Ihr-Recht-Blog

30. März 2023

AGH RLP zur Fortbildungsverpflichtung von Fachanwälten

Der AGH Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 25.02.2022, Az. 1 AGH 8/21 entschieden, dass die Befugnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung widerrufen werden kann, wenn der Fortbildungsnachweis nicht geführt wird. Ist die Teilnahme an einem Online-Seminar möglich gewesen, kann der Ausfall von Präsenzveranstaltungen im jeweiligen Fachgebiet aufgrund der Corona-Pandemie die Säumnis nicht entschuldigen.

Ob Anwältinnen und Anwälte ihrer Fortbildungspflicht genügt haben, steht erst nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres fest. Ist ein Jahr ohne Fortbildung verstrichen, können sie sich in diesem Jahr nicht mehr fortbilden. Die Nachholung versäumter Fortbildungsstunden im Folgejahr ist nicht möglich.

Der AGH hat weiterdarauf hingewiesen, dass eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung zwar nicht zwingend rechtfertige. Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 43 c Abs. 4 S. 2 BRAO („kann“). Zudem wäre ein Verständnis der Regelung in § 43 c Abs. 4 S. 2 BRAO, bei § 15 FAO handle es sich um eine „MussRegelung“, mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar und würde dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 02.04.2001, a.a.O., 1945; BGH, Beschluss vom 06.11.2000, a.a.O., 1572; BGH, Urteil vom 26.11.2012 – AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175, Rn. 12; BGH, Urteil vom 8.4.2013 – a.a.O., Rn. 10).

Bei der Ausübung des der Rechtsanwaltskammer danach zustehenden Ermessens sind daher sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, so etwa eine wegen einer Erkrankung des Rechtsanwalts unverschuldete Versäumung der Fortbildung (vgl. BGH, Beschluss vom 02.04.2001, a.a.O.). Fehlende Kenntnisse zur Handhabung eines Online-Seminars gelten nicht als Entschuldigungsgrund, so der AGH.

9. Mai 2022

BGH zur Rückzahlung von Beiträgen während der coronabedingten Schließung eines Fitnessstudios

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 04. Mai 2022, Az. XII ZR 64/21 entschieden, dass ein Kunde eines Fitnessstudios gemäß §§ 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten – im Lastschriftverfahrenen eingezogenen – Monatsbeiträge hat. Diesem Rückzahlungsanspruch des Kunden kann der Betreiber nicht entgegenhalten, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird.

Zwar werde eine solche Vertragsanpassung in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertreten, so der BGH. Diese Auffassung verkennt jedoch das Konkurrenzverhältnis zwischen § 275 Abs. 1 BGB und § 313 BGB. Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit – wie im vorliegenden Fall – der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist.

Ein Anspruch der Beklagten auf die begehrte Vertragsanpassung scheidet auch deshalb aus, weil mit Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB eine speziellere Vorschrift besteht, die im vorliegenden Fall einem Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage entgegensteht.

Grundsätzlich ist eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer Geschäftsgrundlagenstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine spezielle gesetzliche Vorschrift geschaffen hat. Bei der durch Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsrecht und im Recht der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE) vom 15. Mai 2020 mit Wirkung vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S. 948) eingeführten Vorschrift des Art. 240 § 5 EGBGB handelt es sich um eine solche spezialgesetzliche Regelung, die in ihrem Anwendungsbereich dem § 313 BGB vorgeht.

Zur Zeit der Schaffung dieser Vorschrift mussten aufgrund der umfangreichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Veranstaltungsverbote und Kontaktbeschränkungen eine Vielzahl von Veranstaltungen abgesagt und Freizeiteinrichtungen vorübergehend geschlossen werden. Daher konnten vielfach bereits erworbene Eintrittskarten nicht eingelöst werden. Ebenso konnten Inhaber einer zeitlichen Nutzungsberechtigung für eine Freizeiteinrichtung diese für eine gewisse Zeit nicht nutzen. Der Gesetzgeber befürchtete, dass die rechtliche Verpflichtung der Veranstalter oder Betreiber, bereits erhaltene Eintrittspreise oder Nutzungsentgelte zurückerstatten zu müssen, bei diesen zu einem erheblichen Liquiditätsabfluss führen würde, der für viele Unternehmen im Veranstaltungsbereich eine existenzbedrohende Situation zur Folge haben könnte. Zudem sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass Insolvenzen von Veranstaltungsbetrieben auch nachteilige Folgen für die Gesamtwirtschaft und das kulturelle Angebot in Deutschland haben könnten.

