufungsbegründungsfrist

Ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens ist nicht zugleich als Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist aufzufassen.

Die Absicht der Parteien, Vergleichsverhandlungen ohne den Druck der auf beiden Seiten laufenden Rechtsmittelbegründungsfristen führen zu können, rechtfertigt es nicht, einen nach dem Wortlaut eindeutig nicht gestellten Antrag (auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist) in den nach dem Wortlaut allein gestellten Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens „hineinzulesen“.

Entsprechend hat das OLG Koblenz mit Beschluss vom 11.07.2022, Az. 6 U 119/22 dort eingelegte Berufungen nach § 522 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO als unzulässig verworfen, da weder die Klägerinnen noch die Beklagte die Berufung innerhalb der Frist von zwei Monaten ab Zustellung des Urteils nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO begründet hatten. Der Senat hat u. a. darauf hingewiesen, dass nach § 251 Satz 2 ZPO die Anordnung des Ruhens des Verfahrens auf den Lauf der in § 233 ZPO bezeichneten Fristen keinen Einfluss hat. Zu den in § 233 Satz 1 ZPO genannten Fristen gehört auch die Frist zur Begründung der Berufung.

8. Juni 2022

beA: „Rechtsanwalt“ nicht ausreichend!

Ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichts ging dem Prozessbevollmächtigten des – unterlegenen -Klägers ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 30.12.2021 am selben Tag zu. Die Berufungsschrift ist dem Oberlandesgericht Hamm aus einem besonderen Anwaltspostfach am 27.01.2022 übermittelt worden. Das Dokument ist nicht qualifiziert signiert. Es schließt mit der Bezeichnung „Rechtsanwalt“; ein konkreter Name wird nicht genannt.

Der Berufungsschriftsatz ging am Montag, den 31.01.2022 auf der Geschäftsstelle des zuständigen 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm ein und wurde dem Vorsitzenden des Senats am 01.02.2022 zur weiteren Bearbeitung vorgelegt.

Mit Verfügung vom 04.02.2022 wies die zuständige Berichterstatterin den Kläger darauf hin, dass die Berufungsschrift nicht den Anforderungen i.S.v. §§ 519 Abs. 4, 130, 130a ZPO entsprechen dürfte. Denn es habe mindestens einer einfachen Signatur bedurft, von der vorliegend mangels abschließender Namenswiedergabe nicht auszugehen sei.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass ihm im Hinblick auf die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Die Versäumung der Frist aufgrund fehlender einfacher Signatur sei unverschuldet.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung blieb ohne Erfolg, so das OLG Hamm mit Beschluss vom 28.04.2022, Az. 30 U 32/22.

Die als elektronisches Dokument eingegangene Berufungsschrift hätte jedenfalls einer einfachen Signatur bedurft, die jedoch vorliegend nicht vorhanden war. Denn eine einfache Signatur i.S.v. § 130a Abs. 3 S. 1 2. Alt. ZPO meint die Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift (vgl. BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.09.2021 – 17 W 13/21 – Rn. 13 f.). Eine solche ist in der Berufungsschrift vom 27.01.2022 indes nicht vorhanden. Dort ist lediglich das Wort „Rechtsanwalt“ aufgeführt.

Es kann auch nicht aufgrund sonstiger Umstände von einer ordnungsgemäßen Berufungseinlegung ausgegangen werden, so das OLG weiter. Zwar kann die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unterschrift i.S.v. § 130 Nr. 6 ZPO, wonach das Fehlen einer Unterschrift unschädlich sein kann, wenn auch ohne die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten aufgrund anderer, eine Beweisaufnahme nicht erfordernder Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 09.12.2010 – IX ZB 60/10, BeckRS 2011, 117, Rn. 5), auch auf die Fälle übertragen werden, wenn eine einfache Signatur nicht erfolgt ist (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 19; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 19 f.). Solche besonderen Begleitumstände sind jedoch vorliegend nicht erkennbar.

Die Nennung des Nachnamens im Kopf der Berufungsschrift ist insoweit nicht ausreichend. Denn sie trifft keine Aussage darüber, wer für den sodann folgenden Inhalt der Berufungsschrift auch die Verantwortung übernehmen will (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 20). Ferner lässt sich auch aus dem Umstand der Versendung aus dem Postfach eines im Kopf der Berufungsschrift genannten Rechtsanwalts nicht zweifelsfrei feststellen, dass dieser die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat. Denn aufgrund der fehlenden einfachen Signatur lässt sich gerade nicht feststellen, ob die als Absender ausgewiesene Person identisch mit der den Inhalt des Schriftsatzes verantwortenden Person ist (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 20)

Der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 10.02.2022 gemäß § 236 ZPO ist zwar zulässig, aber unbegründet, weil die Fristversäumung auf einem dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Anwaltsverschulden beruht (§ 233 S. 1 ZPO).

