Ihr-Recht-Blog

18. April 2023

OLG Düsseldorf zur fiktiven Abrechnung von Mangelfolgeschäden

Verlangt ein Besteller Ersatz der Kosten für die Beseitigung eines Mangelfolgeschaden, darf er sie fiktiv abrechnen und der Berechnung seines Schadensersatzanspruchs die sachverständig ermittelten durchschnittlichen Stundenlöhne bzw. den durchschnittlich anfallenden Arbeitsaufwand zugrunde legen.

Entsprechend hat dies das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 04.11.2021, Az. 23 U 223/20 ausgeführt; die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 23.06.2022, Az. VII ZR 844/21 zurückgewiesen.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt begehrt die klagende Kirchengemeinde von der Beklagten, die sie in Zusammenhang mit einem Umbauvorhaben an dem seitlich zum Kirchengebäude gelegenen Anbau mit der Durchführung von Abbruch- und Erdarbeiten beauftragt hatte, die Erstattung der Kosten für die Sanierung und Reinigung der Kirchenorgel von Baustaub.

Ausgehend von den in einem Gutachten des Sachverständigen – eingeholt im Rahmen eines vorangegangen selbstständigen Beweisverfahren – festgestellten Sanierungskosten hat die Klägerin die Beklagte erstinstanzlich auf Zahlung von 23.950,00 Euro für die Sanierung der Kirchenorgel im Kirchengebäude aufgrund des durch die Bautätigkeit der Beklagten entstandenen Staubschadens in Anspruch genommen. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme stand fest, dass die seitens der Beklagten mit schwerem Gerät durchgeführten Stemm- bzw. Abbrucharbeiten an dem Lichtschacht vor dem Technikraum zu der Staubentwicklung im Technikraum und im Kircheninnern geführt hatten. Für die Beklagte habe eine vertragliche Nebenpflicht bestanden, Vorkehrungen gegen den Staubanfall zu treffen, die sie verletzt habe. Eine blaue Plane, die sie vor der Öffnung zum nach außen führenden Lichtschacht lediglich lose befestigt habe und die nach rechts und links offen gewesen sei, habe keine geeignete Sicherungsmaßnahme dargestellt. Die Notwendigkeit von Sicherungsmaßnahmen sei für die Beklagte, ein erfahrenes Fachunternehmen, nicht zuletzt aufgrund der Dimension des Abzugsschachts von erheblicher Größe auch erkennbar gewesen, so die Feststellungen.

Der Senat hat darauf hingewiesen, daß die Beklagte fehl gehe, soweit sie die Auffassung vertritt, im Rahmen fiktiven Schadensersatzes könne nur der Mindestschaden geltend gemacht werden. Die fiktiv abrechnende Klägerin darf vielmehr die zur Beseitigung des entstandenen Schadens erforderlichen Kosten geltend machen, und zwar vor der tatsächlichen Vornahme der Arbeiten (und unabhängig von dieser) (MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, BGB § 281 Rn. 140). Erweist sich die Beseitigung der Schäden als teurer als vom Sachverständigen geschätzt, dann geht das zu Lasten des Schädigers, d.h. er hat den tatsächlich angefallenen Aufwand zu erstatten (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 402). Solche Kosten sowie die bei Durchführung der Arbeiten anfallende Mehrwertsteuer soll der von der Klägerin gestellte, zulässige und begründete Feststellungsantrag abdecken. Auf einen Mindestschaden muss sich die Klägerin hingegen nicht verweisen lassen. Dies wäre entgegen der Ansicht der Beklagten gerade der Fall, wenn sie einen Kostenvorschussanspruch geltend machen würde. Da sie die Kosten für die Beseitigung eines Mangelfolgeschadens begehrt, darf sie aber fiktiv abrechnen und der Berechnung ihres Schadensersatzanspruchs die von dem Sachverständigen ermittelten durchschnittlichen Stundenlöhne bzw. den durchschnittlich anfallenden Arbeitsaufwand zugrunde legen.

27. September 2022

BGH zum Streitwert einer Klage auf ordnungsgemäße Nebenkostenabrechnung

Begehrt ein Mieter mit dem Rechtsmittel eine Verurteilung des Vermieters zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Nebenkostenabrechnung, bemisst sich der Wert des geltend gemachten Beschwerdegegenstands gemäß §§ 2, 3 ZPO nach dem Interesse des Mieters an einem sich möglicherweise aus der Abrechnung ergebenden Rückzahlungsanspruch. Da der Mieter jedoch nur einen vorbereitenden Anspruch auf Rechnungslegung und damit auf Auskunft geltend macht, ist lediglich ein Bruchteil des Zahlungsanspruchs in Ansatz zu bringen (vgl. BGH Beschluss vom 10. Januar 2017 – VIII ZR 98/16 – MDR 2017, 725 Rn. 19 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom 16. Mai 2018 – XII ZB 80/18 – FamRZ 2018, 1169 Rn. 11 mwN – zu § 1379 BGB). Insoweit gilt für Mietverhältnisse über Gewerberäume derselbe Maßstab wie bei Wohnräumen.