Um diese unerwünschten Folgen nach Möglichkeit zu verhindern, wollte der Gesetzgeber mit Art. 240 § 5 EGBGB für Veranstaltungsverträge, die vor dem 8. März 2020 abgeschlossen wurden, eine Regelung schaffen, die die Veranstalter von Freizeitveranstaltungen vorübergehend dazu berechtigt, den Inhabern von Eintrittskarten statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein in Höhe des Eintrittspreises auszustellen (Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB), sofern die Veranstaltung aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte. Durch Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB wurde dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung ebenfalls das Recht eingeräumt, dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht nutzbaren Teils der Berechtigung entspricht.

29. März 2022

BArbG zur Einhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes während Corona

Auf die Einhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes kann im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht verzichtet werden. Hierauf hat das Bundesarbeitsgericht (BArbG) mit Beschluss vom 02.03.2022, Az. 2 AZN 629/21 hingewiesen.

In dem der Entscheidung des BArbG zugrundliegenden Sachverhalt war im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht war im Sitzungssaal im Hinblick auf die Coronavirus-Pandemie aufgrund der zur Verfügung stehenden Fläche nach den Vorgaben der Gerichtsverwaltung, die mit der Gesundheitsbehörde abgesprochen worden waren, die Anzahl der anwesenden Personen auf drei Richter und sieben weitere Personen begrenzt.

Diese zur Verfügung stehenden Plätze sind vollständig von den Verfahrensbeteiligten genutzt worden und standen für weitere Zuhörer nicht mehr zur Verfügung. Nach dem Protokoll der Sitzung vom 31. Mai 2021, auf die das Berufungsurteil ergangen ist, waren der Vorsitzende Richter, zwei ehrenamtliche Richter, die Klägerin mit ihrem Rechtsanwalt, die beiden Rechtsanwälte der beiden Beklagten, der Geschäftsführer der Beklagten zu 2. sowie der dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetretene Streitverkündete mit seinem Rechtsanwalt anwesend.

Der Grundsatz der Öffentlichkeit, der zu den Prinzipien demokratischer Rechtspflege gehört und auch in § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG niedergelegt ist, verlangt, dass jedermann nach Maßgabe des tatsächlich verfügbaren Raums Zutritt zur Verhandlung ermöglicht wird (vgl. BAG 22. September 2016 – 6 AZN 376/16 – Rn. 5; 19. Februar 2008 – 9 AZN 777/07 – Rn. 8; BFH 12. Juni 2009 – II B 26/09 – Rn. 16; BGH 23. März 2006 – 1 StR 20/06 – Rn. 11; Zöller/Lückemann ZPO 34. Aufl. § 169 GVG Rn. 2). Die Beachtung des Grundsatzes findet ihre Grenze in der tatsächlichen Unmöglichkeit, ihr zu entsprechen (vgl. BGH 10. Juni 1966 – 4 StR 72/66 – BGHSt 21, 72; RG 5. Februar 1918 – V 34/18 – RGSt 52, 137). Er ist nicht verletzt, wenn aus zwingenden Gründen Beschränkungen bestehen oder angeordnet werden müssen. Hierzu gehören insbesondere gegebene Raumbeschränkungen. Es besteht kein Anspruch der Öffentlichkeit auf so viele Plätze, wie Interessenten kommen (Zöller/Lückemann ZPO 34. Aufl. § 169 GVG Rn. 6). Zulässig ist auch eine Reduzierung der Zuhörerzahl in einem Saal, um Abstandsregelungen im Zuge einer Pandemiebekämpfung einhalten zu können (vgl. Greger MDR 2020, 509, 511). Die Verhandlung ist aber nur dann öffentlich, wenn beliebige Zuhörer, sei es auch nur in sehr begrenzter Zahl, die Möglichkeit des Zutritts haben (BGH 10. November 1953 – 5 StR 445/53 – zu III 2 b der Gründe, BGHSt 5, 75). Erforderlich ist, dass Zuhörer in einer Anzahl Einlass finden, in der sie noch als Repräsentanten einer keiner besonderen Auswahl unterliegenden Öffentlichkeit angesehen werden können. Ein einziger Platz für Zuhörer wäre zu wenig, weil dies zu einem faktischen Ausschluss der Öffentlichkeit führte (vgl. BayObLG 30. November 1981 – 1 Ob OWi 331/81 – zu 2 der Gründe; OLG Köln 8. September 1983 – 3 Ss 63/83 (185) -; Anders/Gehle/Becker ZPO 80. Aufl. § 169 GVG Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Schreiber 4. Aufl. § 169 GVG Rn. 15).

