Ihr-Recht-Blog

9. Juni 2021

OLG Hamm: Verbraucherbauvertrag auch bei gewerkeweiser Vergabe!

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 24.04.2021, Az. 24 U 198/20 ausgeführt, dass ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1, 1. Alt. BGB auch bei gewerkeweiser Vergabe vorliegen kann, wenn die Beauftragung zeitgleich oder in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Erstellung eines neuen Gebäudes erfolgt, die Erstellung eines neuen Gebäudes für den Unternehmer ersichtlich ist und die Gewerke zum Bau des neuen Gebäudes selbst beitragen.

Nach einer Ansicht ist ein Verbraucherbauvertrag nur dann zu bejahen, wenn sich der Unternehmer zum Bau des gesamten Gebäudes in einem Vertrag verpflichtet (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 1167; Retzlaff, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 650i BGB Rn. 3; Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 650i BGB Rn. 6; Hildebrandt, in: Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B; 5. Auflage 2019; § 650f BGB Rn. 22; Ehrl, DStR 2017, 2395 (2399); Wessel/Schwenker, MDR 2017, 1218 (1219); Omlor, NJW 2018, 817 (818)). Nach der Gegenansicht ist ein Verbraucherbauvertrag auch dann anzunehmen, wenn der Verbraucher das Bauvorhaben in mehrere Bauverträge aufspaltet, die er mit mehreren Unternehmern isoliert abschließt (vgl. Koeble, in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 9 Rn. 121; Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 37; Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/WürdingerPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 20; Vogel, BauR 2020, 388 (394 f.); Motzke, NZBau 2017, 515 (518)).

Hintergrund der gesetzlichen Regelung ist, dass beim Verbraucherbauvertrag eine Risikokumulation für Verbraucher in einem Vertrag besteht (vgl. Mansel, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 18. Auflage 2021, § 650i BGB Rn. 5).

Indes könnte ein sachlicher Grund, warum der Bauherr bei gewerkeweise Vergabe weniger schutzwürdig ist, als der Bauherr, der sein Haus aus einer Hand errichten lässt, schwerlich auszumachen sein (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 37; Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 23), obwohl es erklärtes gesetzgeberisches Ziel war, den Verbraucherschutz bei der Errichtung derartiger Gebäude deutlich zu verbessern (vgl. Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 23) und bei enger Auslegung sich – im Vergleich zum alten Recht – eine Verschlechterung für Verbraucher bei Einzelvergabe ergäbe (vgl. Vogel, BauR 2020, 388 (395)).

Bei gewerkeweiser Vergabe ist der Bauherr gegenüber den Behörden für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften in der Verantwortung und sein finanzielles Risiko ist bei einer Gesamtbetrachtung wohl ebenfalls schutzwürdig, gerade wenn er im Einzelfall aus finanziellen Gründen gezwungen ist, einzelne Gewerke zeitlich gestaffelt und auch an verschiedene Unternehmer zu vergeben (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 37; Koeble, in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 9 Rn. 121; Pause, BauR 2017, 430 (432)).
Zudem mag die Prüfung der finanziellen Rahmenbedingungen durch ein kreditgebendes Institut bei Einzelvergabe strenger erfolgen als im Rahmen der Finanzierung eines Bauvertrages mit einem Generalunternehmer (vgl. Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 23).
Auch im Hinblick auf die strukturelle informationelle Unterlegenheit ist der Bauherr bei Einzelvergabe wohl ebenso schutzwürdig wie ein Verbraucher, der die Bauerrichtung einem Generalunternehmer oder Generalübernehmer überlasst (vgl. Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 23).
Damit aber könnte es wertungswidersprüchlich scheinen, die Einzelvergabe als nicht erfasst anzusehen, wohl aber die Beauftragung eines Generalunternehmers (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/WürdingerPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 20).
Umgekehrt böte sich bei einschränkender Auslegung dem Werkunternehmer die Möglichkeit, durch Aufspaltung eines an sich einheitlichen Werkvertrages in mehrere Einzelgewerksverträge sämtliche Verbraucherschutzvorschriften, insbesondere das Widerrufsrecht, die Baubeschreibungspflicht und den Anspruch auf die Übergabe von Unterlagen, zu umgehen (vgl. Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 25). Der Gefahr, dass Werkunternehmer durch Aufspaltung eines an sich einheitlichen Werkvertrages in mehrere Einzelgewerksverträge sämtliche Verbraucherschutzvorschriften umgehen könnten, könnte zwar mit dem Umgehungsverbot des § 650o Satz 2 BGB begegnet werden (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 37; Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 25). Indes trägt die Beweislast für das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts der Verbraucher (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.04.2021, § 650o BGB Rn. 24).

