Ihr-Recht-Blog

17. Januar 2023

LAG Schleswig-Holstein zur Dienstplanänderung durch den Arbeitgeber

Mit der Änderung des Dienstplans eines Mitarbeiters übt der Arbeitgeber diesem gegenüber sein Direktionsrecht aus. Die Änderung muss dem Mitarbeiter zugehen, da es sich bei der Ausübung des Direktionsrechts um eine empfangsbedürftige Gestaltungserklärung handelt.

Ein Mitarbeiter ist nicht verpflichtet, sich in seiner Freizeit zu erkundigen, ob sein Dienstplan geändert worden ist. Er ist auch nicht verpflichtet, eine Mitteilung des Arbeitgebers – etwa per Telefon – entgegenzunehmen oder eine SMS zu lesen. Nimmt er eine Information über eine Dienstplanänderung nicht zur Kenntnis, geht ihm diese erst bei Dienstbeginn zu.

Das LAG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 27.09.2022, Az. 1 Sa 39 öD/22 hierzu weiter:

Beim Lesen einer SMS, mit der der Arbeitgeber sein Direktionsrecht im Hinblick auf Zeit und Ort der Arbeitsausübung konkretisiert, handelt es sich um Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer – hier: Kläger – erbringt mit dem Lesen eine Arbeitsleistung.

Zur im Dienste eines Anderen erbrachten Arbeitsleistung iSv § 611a I BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede im Synallagma vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung aller Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ im Sinne dieser Bestimmungen ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG 18.3.2020 – 5 AZR 36/19, NZA 2020, 868 Rn. 15 mwN).

Danach verlangt die beklagte Arbeitgeberin vom Kl. eine Arbeitsleistung, wenn sie von diesem erwartet, eine dienstliche SMS zu lesen oder sich über Zeit und Ort seiner Arbeitsaufnahme im Internet zu informieren. Denn damit handelt der Kl. ausschließlich zur Befriedigung eines fremden Bedürfnisses, nämlich des Bedürfnisses der Bekl., die ordnungsgemäßen Organisation ihrer Arbeitsabläufe durch eine sachgemäße Personalplanung zu gewährleisten. Dabei setzt die Arbeitsleistung des Kl. in dem Moment ein, indem er eigene Bemühungen anstellen muss (Aufrufen der SMS und Lesen des Inhalts/Einblick in den Dienstplan im Internet). Dagegen ist die bloße Entgegennahme eines Telefonats oder einer mündlichen Weisung zwar möglicherweise ein Verstoß der Bekl. gegen das Recht des Kl. „auf Unerreichbarkeit“ (hierzu: Bayreuther NZA-Beilage 2018, 103 (107) mwN), ändert aber am Zugang der Weisung nichts.

In seiner Freizeit steht dem Kl. dieses Recht auf Unerreichbarkeit zu. Freizeit zeichnet sich gerade dadurch aus, dass Arbeitnehmer/innen in diesem Zeitraum den Arbeitgeber/innen nicht zur Verfügung stehen müssen und selbstbestimmt entscheiden können, wie und wo sie diese Freizeit verbringen. In dieser Zeit müssen sie gerade nicht fremdnützig tätig sein und sind nicht Bestandteil einer fremdbestimmten arbeitsrechtlichen Organisationseinheit und fungieren nicht als Arbeitskraft. Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht (LAG Thüringen 16.5.2018 – 6 Sa 442/17, BeckRS 2018, 14747 Rn. 43). Ob der Kl. einer Weisung, die ihm in seiner Freizeit zur Kenntnis gelangt ist, folgen müsste, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Der Einschätzung, dass das Lesen der SMS zur Arbeitszeit des Kl. zu rechnen ist, steht der zeitlich minimale Aufwand, der mit dem Aufrufen und Lesen einer SMS verbunden ist, nicht entgegen. Arbeit wird nicht deswegen zur Freizeit, weil sie nur in zeitlich ganz geringfügigem Umfang anfällt. Das Recht auf Nichterreichbarkeit dient neben der Gewährleistung des Gesundheitsschutzes des Arbeitnehmers durch Gewährleistung ausreichender Ruhezeiten (§ 5 I ArbZG) auch dem Persönlichkeitsschutz (LAG Thüringen 16.5.2018 – 6 Sa 442/17, BeckRS 2018, 14747). Es ist also auch dann zu beachten, wenn – wie hier – die Ruhezeit nach § 5 I ArbZG durch die Arbeitsaufnahme nicht unterbrochen wird, weil diese zum Zeitpunkt der Dienstplanänderung bereits abgelaufen war (zum Meinungsstand hierzu Baeck/Deutsch/Winzer, 4. Aufl. 2020, ArbZG § 5 Rn. 14/14a).