Nach diesem Maßstab ist das Berufungsurteil aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt wurden. Es hatten keine beliebigen Zuhörer – auch nicht in sehr begrenzter Zahl – Zutritt zu der Verhandlung. Im Verhandlungsraum war nicht einmal für einen Zuhörer Platz, so das BArbG.

24. Januar 2022

BSG: Corona und das allgemeine Lebensrisiko

Das Infektionsrisiko mit Corona-Virus gehört nach Ansicht des Bundessozialgerichtes zum allgemeinen Lebensrisiko (BSG, Beschluss vom 14.06.2021, Az. B 4 AS 86/21 B).

So kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Die Beurteilung, ob ein erheblicher Grund vorliegt, liegt grundsätzlich im Ermessen des jeweiligen Gerichts. Dieses Ermessen kann sich auf Null reduzieren mit der Folge, dass der Termin aufgehoben werden muss und anderenfalls der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt ist.

Der Hinweis darauf, dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sowohl im Landkreis, in dem ein Prozessbevollmächtigter seinen Kanzleisitz hat, als auch im Landkreis, in dem das Gericht seinen Sitz hat, auf die Infektionen mit dem Covid-19 bezogene Inzidenzwerte von über 200 bestehen, reicht nach Ansicht des Bundessozialgerichts für eine Terminsverlegung nicht aus. Die Unzumutbarkeit einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung folgt nicht allein aus Inzidenzwerten oder der allgemeinen Infektionslage. Vielmehr haben die Gerichte einen erheblichen Einschätzungsspielraum bei der Beurteilung, ob gerichtliche Verhandlungen trotz der Infektionslage durchgeführt werden können.

Ein gewisses Infektionsrisiko mit dem Corona-Virus gehört derzeit für die Gesamtbevölkerung zum allgemeinen Lebensrisiko, von dem auch die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens nicht vollständig ausgenommen werden können, so das Bundessozialgericht.

1. Juni 2021

Einmal mehr:: LG Frankfurt zur Mietzahlung bei corona-bedingter Schließung

Das LG Frankfurt hat sich mit Urteil vom 06.05.2021, Az.  2-14 O 113/20 hinsichtlich der Verpflichtung der Mietzahlung für Gewerbeobjekte bei corona-bedingter Schließung der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Urteil vom 19.03.2021, Az. 2 U 143/20) angeschlossen.

Nach Ansicht des LG Frankfurt ist der Mieter eines Nachtclubs wegen der aufgrund der COVID-19- Pandemie angeordneten Schließung weder von der Mietzahlung befreit noch zur Zahlung einer geringeren Miete berechtigt.

Nach Ansicht des LG Frankfurt  war die Mietsache nicht mangelhaft im Sinne des § 536 BGB. Ein Mangel im Sinne von § 536 BGB setzt voraus, dass der tatsächliche Zustand der Mietsache von dem vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Wenn – wie hier – Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (vgl. BGH, NJW 2013, 680). Auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen können die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch mindern und damit einen Sachmangel begründen.