Insoweit kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass die Angestellte des Prozessbevollmächtigten des Klägers von diesem beauftragt worden ist, einen Berufungsschriftsatz bis zur Versendungsreife vorzubereiten. Denn es gehört zu den Aufgaben eines Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Dabei gehört die Erstellung fristwahrender Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründungen zu den Aufgaben, die ein Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit selbst sorgfältig zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2022 – VI ZB 78/21, BeckRS 2022, 7011, Rn. 9). Nichts anderes kann im elektronischen Rechtsverkehr für die elektronische Signatur gelten. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Signierung eines elektronischen Dokuments entsprechen daher ebenso denen bei der Leistung einer Unterschrift wie sie bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 11).

Ausgehend hiervon hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers sorgfaltswidrig gehandelt.

Ob seine Angestellte zuverlässig sowie besonders geschult war und sie erstmalig und einmalig entgegen der Weisung des Prozessbevollmächtigten des Klägers anstelle dessen Namen lediglich das Wort „Rechtsanwalt“ eingefügt hat, ist insoweit irrelevant. Denn es oblag dem Prozessbevollmächtigten selber, den Schriftsatz dahingehend zu überprüfen, ob sein Namenszusatz unterhalb des Schriftsatzes vorhanden ist, bevor er diesen an das Gericht übersandt hat.

Schließlich hatte auch das Vorbringen des Klägers, das Gericht habe vor Ablauf der Berufungseinlegungsfrist auf das Fehlen der einfachen Signatur hinweisen müssen, keinen Erfolg.

Zwar kann der Anspruch auf ein faires Verfahren eine gerichtliche Hinweispflicht auslösen, wenn ein Rechtsmittel nicht in der vorgesehenen Form übermittelt worden ist. Insoweit kann eine Partei erwarten, dass dieser Vorgang in angemessener Zeit bemerkt wird und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumnis zu vermeiden. Kann der Hinweis im Rahmen ordnungsgemäßen Geschäftsgangs nicht mehr so rechtzeitig erteilt werden, dass die Frist durch die erneute Übermittlung des fristgebundenen Schriftsatzes noch gewahrt werden kann, oder geht trotz rechtzeitig erteilten Hinweises der formwahrende Schriftsatz erst nach Fristablauf ein, scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein aus diesem Grund aus. Aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte und dem Anspruch auf ein faires Verfahren folgt keine generelle Verpflichtung der Gerichte dazu, die Formalien eines als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsatzes sofort zu prüfen, um erforderlichenfalls sofort durch entsprechende Hinweise auf die Behebung formeller Mängel hinzuwirken. Dies nähme den Verfahrensbeteiligten und ihren Bevollmächtigten ihre eigene Verantwortung dafür, die Formalien einzuhalten. Die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, kann sich nicht nur am Interesse der Rechtssuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern hat auch zu berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss (vgl. BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476, Rn. 27; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18.10.2017 – LwZB 1/17, NJW 2018, 165, Rn. 11).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist nicht von der Verletzung einer gerichtlichen Hinweispflicht auszugehen. Hierbei übersieht der Senat nicht, dass grundsätzlich eine gerichtliche Fürsorgepflicht anzunehmen ist, eine Prozesspartei auf einen leicht erkennbaren Formmangel – wie die fehlende Unterschrift in einem bestimmenden Schriftsatz – hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben (vgl. BAG, a.a.O.; BGH, Beschluss vom 14.10.2008 – VI ZB 37/08, NJW-RR 2009, 564, Rn. 10). Die am 27.01.2022 bei dem Oberlandesgericht Hamm eingegangene Berufungsschrift ging am Montag, den 31.01.2022 auf der Geschäftsstelle des zuständigen 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm ein und wurde dem Vorsitzenden des Senats am 01.02.2022 zur weiteren Bearbeitung vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt war die Rechtsmittelfrist aber schon abgelaufen, so dass ein Hinweis ihre Einhaltung nicht mehr hätte erreichen können.

Insoweit kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, der Schriftsatz hätte dem zuständigen Senat eher vorgelegt werden müssen. Denn der Ablauf entspricht dem eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs und für eine rechtliche Prüfung der gesetzlichen Anforderungen des Schriftsatzes ist ausschließlich der nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts zuständige Senat berufen. Auch der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine anderweitige Wertung nicht zu entnehmen. Denn diese stellt gerade auf die richterliche Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ab.

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