Ihr-Recht-Blog

17. Juni 2020

BGH: Baulärm und Mietminderung

Nach Abschluss des Mietvertrags eintretende erhöhte Geräusch- und Schmutzimmissionen begründen, auch wenn sie von einer auf einem Nachbargrundstück eines Dritten betriebenen Baustelle (hier: zur Errichtung eines Neubaus in einer Baulücke) herrühren, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen gem. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss. Der BGH hat mit diesem Urteil vom 29.04.2020, Az. VIII ZR 31/18 seine Rechtsprechung mit Senatsurteil vom 29.04.2015, Az. VIII ZR 197/14 bestätigt und fortgeführt.

Eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien kann nicht mit der Argumentation bejaht werden, die Freiheit der Wohnung von Baustellenlärm werde regelmäßig stillschweigend zum Gegenstand einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien. Die bei einer Mietsache für eine konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Einigung kommt nicht schon dadurch zustande, dass dem Vermieter eine bestimmte Beschaffenheitsvorstellung des Mieters (hier: hinsichtlich eines Fortbestands der bei Abschluss des Mietvertrags vorhandenen "Umweltbedingungen" der Wohnung) bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert, so der BGH.

Macht der Mieter einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung in Gestalt der vorgenannten Geräusch- und Schmutzimmissionen geltend, richtet sich die Darlegungs- und Beweislast nicht nach den im Bereich des § 906 BGB bestehenden Regelungen, sondern nach den Grundsätzen des Wohnraummietrechts und insbesondere nach der dort grundsätzlich geltenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nach Verantwortungsbereichen (Anschluss an BGH, Urteil vom 01.03.2000 – XII ZR 272/97, unter II 2 a m.w.N., IBRRS 2000, 1446 = IMRRS 2000, 0417 = NJW 2000, 2344; vgl. auch BGH, Urteil vom 18.05.1994 – XII ZR 188/92, IBRRS 1994, 0398 = IMRRS 1994, 0003 = BGHZ 126, 124, 127 ff.; BGH, Beschluss vom 25.01.2006 – VIII ZR 223/04, IBR 2006, 234 = NJW 2006, 1061 Rn. 3). Demnach hat der Mieter darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass die von ihm angemietete Wohnung Immissionen der vorbezeichneten Art ausgesetzt ist, die die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung unmittelbar beeinträchtigen, und dass es sich hierbei um eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Hierbei darf von den auf dieser Grundlage zu treffenden notwendigen Feststellungen der Tatrichter – schon mangels eines entsprechenden Erfahrungssatzes – nicht mit der Begründung absehen, dass Baumaßnahmen, die auf einer in der Nähe der Wohnung gelegenen Baustelle (hier: zur Errichtung eines Neubaus in einer Baulücke) durchgeführt werden, typischerweise mit Immissionen in Form von Lärm und Schmutz einhergingen, die eine Mietminderung rechtfertigten. Vielmehr ist die Frage nach der Art und dem Umfang von Immissionen wegen deren Objektbezogenheit regelmäßig anhand des konkreten Einzelfalles zu beantworten.

Beruft sich der Vermieter gegenüber dem Wohnungsmieter darauf, Ansprüche nach § 906 BGB gegen den Verursacher nicht zu haben, hat er diejenigen, dem Verhältnis zwischen ihm und dem Verursacher – und damit dem Verantwortungsbereich des Vermieters – entstammenden Tatsachen, seien sie personen- oder grundstücksbezogen, vorzubringen und im Falle des Bestreitens zu beweisen, die in Anbetracht des bis dahin festgestellten Sachverhalts – auch unter Beachtung der im Verhältnis zum Verursacher gelten-den Beweislastverteilung – dazu führen, dass weder Abwehr- noch Entschädigungsansprüche bestehen, so der BGH.

6. Dezember 2018

BGH: Keine Mietminderung bei Schimmelpilzgefahr!

Allein schon die Gefahr von Schimmelbildung rechtfertigt noch keine Mietkürzung. Entsprechend hat dies der BGH mit Urteilen vom 5. Dezember 2018, Az. VIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18 entschieden und darauf hingewiesen, dass Wärmebrücken in den Außenwänden nicht als Sachmangel einer Mietwohnung anzusehen sind, wenn dieser Zustand mit den zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Bauvorschriften und technischen Normen in Einklang steht.