Die behördlich angeordnete Schließung der Gastronomie im Zuge der COVID-19-Pandemie begründet keinen Mangel der Mietsache im vorstehenden Sinne (Palandt/Weidenkaff, BGB, 80. Auflage, § 536, RZ 13 und 19 jeweils mwN.)

Die Mietsache selbst war weiterhin ordnungsgemäß und wies keinen Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB auf. Der Klägerin als Vermieterin war die von ihr vertraglich geschuldete Leistung weiterhin uneingeschränkt möglich. Die Klägerin schuldete der Beklagten die Verschaffung der Möglichkeit des Gebrauchs des Mietobjekts und hatte hierzu dieses in einem dem Verwendungszweck entsprechenden Zustand zu halten (§ 535 Abs. 1 BGB). Der Erfüllung dieser Verpflichtung der Klägerin als Vermieterin standen die behördlich angeordneten Einschränkungen nicht entgegen. Die behördlich angeordneten Einschränkungen wirkten sich nicht objektbezogen aus, sondern bezogen sich inhaltlich auf den Betrieb der Beklagten als Mieterin. Die Klägerin schuldete allein die Möglichkeit, in den überlassenen Räumen einen Geschäftsbetrieb wie hier einen Nachtclub zu führen, nicht aber in irgendeiner Weise die Überlassung des Betriebs selbst (vgl. hierzu OLG Frankfurt/Main, 2 U 143/20, Urteil vom 19.03.2021, RZ 33 ff mwN.). Denn behördliche Schließungsanordnungen sowie Einschränkungen des Geschäftsbetriebs als Umweltbeziehungen des Mietobjekts rechtlicher Art können einen Mangel der Mietsache nur dann begründen, wenn sie die körperliche Beschaffenheit der Mietsache, ihren Zustand oder ihre Lage betreffen oder Einfluss auf diese haben und damit einen unmittelbaren Bezug zu dem von der Klägerin als Vermieterin geschuldeten Leistungserfolg aufweisen, so dass sie das die Klägerin als Vermieterin treffende Verwendbarkeitsrisiko des Mietobjekts betreffen (vgl. OLG Frankfurt/Main aaO, RZ 36).

Durch die behördlichen Schließungen und Einschränkungen im Hinblick auf die COVID19-Pandemie wurde zwar faktisch der Zugang zu den Mieträumen für potentielle Gäste verhindert oder beschränkt. Betroffen war aber nicht die räumliche Lage und Erreichbarkeit des Mietobjekts, also seine körperliche Beschaffenheit selbst. Auch die Überlassung des Mietobjekts an sich war nicht untersagt. Vielmehr war durch die behördlichen Anordnungen lediglich die Art der Nutzung des Mietobjekts als Gastronomiebetrieb und Tanzlokal und des dort entsprechend stattfindenden Publikumsverkehrs durch die Gäste des Clubs eingeschränkt und geregelt (vgl. zum Ganzen OLG Frankfurt/Main, 2 U 143/20, Urteil vom 19.03.2021, RZ 37 mwN).

Die behördlichen Schließungen und Beschränkungen zur Bekämpfung der COVID-19- Pandemie sind nicht gegen den Geschäftsbetrieb an sich, insbesondere in den bestimmten Mieträumen, gerichtet, sondern dienen ausschließlich dem Zweck der Eindämmung der weiteren Ausbreitung des Virus SARS-CoV 2 und damit dem Gesundheitsschutz (vgl. LG München I, Urteil vom 25.01.2021 – 31 0 7743/20, NZM 2021, 194 ff.). Es geht um die Abwehr erheblicher Gesundheitsgefahren, die ihre Ursache in einem pandemischen Infektionsgeschehen haben, welches nur durch weitgehende Kontaktbeschränkungen eingedämmt werden kann (vgl. Streyl, NZM 2020, 817 ff., 823). Diese führen zu Betriebsuntersagungen und -erschwerungen, die sich nicht gegen die konkrete Betriebsführung oder den konkreten Nutzungszweck der Mietsache – hier als Nachtclub – richten, sondern allein darauf beruhen, dass die Geschäftstätigkeit zum Publikumsverkehr mit einer nicht ausreichend kontrollierbaren Vielzahl von Personen führt, selbst dann, wenn – was sich der Kenntnis des Gerichts entzieht – der ### auch außerhalb der Zeiten der Pandemie, also in normalen Zeiten, über eine Einlasskontrolle verfügen und so eine Auswahl seiner Gäste vornehmen sollte. Da diese unkontrollierbaren Kontakte wiederum aufgrund der leichten Übertragbarkeit des Virus zur Gefahr schwerer und schwerster Erkrankungen mit der Folge auch zahlreicher Todesfälle führen, sollen durch die Kontakteinschränkungen die Infektionszahlen vermindert werden, auch damit letztlich das Gesundheitssystem des Staates nicht durch eine zu hohe Zahl Erkrankter überlastet wird (vgl. zum Ganzen OLG Frankfurt/Main, 2 U 143/20, Urteil vom 19.03.2021, RZ 39 mwN, zu einem Fall aus dem Bereich des Einzelhandels für Damenoberbekleidung inklusive damit zusammenhängender Lizenzprodukte).