Die beklagte Arbeitgeberin durfte und musste nach der Verkehrsanschauung damit rechnen, dass der Arbeitnehmer die ihm übersandte SMS erst mit Beginn seines Dienstes um 7:30 Uhr zur Kenntnis nahm. Zu diesem Zeitpunkt ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen und dazu gehört auch die in seiner Freizeit bei ihm eingegangenen dienstlichen Nachrichten des Arbeitgebers zur Kenntnis zu nehmen.

Das Urteil des LAG ist noch nicht rechtskräftig; die Revision ist beim BAG unter dem Az. 5 AZR 349/22 anhängig.

25. Oktober 2021

BGH zum Schriftformerfordernis bei nachträglicher Änderung eines Gewerberaummietvertrages

Eine Änderung von vertragswesentlichen Vereinbarungen ist nur dann gemäß § 550 Satz 1 BGB schriftformbedürftig, wenn sie für einen ein Jahr übersteigenden Zeitraum Geltung beansprucht .

Der BGH hat mit seinem Beschluss vom 15.09.2021, Az. XII ZR 60/20 seine Rechtsprechung der Senatsurteile IBR 2005, 1197; IMR 2016, 71 = NJW 2016, 311 und IMR 2018, 242 = NJW-RR 2018, 1101 fortgeführt.

Die Vorschrift des § 550 BGB soll den Erwerber eines Grundstücks davor schützen, bei Eintritt in einen Mietvertrag, dessen Bedingungen er mangels Schriftlichkeit nicht zuverlässig erkennen kann, an die vertraglichen Regelungen länger als ein Jahr gebunden zu sein (vgl. Senatsurteile BGHZ 154, 171 = NJW 2003, 2158, 2160 und BGHZ 163, 27 = NJW 2005, 1861, 1862). Daneben dient § 550 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Senats dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen (vgl. etwa Senatsurteil BGHZ 216, 68 = NJW 2017, 3772 Rn. 35 mwN), wobei der Gesetzgeber mit dem einen Jahr in § 550 Satz 1 BGB die Grenze benannt hat, bis zu der nicht von einer Langfristigkeit auszugehen ist.

Aus diesen Gesetzeszwecken folgt, dass eine Änderung auch von vertragswesentlichen Vereinbarungen wie etwa denen zur Miethöhe (vgl. dazu Senatsurteile vom 25. November 2015 – XII ZR 114/14 – NJW 2016, 311 Rn. 17 und vom 11. April 2018 – XII ZR 43/17 – NJW-RR 2018, 1101 Rn. 18) nur dann gemäß § 550 Satz 1 BGB schriftformbedürftig ist, wenn sie für einen ein Jahr übersteigenden Zeitraum Geltung beansprucht (in diese Richtung schon Senatsurteil BGHZ 163, 27 = NJW 2005, 1861, 1862; vgl. auch BGH Urteil vom 18. Juni 1969 – VIII ZR 88/67 – WM 1969, 920, 921; KG NZM 2018, 607, 611; BeckOK MietR/ Leo [Stand: 1. Mai 2021] BGB § 550 Rn. 246; Blank/Börstinghaus Miete 6. Aufl. § 550 BGB Rn. 54; Guhling/Günter/Schweitzer Gewerberaummiete 2. Aufl. § 550 Rn. 46; Lindner-Figura in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete 4. Aufl. Kap. 6 Rn. 36; Staudinger/V. Emmerich BGB [Updatestand: 13. Juli 2021] § 550 Rn. 42; kritisch Schmidt-Futterer/Lammel Mietrecht 14. Aufl. § 550 BGB Rn. 41).

Damit korrespondierend beginnt die Jahresfrist des § 550 Satz 2 BGB auch erst mit Abschluss eines nicht formgerechten Änderungsvertrags, der die Schriftform des ursprünglich formwirksamen Mietvertrags entfallen lässt (vgl. BGHZ 99, 54 = NJW 1987, 948, 949; BGHZ 125, 175 = NJW 1994, 1649, 1651 mwN und Senatsurteil vom 29. März 2000 – XII ZR 316/97 – NJW-RR 2000, 1108, 1109; vgl. auch Senatsurteil vom 25. Januar 2017 – XII ZR 69/16 – NJW 2017, 1017 Rn. 22 mwN), so dass die Vertragsparteien einschließlich eines gegebenenfalls in den Vertrag eintretenden Erwerbers sich selbst bei Vorliegen eines Schriftformverstoßes erst nach Ablauf eines Jahres aus der vertraglichen Bindung lösen können.