In beiden Verfahren hatte das Berufungsgericht (Vorinstanzen: VIII ZR 271/17: Amtsgericht Reinbek, Urteil vom 7. April 2017, Az. 13 C 682/14 sowie Landgericht Lübeck,  Urteil vom 17. November 2017, Az. 14 S 107/17; VIII ZR 67/18: Amtsgericht Reinbek, Urteil vom 23. Dezember 2016, Az. 17 C 288/15 sowie Landgericht Lübeck, Urteil vom 15. Februar 2018; Az. 14 S 14/17) eine Minderung der jeweiligen Bruttomiete festgestellt und im Verfahren VIII ZR 271/17 die Beklagte überdies zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 12.000 € zur Anbringung einer Innendämmung verurteilt. Dies hat es jeweils (unter anderem) maßgeblich auf die Erwägung gestützt, dass in den Wohnungen in den Wintermonaten aufgrund von Wärmebrücken in den Außenwänden eine "Gefahr der Schimmelpilzbildung" bestehe. Zwar hätten die Wohnungen zur Zeit ihrer Errichtung den geltenden Bauvorschriften und DIN-Vorgaben sowie den damaligen Regeln der Baukunst entsprochen. Nach der Verkehrsanschauung dürfe ein Mieter allerdings auch ohne besondere vertragliche Vereinbarung stets einen "Mindeststandard zeitgemäßen Wohnens" erwarten, der heutigen Maßstäben gerecht werde. Auf Grundlage der heute gültigen DIN-Vorschriften ergebe sich angesichts der Wärmebrücken in beiden Wohnungen jedoch ein konkretes Risiko der Schimmelpilzbildung, welches die Mieter allein mit "alltagsüblichem Lüftungs- und Heizverhalten" nicht verhindern könnten. Denn von einem Mieter könne nicht verlangt werden, dass er ein Schlafzimmer auf mehr als 16 Grad und die übrigen Zimmer auf mehr als 20 Grad beheize oder darauf verzichte, seine Möbel ohne Abstand an den Außenwänden aufzustellen. Auch ein sogenanntes Querlüften ("Durchzug") könne dem Mieter nicht abverlangt werden; vielmehr sei lediglich ein zweimaliges Stoßlüften von bis zu zehn Minuten pro Tag zumutbar.

Dem ist der BGH entgegengetreten und hat darauf hingewiesen,  dass ein Mangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert und deshalb dem Mieter (unter anderem) ein Recht zur Mietminderung (§ 536 Abs. 1 BGB) sowie einen Anspruch auf Mangelbeseitigung (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) gewährt, eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand voraussetze. Ohne besondere Vereinbarung der Mietvertragsparteien kann der Mieter dabei nach der Verkehrsauffassung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Gibt es zu bestimmten Anforderungen technische Normen, ist jedenfalls deren Einhaltung geschuldet. Dabei ist nach gefestigter Senatsrechtsprechung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen. Diesem Maßstab entsprechen die Wohnungen der Kläger jedoch, so dass ein Sachmangel nicht vorliegt. Denn in den Jahren 1968 bzw. 1971 bestand noch keine Verpflichtung, Gebäude mit einer Wärmedämmung auszustatten und war demgemäß das Vorhandensein von Wärmebrücken allgemein üblicher Bauzustand.

Die gegenteilige Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, das einen Mangel der Mietsache aus vermeintlichen Höchstwerten zumutbarer Lüftungsintervalle und von ihm aufgestellter "Grundsätze zeitgemäßen Wohnens" hergeleitet hat, hat der BGH als mit geltendem Recht nicht vereinbar angesehen. Sie lässt sich auch nicht unter Rückgriff auf eine Senatsentscheidung begründen, die in einem speziellem Fall zu den Anforderungen an die Elektroinstallation einer Wohnung ergangen ist (vgl. Senatsurteil vom 26. Juli 2004 – VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174) und die darauf abstellt, dass nach der Verkehrsanschauung auch in einer Altbauwohnung ein Mindeststandard der Elektroinstallation erwartet werden kann, die den gleichzeitigen Betrieb von zwei Elektrogeräten ermöglicht. Auf die Beschaffenheit der Wohnung bezüglich der Wärmedämmung ist diese Entscheidung nicht übertragbar.