26. Mai 2021

OLG Brandenburg: Angst vor Coronavirus als Entschuldigungsgrund

Gegen einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, wird ein Ordnungsgeld festgesetzt. Das Festsetzen eines Ordnungsmittels unterbleibt, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird.

Das OLG Brandenburg hat nunmehr mit Beschluss vom 27.04.2021, Az. 3 W 39/21 ausgeführt, daß die rein subjektive Angst, sich in einem Gerichtstermin oder auf der Fahrt dorthin mit einer Infektionskrankheit anzustecken, für eine Entschuldigung grundsätzlich nicht ausreicht.

Wird das Risiko einer Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung allerdings vom RKI insgesamt als "sehr hoch" eingeschätzt, genügt die allgemeine Angst des geladenen Zeugen, im Gerichtsgebäude der – wenn auch geringen – Gefahr ausgesetzt zu sein, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, den Anforderungen an eine Entschuldigung, so das OLG.

Es bestand, so das OLG weiter, anders als das Landgericht als Vorinstanz meint, auch nicht die Gefahr, dass dem Justizgewährungsanspruch nicht mehr Genüge geleistet würde, würde man die Angst vor einer Corona-Ansteckung als Grund für das Ausbleiben eines Zeugen (oder für einen Verlegungsantrag eines Prozessbevollmächtigten) anerkennen. Zum einen mag die Abwägung anders ausfallen, wenn – wie in bestimmten Verfahren – dem Beschleunigungsgrundsatz Vorrang einzuräumen ist. Zum anderen war bereits zum hier maßgeblichen Zeitpunkt im Februar 2021 von der Bundesregierung eine Verbesserung der Lage unter anderem durch ein umfassendes Impfangebot bis zum Sommer 2021 angekündigt worden, so dass es durch eine Verlegung auch nicht zu einer unzumutbaren Verzögerung des Verfahrens gekommen wäre.

12. Mai 2021

Zur Wohnungsbesichtigung in Corona-Zeiten

Zumindest in den Fällen, in denen der konkrete Verdacht besteht, dass sich die Wohnung in einem verwahrlosten/messi-ähnlichen Zustand befindet, hat der Vermieter auch in Zeiten von Corona ein Zutrittsrecht. Hierauf hat das Landgericht Hannover mit Beschluss vom 01.02.2021, Az. 20 T 3/21 in einem Fall, in welchem die Lagerung einer großen Anzahl an Gegenständen außerhalb der gemieteten Wohnung den Verdacht begründet hat, dass sich die Wohnung in einem verwahrlosten Zustand befindet, abgestellt.

27. April 2021

OLG Frankfurt und KG Berlin zur Mietanpassung bei corona-bedingter Schließung

Die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung zu Mietminderung und Mietanpassung bei corona-bedingter Schließung von Gewerberäumen setzt sich fort.

Während das KG Berlin mit 01.04.2021, Az. 1099/20 ausführte, daß bei einer staatlich angeordneten Geschäftsschließung wegen der Corona-Pandemie die Gewerbemiete wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf die Hälfte herabzusetzen sein kann, ohne dass eine Existenzbedrohung des Mieters im Einzelfall festgestellt werden muss, verneinte das OLG Frankfurt, mit Urteil vom 19.03.202, Az. 2 U 143/20 eine Mietminderung bei corona-bedingter Schließung.

Nach Ansicht des OLG Frankfurt, a. a. O., begründet die behördliche Schließung in der Folge der COVID-19-Pandemie  weder einen Mangel noch das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft des Mietobjekts. Wegen des Vorrangs der §§ 536 ff. BGB sind die Regelungen der Unmöglichkeit zudem verdrängt, so das OLG. Sofern für die Berücksichtigung einer Störung der Geschäftsgrundlage wegen des Verwendungsrisikos des Mieters (§ 537 Abs. 1 Satz 1 BGB) überhaupt Raum ist, müsse das Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führen.

19. Januar 2021

Zum Anspruch der Wohnungseigentümer auf Teilnahme an der WEG-Versammlung auch während Corona

Ein Anspruch der Eigentümer auf persönliche Teilnahme an Eigentümerversammlungen besteht auch während der Corona-Pandemie. Dies hat das LG Frankfurt/Main mit Urteil vom 17.12.2020 – 2-13 S 108/20 ausgeführt.

Es ist aber nicht zu beanstanden, wenn der Verwalter in der Einladung Vertretungsmöglichkeiten bewirbt und sich bei der Größe des angemieteten Saals an der zu erwartenden Teilnehmerzahl orientiert, so weiter das LG Frankfurt in seiner Entscheidung.

Zu der der Entscheidung zugrundeliegenden Versammlung lud die Hausverwaltung die 11 Eigentümer mit folgendem Text ein:
"Aufgrund der Größe der Sitzungsräume muss die Anzahl der anwesenden Eigentümer bei dieser Versammlung beschränkt werden (10 Personen inkl. Verwalter). Erteilen Sie deshalb möglichst dem Verwaltungsbeirat oder der Verwaltung die Vollmacht für die Teilnahme an der Versammlung. […] Der Verwalter behält sich vor, die Versammlung nicht durchzuführen, sofern die Höchstzahl der Anwesenden überschritten wird und keine einvernehmliche Regelung am Versammlungstag dazu getroffen werden kann."

Nach Ansicht des LG Frankfurt hält diese Einladung keine "Ausladung" einzelner Eigentümer (anders der Sachverhalt der Entscheidung des AG Lemgo ZWE 2020, 480, wo ausdrücklich darauf verwiesen wurde, nicht zu erscheinen), in der hier maßgeblichen Einladung ist lediglich darauf verwiesen worden, dass ein Versammlungssaal für 10 Personen angemietet wurde, zugleich ist auf die Erteilung von Vollmachten hingewiesen worden. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Aufgabe des Verwalters ist es, zu einer Versammlung einzuladen, dabei hat er über den Ort und die Zeit der Versammlung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Gerade in den Zeiten der Corona-Pandemie, in welchen der Verwalter bei der Auswahl des Versammlungsortes die Abstandsgebote und Hygiene-Vorschriften einzuhalten hat, ist es ein sachgerechtes Ermessenskriterium, sich bei der Auswahl des Versammlungsortes an der zu erwartenden Teilnehmerzahl zu orientieren und dabei Vertretungsmöglichkeiten aktiv zu bewerben (zu den Einzelheiten Schmidt/Zschieschack, COVID-19, 2. Aufl., § 4 Rn. 11, 47 ff.; ebenso Först NZM 2020, 493 (496); Greiner ZWE 2020, 480). Alleine darin liegt eine Beeinträchtigung des Teilnahmerechtes der Eigentümer nicht. Bei der Auswahl in welcher Größe ein Versammlungsort angemietet wird, darf sich der Verwalter natürlich von der zu erwartenden Teilnehmerzahl leiten lassen und muss (wie sonst allerdings auch) nicht, jedenfalls wenn dies nicht zu erwarten ist, einen Saal anmieten, der in jedem Falle sämtliche Eigentümer fasst (zutreffend Greiner ZWE 2020, 480; offengelassen AG Dortmund ZMR 2020, 790).

Ein – wohl allerdings auch nur zur Anfechtbarkeit führender – Verstoß gegen die Teilnahmerechte könnte bei dieser Vorgehensweise darin liegen, dass Teilnehmern der Zugang zum Saal verweigert wird, wenn die Kapazität erschöpft ist. Dies wurde vorliegend jedoch nicht geltend gemacht. Nach den getroffenen Feststellungen war die Klägerin aus anderen Gründen nicht anwesend. Es war bei der streitgegenständlichen Einladung mit einer derartigen Zurückweisung auch nicht zu rechnen. Der Verwalter hat sich lediglich vorbehalten, die Versammlung nicht durchzuführen, wenn die Höchstzahl der für den angemieteten Raum zulässigen Teilnehmerzahl überschritten ist. Auch diese Ankündigung ist nicht zu beanstanden, denn wenn eine Versammlung nicht durchgeführt werden kann, kommt dem Verwalter als Einladenden auch die Aufgabe zu, die Versammlung abzusagen (BGH NJW-RR 2011, 1519 Rn. 9; vgl. auch LG Meiningen NZM 2020, 992). Die aufgrund öffentlich-rechtlicher Beschränkungen fehlende Möglichkeit zur Versammlungsdurchführung ist dabei ein Grund die Versammlung abzusagen, wobei sich in diesem Fall hierauf das Absageermessen des Verwalters reduziert, so das LG Frankfurt.

9. Dezember 2020

LG Stuttgart zur Zahlung der Geschäftsraummiete während coronabedingter Schließung

Das Landgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 19.11.2020, Az. 11 O 215/20 ausgeführt, dass coronabedingte hoheitliche Maßnahmen (hier: Schließung von Verkaufsstellen des Einzelhandels) nicht an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache selbst anknüpfen, sondern allgemein an die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dadurch Infektionen begünstigt werden, so dass kein Mietmangel vorliegt.

Ein Sachmangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, sei dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (BGH, Urteil vom 19.12.2012, VIII ZR 152/12). Auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen können die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch mindern und damit einen Sachmangel darstellen. Insbesondere bei der Vermietung von Gewerberäumen können privat- oder öffentlich-rechtliche Hindernisse zu einem Mangel führen. Voraussetzung ist aber, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt haben und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters (BGH, Urteil vom 02.03.1994, XII ZR 175/92, Rn. 10; Urteil vom 13.07.2011, XII ZR 189/09 – Rauchverbot; Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 536 Rn. 78, m.w.N.). Durch hoheitliche Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen können deshalb nur dann einen Mangel begründen, wenn sie unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache in Zusammenhang stehen; Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, fallen in dessen Risikobereich. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet den Vermieter nur, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht, das Verwendungsrisiko trägt hingegen der Mieter allein (LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020, 5 O 66/20; Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169, 1171).

Gemessen hieran ist vorliegend kein Sachmangel gegeben. Die hoheitlichen Maßnahmen (hier: Schließung von Verkaufsstellen des Einzelhandels) knüpfen nicht an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache selbst an, sondern allgemein an die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dadurch Infektionen begünstigt werden (vgl. LG Heidelberg, a.a.O., Rn. 35; LG Zweibrücken, Urteil vom 11.11.2020, HK O 17/20).

Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die streitgegenständlichen Räumlichkeiten nach dem Inhalt des Mietvertrages (§ 1a; Anlage K 1) zur Nutzung als Einzelhandelsgeschäft für den Verkauf und die Lagerung von Textilien und Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs vermietet worden sind. Die Mietsache als solche ist zu diesem Zweck vielmehr weiterhin in gleicher Weise geeignet wie vor den hoheitlichen Maßnahmen. Untersagt ist lediglich deren Betrieb und zwar losgelöst von Fragen der Beschaffenheit oder Lage der Mietsache. Dieser Umstand fällt jedoch in den Risikobereich des Mieters (vgl. LG Heidelberg, a.a.O.; LG Zweibrücken, a.a.O., Rn. 44; Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169, 1171).

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