Der BGH hat nunmehr in seiner Entscheidung vom 24.08.2022, Az. XII ZB 548/20 unter Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze die Bemessung mit einem Viertel des Anspruchs des Rückzahlungsbetrages als nicht rechtsfehlerhaft bezeichnet.

Im Übrigen sei das vom Berufungsgericht bei der Bemessung des Werts der Beschwer gemäß § 3 ZPO ausgeübte tatrichterliche Ermessen im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (Senatsbeschluss vom 13. November 2019 – XII ZB 382/19 – NJW-RR 2020, 136 Rn. 9 mwN). Dabei halte sich der Ansatz eines Bruchteiles von einem Zehntel bis zu einem Viertel des Leistungsanspruchs im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

22. Oktober 2020

BGH zur Abrechnung auf Neuwagenbasis

Wird ein neues Auto bei einem Unfall erheblich beschädigt, kann der Geschädigte den vollen Kaufpreis geltend machen, allerdings nur, wenn er sich auch tatsächlich einen gleichwertigen Neuwagen angeschafft hat. Anders sei eine Entschädigung, die den Reparaturaufwand übersteige, nicht zu rechtfertigen, hat der BGH mit Urteil vom 29.09.2020, Az. VI ZR 271/19 entschieden.

In dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Sachverhalt nimmt der Kläger die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 14. November 2017 in Anspruch, für den die Beklagten unstreitig dem Grunde nach voll einstandspflichtig sind. Der Kilometerstand des von dem Kläger für einen Kaufpreis in Höhe von 37.181 € neu erworbenen, am 25. Oktober 2017 erstmals zugelassenen und bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs Mazda CX-5 betrug am Unfalltag 571 Kilometer. Der Kläger holte ein Gutachten der DEKRA ein, das Reparaturkosten von 5.287,43 € brutto und eine Wertminderung von 1.000 € ausweist. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 37.923,32 € nebst Zinsen (Kosten für einen Neuwagen in Höhe von 37.181 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 € und eine Kostenpauschale in Höhe von 30 €).

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 37.918,32 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen wegen eines Teilbetrags der Kostenpauschale abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat dagegen das Urteil auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.180,54 € (Reparaturkosten netto in Höhe von 4.443,22 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 €, Wertminderung in Höhe von 1.000 € sowie Kostenpauschale in Höhe von 25 €) nebst Zinsen zu zahlen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.

In zutreffender Anwendung der Senatsrechtsprechung geht das Oberlandesgericht davon aus, dass der Eigentümer eines fabrikneuen Fahrzeugs mit einer Laufleistung von nicht mehr als 1.000 km im Falle dessen – hier mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision zu unterstellender – erheblicher Beschädigung (nur dann) berechtigt ist, Ersatz der Kosten für die Beschaffung eines Neufahrzeugs zu verlangen, wenn er ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug erworben hat, so der BGH.

Allerdings ist die mit dem erhöhten Schadensausgleich einhergehende Anhebung der "Opfergrenze" des Schädigers allein zum Schutz des besonderen Interesses des Geschädigten am Eigentum und an der Nutzung eines Neufahrzeugs gerechtfertigt. Dies gilt aber nur dann, wenn der Geschädigte im konkreten Einzelfall tatsächlich ein solches Interesse hat und dieses durch den Kauf eines Neufahrzeugs nachweist. Nur in diesem Fall ist die Zuerkennung einer den Reparaturaufwand (zuzüglich des merkantilen Minderwerts) übersteigenden und damit an sich unwirtschaftlichen Neupreisentschädigung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot zu vereinbaren (Senat, Urteil vom 9. Juni 2009, Az. VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 26).

Schließlich greift auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Geschädigte einen Neuwagenkauf nachholen könne und deshalb die Klage nur derzeit unbegründet sei, nicht durch. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger keinen Neuwagen gekauft hat und es damit an einer Anspruchsvoraussetzung für die Kostenerstattung fehle. Mit der Frage, wie zu entscheiden ist, wenn der Kläger einen Neuwagen kauft, hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Ein solcher neuer Sachverhalt wird von der Rechtskraft der klageabweisenden Entscheidung nicht erfasst (vgl. Senat, Urteil vom 9. Juni 2009, Az. VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 27).

25. Januar 2017

BGH: Nebenkostenabrechnung bei verspäteter WEG-Abrechnung

Der Bundesgerichtshof hat sich mit Urteil vom 25. Januar 2017, Az. VIII ZR 249/15 mit der Frage befasst, ob der Vermieter einer Eigentumswohnung auch noch nach Ablauf der Jahresfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB für die Abrechnung über die Betriebskosten eine Nachforderung geltend machen kann, wenn der WEG-Verwalter verspätet abgerechnet hat.