Die Berufung des Landgerichts auf Erfordernisse "zeitgemäßen Wohnens" rechtfertigt es insbesondere nicht, die geschuldete Beschaffenheit einer Mietwohnung hinsichtlich der Wärmedämmung nicht nach den oben genannten Maßstäben, sondern – unter einseitiger Berücksichtigung von Mieterinteressen – allein danach zu bestimmen, was der Mieter unter Zugrundelegung heutiger Bauvorschriften erwarten dürfe und ihm an Lüftungs- und Heizverhalten nach einem abstrakt-generellen Maßstab zuzumuten sei. Letztlich läuft die Argumentation des Berufungsgerichts darauf hinaus, einen anderen als den im geltendem Recht vorgesehenen Mangelbegriff zu schaffen und auf diesem Wege auch für eine nicht sanierte oder eine nicht grundlegend modernisierte Altbauwohnung und unabhängig von entsprechenden konkreten Vereinbarungen der Mietvertragsparteien einen Neubaustandard zugrunde zu legen. Dies ist ersichtlich rechtsfehlerhaft.

Auch trifft die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu, das den Klägern zur Vermeidung von Schimmelpilzbildung abzuverlangende Lüftungsverhalten sei für einen Mieter unzumutbar. Das einem Mieter zuzumutende Wohnverhalten, insbesondere bezüglich der Lüftung der Wohnräume, ist jeweils unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Vorliegend ist der gerichtliche Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass ein täglich zweimaliges Stoßlüften von rund 15 Minuten beziehungsweise ein täglich dreimaliges Stoßlüften von rund 10 Minuten ausreiche, um eine Schimmelpilzbildung an den Außenwänden zu vermeiden und sich im Falle von "Querlüften" (gleichzeitiges Öffnen mehrerer Fenster) die erforderliche Lüftungszeit auf ein Drittel der angegebenen Zeiten reduziere. Dafür, dass ein solches Lüftungsverhalten generell unzumutbar sei, sieht der BGH keine Anhaltspunkte.

24. Oktober 2018

BGH zum Anspruch eines Neuwagenkäufers auf Ersatzlieferung

Der Bundesgerichtshof hat sich mit Urteil vom 24. Oktober 2018, Az. VIII ZR 66/17 mit dem Anspruch eines Neuwagenkäufers auf Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs befasst.

In dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Fall kaufte der Kläger von der Beklagten zum Preis von 38.265 € einen von dieser hergestellten Neuwagen BMW X3 xDrive20, der im September 2012 geliefert wurde. Das dem damaligen Serienstandard entsprechende Fahrzeug ist mit einem Schaltgetriebe sowie einer Software ausgestattet, die bei drohender Überhitzung der Kupplung eine Warnmeldung einblendet. Ab Januar 2013 erschien im Textdisplay des Autoradios mehrfach eine Warnmeldung, die den Fahrer aufforderte, das Fahrzeug vorsichtig anzuhalten, um die Kupplung (bis zu 45 Minuten) abkühlen zu lassen. Nachdem diese Warnmeldung auch nach mehreren Werkstattaufenthalten des Fahrzeugs in einer Niederlassung der Beklagten wiederholt aufgetreten war, verlangte der Kläger schließlich im Juli 2013 von der Beklagten Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeuges.

Die Beklagte hat einen Mangel in Abrede gestellt. Sie habe dem Kläger mehrfach mitgeteilt, dass die Kupplung technisch einwandfrei sei und auch im Fahrbetrieb abkühlen könne; es sei deshalb nicht notwendig, das Fahrzeug anzuhalten, wenn die Warnmeldung der Kupplungsüberhitzungsanzeige erscheine. Während des anschließend geführten Rechtsstreits gab der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug im Oktober 2014 im Rahmen eines Kundendienstes in eine Werkstatt der Beklagten. Die Beklagte behauptet, dabei sei ein zwischenzeitlich zur Verfügung stehendes Software-Update mit einer korrigierten Warnmeldung aufgespielt worden.

Das Oberlandesgericht hat der auf Ersatzlieferung eines entsprechenden Neufahrzeugs (Zug um Zug gegen Rückübereignung des gelieferten Fahrzeugs) gerichteten Klage stattgegeben (Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 20. Februar 2017 Az. 14 U 199/16) und die Revision zugelassen.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich anhand der vorliegenden Fallgestaltung mit mehreren, bis dahin höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Fragen im Zusammenhang mit dem Sachmängelgewährleistungsanspruch des Käufers auf (Ersatz-)Lieferung einer mangelfreien Sache gemäß § 437 Nr. 1, § 439 BGB auseinandergesetzt.

Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, wies das dem Kläger veräußerte Neufahrzeug bei Übergabe im September 2012 einen Sachmangel auf, so der BGH. Denn die Software der Kupplungsüberhitzungsanzeige blendete eine Warnmeldung ein, die den Fahrer zum Anhalten aufforderte, um die Kupplung abkühlen zu lassen, obwohl ein Anhalten tatsächlich nicht erforderlich war. Damit eignete sich das Fahrzeug weder für die gewöhnliche Verwendung noch wies es eine Beschaffenheit auf, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die ein Käufer nach Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). An dieser Beurteilung als Sachmangel ändert es nichts, wenn – wie hier behauptet – der Verkäufer dem Käufer mitteilt, es sei nicht notwendig, die irreführende Warnmeldung zu beachten. Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer (wie die Beklagte) zugleich der Hersteller des Fahrzeugs ist.

Weiterhin steht dem vom Käufer wegen eines Sachmangels geltend gemachten Anspruch auf Nacherfüllung (§ 437 Nr. 1 BGB) durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) nicht entgegen, dass er – wie vorliegend der Kläger – gegebenenfalls zunächst die andere Art der Nacherfüllung, nämlich die Beseitigung des Mangels (§ 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB) verlangt hat. Denn die Ausübung des Nacherfüllungsanspruchs ist gesetzlich (anders als die Ausübung des Rücktritts- oder Minderungsrechts) nicht als bindende Gestaltungserklärung ausgeformt, so dass der Käufer nicht daran gehindert ist, von der zunächst gewählten Art der Nacherfüllung wieder Abstand zu nehmen.

Außerdem darf ein Käufer auch dann an seiner Wahl der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung festhalten, wenn der Mangel nachträglich ohne sein Einverständnis beseitigt wird. Insoweit kommt es somit nicht darauf an, ob die Beklagte – wie sie behauptet – den irreführenden Warnhinweis während des Rechtsstreits durch Aufspielen einer korrigierten Version der Software beseitigt hat. Denn der Kläger hatte einer solchen Nachbesserung im Rahmen der routinemäßigen Inspektion im Oktober 2014 weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt.

Nach § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB (alte Fassung [aF]; nunmehr § 439 Abs. 4 Satz 1 BGB) kann der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung allerdings verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Die Beklagte hat diese Einrede erhoben und meint, die vom Kläger gewählte Art der Nacherfüllung (Lieferung eines Ersatzfahrzeugs) würde im Vergleich zur anderen Art (Aufspielen eines Software-Update) unverhältnismäßige Kosten verursachen. Die damit eingewandte sogenannte relative Unverhältnismäßigkeit hat das Gericht aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung und Würdigung aller maßgeblichen Umstände des konkreten Einzelfalls unter Berücksichtigung der in § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB aF genannten Kriterien beurteilen.

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen der geltend gemachten Unverhältnismäßigkeit im vorliegenden Fall verneint. Dabei hat es zunächst zutreffend berücksichtigt, dass vorliegend die Kosten der Ersatzlieferung zwar deutlich höher seien als die Kosten der Nachbesserung durch ein Software-Update, dem Mangel aber erhebliche Bedeutung (§ 439 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 BGB aF) zukomme, weil er die Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeugs spürbar einschränke. Insoweit ist wiederum ohne Einfluss, ob die Beklagte (wie sie behauptet), die Einblendung der irreführenden Warnmeldung im Oktober 2014 durch das Aufspielen einer korrigierten Software beseitigt hat. Denn für die Beurteilung der relativen Unverhältnismäßigkeit der gewählten Art der Nacherfüllung ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Zugangs des Nacherfüllungsverlangens maßgebend (hier: Juli 2013).

Nicht tragfähig ist allerdings nach Ansicht des BGH – jedenfalls auf Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen – die weitere Annahme des Berufungsgerichts, auf die andere Art der Nacherfüllung könne nicht ohne erhebliche Nachteile für den Kläger zurückgegriffen werden (§ 439 Abs. 3 Satz 2 Alt. 3 BGB aF). Insoweit hat der BGH zwar den Ausgangspunkt des Berufungsgerichts gebilligt, dass der auf Ersatzlieferung in Anspruch genommene Verkäufer den Käufer nicht unter Ausübung der Einrede der Unverhältnismäßigkeit auf Nachbesserung verweisen darf, wenn er den Mangel nicht vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigen kann. Ob dies vorliegend allerdings der Fall ist, lässt sich (noch) nicht beurteilen. Insoweit hätte das Berufungsgericht – im Wege eines (ergänzenden) Sachverständigengutachtens – der Behauptung der Beklagten nachgehen müssen, ob die Warnfunktion bei Überhitzen der Kupplung durch das genannte Software-Update tatsächlich mit einem korrigierten Warnhinweis verknüpft wird und nicht – wie es das Berufungsgericht für möglich gehalten hat – schlicht abgestellt worden ist. Wegen dieses Verfahrensfehlers hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

20. Februar 2018

OLG Stuttgart zur Beweislast bezüglich der Beschaffenheit des Werkes

Welche Beschaffenheit das zu erbringende Werk haben soll, also den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung, hat derjenige zu beweisen, der sich auf die vertragliche Vereinbarung beruft. Dies ist der Auftraggeber, der Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung verlangt, auch wenn vor der Abnahme grundsätzlich der Auftragnehmer die Mangelfreiheit der erbrachten Leistungen zu beweisen hat.

Hierauf hat das OLG Stuttgart mit Beschluss vom 09.01.2018, Az. 10 U 93/17 abgestellt.

Maßgeblich für die Frage, ob die von der Beklagten im entschiedenen Fall vorgenommene Ausführung der Fensterelemente sowie der Hebeschiebetüren mangelhaft im Sinne von § 13 Abs. 1 VOB/B sowie § 633 Abs. 2 BGB ist, ist das geschuldete Bausoll. Entscheidend ist daher, was die Parteien insoweit vertraglich vereinbart haben. Welche Beschaffenheit das zu erbringende Werk haben soll, also den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung, hat derjenige zu beweisen, der sich auf die vertragliche Vereinbarung beruft.

Die Abnahme ist vorliegend entbehrlich, da das Vertragsverhältnis der Parteien unstreitig in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Die Beklagte hatte sich in ihrer Berufungsbegründung darauf berufen, dass zwischen den Parteien ein Abrechnungsverhältnis zustande gekommen sei. Die Klägerin hatte sich dies in ihrer Berufungserwiderung (Anmerkung des Verfassers: evtl. taktisch unklug) zu eigen gemacht und sich darauf berufen, dass sie konkludent zum Ausdruck gebracht habe, unter keinen Umständen mehr mit der Beklagten zusammenzuarbeiten.

12. Oktober 2017

BGH: Farbe und Farbstabilität als Baumangel

Ein Werk ist mangelhaft, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit nicht hat. Unter der Beschaffenheit des Werks sind insbesondere alle dem Werk unmittelbar und jedenfalls für eine gewisse Zeit anhaftenden physischen Merkmale zu verstehen. Zur vereinbarten Beschaffenheit gehören alle Eigenschaften des Werks, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung kann auch die Farbe eines Anstrichs sowie die Farbstabilität für einen bestimmten Zeitraum sein. Der Besteller darf mangels Erörterung des Vergilbungsrisikos vor oder bei Vertragsschluss die berechtigte Erwartung hegen, dass der nach der Besichtigung der Probefläche festgelegte Weißanstrich nicht bereits nach weniger als einem Jahr mehr als nur unwesentlich vergilbt. Hierauf hat der BGH mit Urteil vom 31.08.2017, Az. VII ZR 5/17 hingewiesen.

In dem seitens des BGH entschiedenen Sachverhalt beabsichtigte der Beklagte, in der Produktionshalle einer Großbäckerei Malerarbeiten vornehmen zu lassen. Die Klägerin legte dort eine ca. 20 qm große Probefläche an, wobei sie diese Fläche reinigte, vorbereitete und strich. Nach dieser Behandlung sah die Probefläche schneeweiß aus. Nach Besichtigung der Probefläche erteilte der Beklagte der Klägerin den Auftrag bezüglich der Malerarbeiten in dieser Produktionshalle.

Die Arbeiten wurden zunächst bis April 2012 bei laufendem Betrieb der Bäckerei teilweise ausgeführt. Es kam zu Differenzen zwischen den Parteien und zu einer Arbeitspause bis zum Dezember 2012. Bei Wiederaufnahme der Arbeiten Anfang Dezember 2012 rügte der Beklagte einen bereits vergilbten und fleckigen Zustand der bearbeiteten Flächen. Die Parteien hoben das Vertragsverhältnis vor Fertigstellung aller Leistungen einvernehmlich auf. Der Beklagte verweigerte die Abnahme der klägerischen Werkleistung wegen der Vergilbung und begehrt Mangelbeseitigung.

Das Landgericht hatte die auf Zahlung restlichen Werklohns sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage als derzeit unbegründet abgewiesen (LG Göttingen, Urteil vom 24.09.2015; Az. 8 O 235/13). Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Restwerklohnklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet (OLG Braunschweig, Urteil vom 08.12.2016, Az. 8 U 111/15). Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Der Senat hat auf die Beschwerde des Beklagten die Revision zugelassen, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ergebe sich aus Auslegung des Werkvertrages, welche Beschaffenheit eines Werks die Parteien vereinbart haben. Zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB gehörten alle Eigenschaften des Werks, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Im Streitfall entspreche das Werk der Klägerin der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit. Es sei funktionstauglich.
Die Ausführung der Arbeiten durch die Klägerin sei nach den anerkannten Regeln der Technik erfolgt. Hinweise auf Ausführungsfehler hätten sich nach dem Ergebnis der ergänzenden Anhörung des Sachverständigen nicht ergeben, so das OLG. Die eingeschränkte Farbstabilität der verwendeten Farben stelle keinen zur Abnahmeverweigerung berechtigenden Mangel dar. Die von der Klägerin eingesetzten Farben seien für den Einsatz in einer Großbäckerei nicht ungeeignet. Eine dauerhafte Farbstabilität sei bei weißen und hochweißen Farbtönen nach den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen ### im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht realisierbar. Der Sachverständige habe unter anderem ausgeführt, dass es für die Vergilbung und den Vergilbungsgrad, insbesondere für Anstriche in Großbäckereien, keine technischen Regelwerke gebe; der Vergilbungsprozess hänge unter anderem von den Einsatzbedingungen der Farben ab. Auch eine Verkehrsüblichkeit gebe es insoweit nicht.

Der BGH hat dargelegt, daß eine Beschaffenheitsvereinbarung ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhaften getroffen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 09. Juli 2002 – X ZR 242/99, NZBau 2002, 611, 612). Ob die Parteien eines Werkvertrags eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen und welche Beschaffenheit sie gegebenenfalls vereinbart haben, ist durch Auslegung des Werkvertrags zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 08. Mai 2014 – VII ZR 203/11, BGHZ 201, 148 Rz. 14 m.w.N.).
Die Auslegung von Willenserklärungen ist grundsätzlich Angelegenheit des Tatrichters. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet allerdings dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 – VII ZR 67/11, BGHZ 192, 172 Rz. 12 m.w.N.). Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zählt der Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung (vgl. BGH, Urteil vom 05. März 2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rz. 21; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 – VII ZR 87/14, NJW 2015, 1107 Rz. 14).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Werkvertrags der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand, so der BGH. Das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts, wonach hinsichtlich der Farbstabilität des Weißanstrichs keine (konkludente) Beschaffenheitsvereinbarung zu Stande gekommen ist, beruht auf einem Verstoß gegen den Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung. Bei der Auslegung im Hinblick auf eine etwaige Beschaffenheitsvereinbarung ist die berechtigte Erwartung des Bestellers an die Werkleistung von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2007 – VII ZR 210/05, BauR 2007, 1407, 1409 = NZBau 2007, 507 Rz. 23). Der Beklagte durfte mangels Erörterung des Vergilbungsrisikos vor oder bei Vertragsschluss und mangels besonderen Fachwissens zu dieser Problematik angesichts der beträchtlichen Kosten der Malerarbeiten die berechtigte Erwartung hegen, dass der nach der Besichtigung der Probefläche festgelegte Weißanstrich – übliche Reinigung vorausgesetzt – nicht bereits nach weniger als einem Jahr mehr als nur unwesentlich vergilben würde. Diesen für eine beiderseits interessengerechte Vertragsauslegung bedeutsamen Gesichtspunkt habe das Berufungsgericht nach Ansicht des BGH nicht hinreichend gewürdigt.

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