Mit der Änderung des Dienstplans eines Mitarbeiters übt der Arbeitgeber diesem gegenüber sein Direktionsrecht aus. Die Änderung muss dem Mitarbeiter zugehen, da es sich bei der Ausübung des Direktionsrechts um eine empfangsbedürftige Gestaltungserklärung handelt.
Ein Mitarbeiter ist nicht verpflichtet, sich in seiner Freizeit zu erkundigen, ob sein Dienstplan geändert worden ist. Er ist auch nicht verpflichtet, eine Mitteilung des Arbeitgebers – etwa per Telefon – entgegenzunehmen oder eine SMS zu lesen. Nimmt er eine Information über eine Dienstplanänderung nicht zur Kenntnis, geht ihm diese erst bei Dienstbeginn zu.
Das LAG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 27.09.2022, Az. 1 Sa 39 öD/22 hierzu weiter:
Beim Lesen einer SMS, mit der der Arbeitgeber sein Direktionsrecht im Hinblick auf Zeit und Ort der Arbeitsausübung konkretisiert, handelt es sich um Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer – hier: Kläger – erbringt mit dem Lesen eine Arbeitsleistung.
Zur im Dienste eines Anderen erbrachten Arbeitsleistung iSv § 611a I BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede im Synallagma vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung aller Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ im Sinne dieser Bestimmungen ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG 18.3.2020 – 5 AZR 36/19, NZA 2020, 868 Rn. 15 mwN).
Danach verlangt die beklagte Arbeitgeberin vom Kl. eine Arbeitsleistung, wenn sie von diesem erwartet, eine dienstliche SMS zu lesen oder sich über Zeit und Ort seiner Arbeitsaufnahme im Internet zu informieren. Denn damit handelt der Kl. ausschließlich zur Befriedigung eines fremden Bedürfnisses, nämlich des Bedürfnisses der Bekl., die ordnungsgemäßen Organisation ihrer Arbeitsabläufe durch eine sachgemäße Personalplanung zu gewährleisten. Dabei setzt die Arbeitsleistung des Kl. in dem Moment ein, indem er eigene Bemühungen anstellen muss (Aufrufen der SMS und Lesen des Inhalts/Einblick in den Dienstplan im Internet). Dagegen ist die bloße Entgegennahme eines Telefonats oder einer mündlichen Weisung zwar möglicherweise ein Verstoß der Bekl. gegen das Recht des Kl. „auf Unerreichbarkeit“ (hierzu: Bayreuther NZA-Beilage 2018, 103 (107) mwN), ändert aber am Zugang der Weisung nichts.
In seiner Freizeit steht dem Kl. dieses Recht auf Unerreichbarkeit zu. Freizeit zeichnet sich gerade dadurch aus, dass Arbeitnehmer/innen in diesem Zeitraum den Arbeitgeber/innen nicht zur Verfügung stehen müssen und selbstbestimmt entscheiden können, wie und wo sie diese Freizeit verbringen. In dieser Zeit müssen sie gerade nicht fremdnützig tätig sein und sind nicht Bestandteil einer fremdbestimmten arbeitsrechtlichen Organisationseinheit und fungieren nicht als Arbeitskraft. Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht (LAG Thüringen 16.5.2018 – 6 Sa 442/17, BeckRS 2018, 14747 Rn. 43). Ob der Kl. einer Weisung, die ihm in seiner Freizeit zur Kenntnis gelangt ist, folgen müsste, braucht hier nicht entschieden zu werden.
Der Einschätzung, dass das Lesen der SMS zur Arbeitszeit des Kl. zu rechnen ist, steht der zeitlich minimale Aufwand, der mit dem Aufrufen und Lesen einer SMS verbunden ist, nicht entgegen. Arbeit wird nicht deswegen zur Freizeit, weil sie nur in zeitlich ganz geringfügigem Umfang anfällt. Das Recht auf Nichterreichbarkeit dient neben der Gewährleistung des Gesundheitsschutzes des Arbeitnehmers durch Gewährleistung ausreichender Ruhezeiten (§ 5 I ArbZG) auch dem Persönlichkeitsschutz (LAG Thüringen 16.5.2018 – 6 Sa 442/17, BeckRS 2018, 14747). Es ist also auch dann zu beachten, wenn – wie hier – die Ruhezeit nach § 5 I ArbZG durch die Arbeitsaufnahme nicht unterbrochen wird, weil diese zum Zeitpunkt der Dienstplanänderung bereits abgelaufen war (zum Meinungsstand hierzu Baeck/Deutsch/Winzer, 4. Aufl. 2020, ArbZG § 5 Rn. 14/14a).
Die beklagte Arbeitgeberin durfte und musste nach der Verkehrsanschauung damit rechnen, dass der Arbeitnehmer die ihm übersandte SMS erst mit Beginn seines Dienstes um 7:30 Uhr zur Kenntnis nahm. Zu diesem Zeitpunkt ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen und dazu gehört auch die in seiner Freizeit bei ihm eingegangenen dienstlichen Nachrichten des Arbeitgebers zur Kenntnis zu nehmen.
Das Urteil des LAG ist noch nicht rechtskräftig; die Revision ist beim BAG unter dem Az. 5 AZR 349/22 anhängig.