20. Juli 2018

BGH bekräftigt seine Rechtsprechung zu fiktiven Mängelbeseitigungskosten

Der BGH hat mit Urteil vom 21.06.2018, Az. VII ZR 173/16 seine geänderte Rechtsprechung zur Geltendmachung fiktiver Mängelbeseitigungskosten noch einmal ausdrücklich bestätigt und darauf hingewiesen, daß ein Auftraggeber, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Auftragnehmer gemäß § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B 2002 seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen kann (im Anschluss an BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17, IBR 2018, 196 = BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201).

Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, um die Höhe des von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruchs wegen der Mängel eines Glasdachs neu festzustellen und zu berechnen. Hierzu muss die Beklagte zunächst auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung Gelegenheit bekommen, ihren Schaden anderweitig, also nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten, darzulegen und zu beziffern (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17 Rn. 27, 38-43, a. a. O.).

15. Dezember 2017

BGH zum geschuldeten Stand der Technik

Der Auftragnehmer schuldet gemäß § 13 Nr. 1 VOB/B 2006 grundsätzlich die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme. Dies gilt auch bei einer Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zwischen Vertragsschluss und Abnahme. In einem solchen Fall hat der Auftragnehmer den Auftraggeber regelmäßig über die Änderung und die damit verbundenen Konsequenzen und Risiken für die Bauausführung zu informieren, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.

Der Auftraggeber hat sodann im Regelfall zwei Optionen: Der Auftraggeber kann zum einen die Einhaltung der neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangen mit der Folge, dass ein aufwändigeres Verfahren zur Herstellung erforderlich werden kann, als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von den Parteien vorgesehen. Der Auftragnehmer kann, soweit hierfür nicht von der Vergütungsvereinbarung erfasste Leistungen erforderlich werden, im Regelfall eine Vergütungsanpassung nach § 1 Nr. 3 oder 4, § 2 Nr. 5 oder 6 VOB/B (2006) verlangen. Der Auftraggeber kann zum anderen von einer Einhaltung der neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik und damit von einer etwaigen Verteuerung des Bauvorhabens absehen.

Hierauf hat der BGH mit Urteil vom 14.11.2017, Az. VII ZR 65/14 abgestellt.

Allerdings, so der BGH, können die Parteien bei Vertragsschluss auch eine Vereinbarung treffen, nach der die Bauausführung hinter den aktuellen oder den künftigen allgemein anerkannten Regeln der Technik, soweit deren Einführung bereits absehbar ist, zurückbleibt. Dies erfordert, dass der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen. Ohne eine entsprechende Kenntnis kommt eine rechtsgeschäftliche Zustimmung des Auftraggebers zu einer hinter den allgemein anerkannten Regeln der Technik zurückbleibenden Ausführung regelmäßig nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 , Az. VII ZR 134/12; Urteil vom 4. Juni 2009, Az.VII ZR 54/07, BGHZ 181, 225 Rn. 14). Die Parteien können eine solche Vereinbarung auch nach Vertragsschluss treffen, so der BGH.

9. Oktober 2015

Architekt: Kontrollpflicht für fremde Pläne!

Hat sich ein Architekt vertraglich zur Kontrolle der Ausführungsplanung vertraglich verpflichtet, muss er sich auch mit etwaigen eigenmächtigen Anordnungen/Planungsänderungen seitens eines weiteren vom Bauherrn eingeschalteten Architekten – jedenfalls im Rahmen seiner Koordinierungspflichten – inhaltlich auseinandersetzen und ggf. korrigierend eingreifen und darf sich jedenfalls nicht ohne eindeutigen Hinweis an die Bauherrin darauf zurückziehen, mit alledem habe er schlicht nichts mehr zu tun.

Hierauf hat das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 01.10.2015, Az. 22 U 48/15 hingewiesen.

Das OLG hat ausgeführt, dass eine Änderung der Bauausführung während der Bauphase sogar regelmäßig  zu einer Erhöhung der Pflichten des Architekten führt, da es gilt, die "Kompatibilität" der geänderten Details mit den unverändert gebliebenen Details sowohl planerisch als auch im Rahmen der Ausführung sorgfältig zu überprüfen und zu überwachen.

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