Nach Ansicht des BGH ist die Abrechnungspflicht des Vermieters nicht davon abhängig, dass dem Vermieter einer Eigentumswohnung bereits der Beschluss über die Jahresabrechnung der Wohnungseigentumsgemeinschaft vorliegt, die regelmäßig als Grundlage für die Betriebskostenabrechnung gegenüber dem Mieter genutzt wird. Eine solche (ungeschriebene) Voraussetzung ist der Vorschrift nicht zu entnehmen, ergibt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien oder der Gesetzessystematik und wäre insbesondere mit dem Zweck der Vorschrift, Abrechnungssicherheit für den Mieter und – durch eine zeitnahe Abrechnung der Betriebskosten – rasche Klarheit und Rechtssicherheit über die gegenseitigen Forderungen der Mietvertragsparteien zu schaffen, nicht vereinbar.

Damit kann ein Vermieter einer Eigentumswohnung, wenn die Hausverwaltung die WEG-Abrechnung verspätet erstellt hat, nach Ablauf der Jahresfrist nur dann noch eine Nachforderung geltend machen, wenn er die verspätete Abrechnung über die Vorauszahlungen nicht zu vertreten hat, was er konkret darzulegen hat. Dabei muss sich der Vermieter ein Verschulden des Verwalters der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zurechnen lassen, weil dieser, wie der Senat nunmehr entschieden hat, grundsätzlich – und so auch hier – nicht Erfüllungsgehilfe des Vermieters der Eigentumswohnung hinsichtlich der Erstellung der mietrechtlichen Betriebskostenabrechnung ist.

In dem vom BGH entschiedenen Fall war der Nachzahlungsanspruch gleichwohl verfristet, da jeder Vortrag dazu fehlte, was der dortige Kläger selbst veranlasst hat, nachdem für ihn im Laufe des Jahres 2010 erkennbar wurde, dass die bisherige Hausverwaltung die Wohngeldabrechnung, die er als Grundlage für die von ihm selbst erstellte Betriebskostenabrechnung benötigte, nicht rechtzeitig vorlegen würde oder die schließlich erstellte Abrechnung so fehlerhaft war, dass sie sich nicht als Grundlage für die Betriebskostenabrechnung eignete.

22. Mai 2012

BGH: Keine Anpassung der Vorauszahlungen bei Fehlern in der Nebenkostenabrechnung!

Filed under: Mietrecht — Schlagwörter: , , , , , , , — ihrrecht @ 07:53

Der BGH hat mit Urteilen vom 15.05.2012, Az. VIII ZR 245/11 und Az. VIII ZR 246/11 die von ihm bislang vertretene Ansicht, für eine Anpassung der Vorauszahlungen genüge eine formell ordnungsgemäße Abrechnung, damit ohne aufwendige Streitigkeiten über die Richtigkeit der Abrechnung alsbald Klarheit über die Höhe der Vorauszahlungen erzielt werden könne, ausdrücklich aufgegeben.

Nach der jetzt vertretenen Ansicht ist der Vermieter nach einer Nebenkostenabrechnung nur dann zur Anpassung von Vorauszahlungen gemäß § 560 Abs. 4 BGB nur  berechtigt, als sie auf einer inhaltlich korrekten Abrechnung beruht.

Der BGH begründet dies mit dem mit der Anpassung der Vorauszahlungen verfolgten Zweck, die Vorauszahlungen möglichst realistisch nach dem voraussichtlichen Abrechnungsergebnis für die nächste Abrechnungsperiode zu bemessen. Vielmehr würde eine solche Verfahrensweise, so der BGH, dem Vermieter die Möglichkeit eröffnen, aufgrund einer fehlerhaften Abrechnung Vorauszahlungen in einer Höhe zu erheben, die ihm bei korrekter Abrechnung nicht zustünden. Hinzu komme, dass der Vermieter zur Erteilung einer korrekten Abrechnung verpflichtet sei und es nicht hingenommen werden könne, dass eine Vertragspartei aus der Verletzung eigener Vertragspflichten Vorteile zieht. Diese könnten in Fällen wie den vom BGH entschiedenen, in denen sich aus den Erhöhungen der Vorauszahlungen ein Mietrückstand in kündigungsrelevanter Höhe aufbaute, sogar darin liegen, dass der Vermieter das Mietverhältnis wegen Mietrückständen beenden könne, die alleine darauf beruhten, dass er pflichtwidrig eine fehlerhafte Abrechnung erteilt habe, die den Mieter unberechtigt mit zu hohen Betriebskosten belaste.

Erstelle kostenlos eine Website oder ein Blog auf WordPress.com.

%d Bloggern gefällt das: