Ihr-Recht-Blog

30. März 2023

AGH RLP zur Fortbildungsverpflichtung von Fachanwälten

Der AGH Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 25.02.2022, Az. 1 AGH 8/21 entschieden, dass die Befugnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung widerrufen werden kann, wenn der Fortbildungsnachweis nicht geführt wird. Ist die Teilnahme an einem Online-Seminar möglich gewesen, kann der Ausfall von Präsenzveranstaltungen im jeweiligen Fachgebiet aufgrund der Corona-Pandemie die Säumnis nicht entschuldigen.

Ob Anwältinnen und Anwälte ihrer Fortbildungspflicht genügt haben, steht erst nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres fest. Ist ein Jahr ohne Fortbildung verstrichen, können sie sich in diesem Jahr nicht mehr fortbilden. Die Nachholung versäumter Fortbildungsstunden im Folgejahr ist nicht möglich.

Der AGH hat weiterdarauf hingewiesen, dass eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung zwar nicht zwingend rechtfertige. Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 43 c Abs. 4 S. 2 BRAO („kann“). Zudem wäre ein Verständnis der Regelung in § 43 c Abs. 4 S. 2 BRAO, bei § 15 FAO handle es sich um eine „MussRegelung“, mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar und würde dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 02.04.2001, a.a.O., 1945; BGH, Beschluss vom 06.11.2000, a.a.O., 1572; BGH, Urteil vom 26.11.2012 – AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175, Rn. 12; BGH, Urteil vom 8.4.2013 – a.a.O., Rn. 10).

Bei der Ausübung des der Rechtsanwaltskammer danach zustehenden Ermessens sind daher sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, so etwa eine wegen einer Erkrankung des Rechtsanwalts unverschuldete Versäumung der Fortbildung (vgl. BGH, Beschluss vom 02.04.2001, a.a.O.). Fehlende Kenntnisse zur Handhabung eines Online-Seminars gelten nicht als Entschuldigungsgrund, so der AGH.

2. Februar 2016

Aktuell: BVerfG: § 59a I 1 BRAO teilweise verfassungswidrig!

§ 59a Abs. 1 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung ist insoweit verfassungswidrig und nichtig, als er Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten verbietet, sich mit Ärztinnen und Ärzten sowie mit Apothekerinnen und Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in einer Partnerschaftsgesellschaft zu verbinden. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute – 02.02.2016 -  veröffentlichtem Beschluss in einem Verfahren der konkreten Normenkontrolle auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden. Der mit dem Sozietätsverbot verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist unverhältnismäßig. Denn der Gesetzgeber hat den Zusammenschluss von Rechtsanwälten mit anderen Berufsgruppen – insbesondere mit Patentanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern – in einer Partnerschaftsgesellschaft zugelassen. Im Vergleich hierzu birgt eine interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern keine so wesentlichen zusätzlichen Risiken für die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten, dass dies eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigte, so das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 12. Januar 2016, Az. 1 BvL 6/13).

Im Vergleich zu den nach § 59a BRAO zulässigen Konstellationen der gemeinsamen Berufsausübung bietet die interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern jedoch kein entscheidend erhöhtes Gefährdungspotential für die anwaltliche Unabhängigkeit, so dass deren Verbot sich als unangemessen erweist. Zwar fehlt es hier im Unterschied zu den sozietätsfähigen Berufen an der Gemeinsamkeit einer im weitesten Sinne wirtschaftlichen oder wirtschaftsrechtlichen Beratung; dies lässt jedoch keinen plausiblen Grund für einen gesteigerten Schutzbedarf zugunsten der anwaltlichen Unabhängigkeit erkennen. Im Gegenteil spricht das grundlegend andere Tätigkeitsfeld der Ärzte und Apotheker eher dafür, dass diese schon wegen ihrer beruflichen Distanz zu rechtlichen Fragestellungen die Unabhängigkeit des anwaltlichen Partners stärker respektieren werden.

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