Ferner erfolgte auch bei einer Einzelvergabe nach Fertigstellung des Bauwerks eine wesentliche Umgestaltung des Grundstücks (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/WürdingerPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 20).

Soweit das finanzielle Risiko betroffen ist, mag das finanzielle Gesamtrisiko auch bei Einzelvergabe dem Risiko bei einer Errichtung "aus einer Hand" gleichkommen, auch wenn das Insolvenzrisiko bei Einzelvergabe aufgeteilt sein dürfte (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/WürdingerPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 20) und der Verbraucher bei Einzelvergabe gegenüber einer Gesamtvergabe in finanzieller Sicht im Vorteil sein könnte, da er unter mehreren Angeboten hinsichtlich jedes einzelnen Gewerks auswählen kann, während der Verbraucher bei Gesamtvergabe auf die Preise der Einzelgewerke keinen oder kaum Einfluss haben kann, so das OLG.

21. September 2016

Architekt und Honorar für Auftragsvermittlung

Geldempfänge des Architekten von Seiten des bauausführenden Unternehmens mögen ungewöhnlich sein, lassen aber für sich gesehen nicht den Schluss zu, sie hätten mit dem Ziel zusammengearbeitet, durch mangelhafte Leistungen dem Bauherrn Schaden zuzufügen. Der BGH hat mit Beschluß vom 13.07.2016, Az. VII ZR 29/14 die gegen das Urteil des Oberlandgerichts Dresden vom 23.12.2013, Az. 9 U 1820/10 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Die Parteien streiten über Inhalt und Umfang eines Architektenvertrages; die Auftraggeber, eine Erbengemeinschaft eines im Jahr 1997 rückübertragenen Anwesens, beabsichtigten insoweit eine Generalsanierung und Umnutzung desselben.

Im Rahmen der Verhandlungen machte der beklagte Architekt die Erbengemeinschaft auf einen Herrn J. als einen aus seiner Sicht geeigneten Generalunternehmer aufmerksam. Mit diesem schloss der Beklagte am 04.02.1998 eine Vereinbarung, ausweislich derer Herr J. und der Beklagte je 5 % aus der Bausumme von 2.100.100,00 DM als Honorar und der Beklagte aus der Erhöhung der Bausumme weitere 50.000,00 DM erhalten sollten.

Am 20.02.1998 schloss die Bauherrengemeinschaft, bestehend aus den Mitgliedern der Erbengemeinschaft V. B. und Dr. U. B., mit dem Planungsbüro J. GmbH (fortan: J. GmbH) einen Generalübernehmervertrag mit dem Ziel der Instandsetzung, der Modernisierung und dem Umbau des Objektes …straße .. in L.. Diesem Generalübernehmervertrag beigefügt waren u.a. von dem Beklagten gefertigte Planskizzen, die den Stempelaufdruck "Büro für Architektur und Stadtplanung, Dipl. Ing. Reg.-Baumeister … …" tragen.

In der Folge wurden Mängel an der Leistung des Generalunternehmers geltend gemacht, die der beklagte Architekt hätte erkennen müssen. Die Klägerin hat ferner behauptet, der Beklagte habe die nach Baufortschritt von der J. GmbH gelegten Rechnungen zur Zahlung frei gegeben bzw der Erbengemeinschaft nicht von der Bezahlung abgeraten, obwohl er bei entsprechender Prüfung unschwer hätte erkennen können, dass nicht Bauleistungen i.H.v. 1.940.946,00 DM, sondern nur i.H.v. 1.769.357,00 DM erbracht gewesen seien. Dadurch sei die J. GmbH in Höhe eines Betrages von 171.589,00 DM überzahlt worden. Darüber hinaus hat sie behauptet, dass der Beklagte die ihm obliegende Planung mangelhaft aus- und keine Bestandsaufnahme durchgeführt, keine Untersuchungen auf Hausschwamm und andere Schädlinge veranlasst und fehlerhaft zunächst keine Baugenehmigung für notwendig erachtet habe.

U. a. hat die Klägerin erklärt, von dem Beklagten auch die Rückzahlung der ihm von Herrn J. aufgrund der Vereinbarung vom 04.02.1998 überlassenen Geldbeträge i.H.v. insgesamt 79.250,24 EUR verlangen zu wollen.

Die Klage wurde nach Beweiserhebung u. a durch Einholung von Sachverständigengutachten teilweise zugesprochen; soweit Ansprüche auf deliktsrechtliche Anspruchsnormen wegen Eigentums- und Vermögensschäden durch kollusives Zusammenwirken des Beklagten mit Herrn J. gestützt wurden, wurde die Klage abgewiesen.

Zwar könne ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen der Beschädigung fremden Eigentums grundsätzlich auch dann bestehen, wenn die verletzende Handlung oder Unterlassung im Rahmen eines Vertragsverhältnisses erfolgt ist und sich aus diesem Ansprüche auf Schadloshaltung ergeben (BGH, Urteil vom 24.11.1976, Az.: VIII ZR 137/75). So hat der Bundesgerichtshof wiederholt eine Eigentumsverletzung durch eine fehlerhafte Planung oder Bauüberwachung des Architekten oder Ingenieurs für möglich gehalten (BGH, Urteil vom 09.03.2004, Az.: X ZR 67/01). Dies gilt indes nur, wenn der geltend gemachte Schaden nicht den auf der Mangelhaftigkeit beruhenden Unwert der Sache für das Nutzungs- und Äquivalenzinteresses des Eigentümers ausdrückt. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB besteht daher grundsätzlich dann nicht, soweit mit dem Schadensersatzanspruch allein die Kosten für die Beseitigung des Mangels der in Auftrag gegebenen Bauleistung geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 27.01.2004, Az.: VII ZR 158/03).

So liege der Fall hier. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung einen Anspruch auf Ersatz der Kosten weiter, die für die Beseitigung zweier von ihr im einzelnen näher bezeichneten Mängel notwendig werden sollen. Damit ist der geltend gemachte Schaden deckungsgleich mit dem angeblichen Mangelunwert der Architektenleistung des Beklagten mit der Folge, dass der Klägerin gegen den Beklagten deretwegen keine deliktischen Schadensersatzansprüche zustehen können.

Für einen aus § 826 BGB abgeleiteten Anspruch mit Blick auf das behauptete kollusive Zusammenwirken des Beklagten mit der Fa. J. fehlt es an belastbaren Tatsachen. Geldempfänge des Beklagten von Seiten des bauausführenden Unternehmens mögen ungewöhnlich sein, lassen aber für sich gesehen nicht den Schluss zu, sie hätten mit dem Ziele zusammengearbeitet, durch mangelhafte Leistungen der Erbengemeinschaft Schaden zuzufügen.

30. April 2015

Aktuell: Gesteigerte Überwachungspflichten des Architekten als Generalunternehmer!

Verpflichtet sich ein Architekt zur schlüsselfertigen Erstellung eines Hausanwesens und übernimmt er dabei die Bauleitung für alle in Auftrag gegebenen Bauleistungen, obliegt ihm nicht nur die übliche Objektüberwachung, sondern er ist auch verpflichtet, die Arbeiten gezielt zu überwachen und zu koordinieren, um zu erreichen, dass das Bauwerk frei von Mängeln und wie geplant durchgeführt wird. Er muss solchen Baumaßnahmen besondere Aufmerksamkeit widmen, bei denen sich im Verlaufe der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben. Er darf sich in einem solchen Fall nicht auf gelegentliche Baustellenbesuche beschränken, sondern muss die Überwachung der Bauleistungen regelmäßig und in angemessener, jedoch zumutbarer Weise vornehmen. Dabei hat er sich durch häufigere Kontrollen zu vergewissern, ob seinen Anweisungen auch sachgerecht gefolgt wird.

Hierauf hat das OLG Saarbrücken mit Urteil vom 21.01.2015, Az. 2 U 5/14 hingewiesen.

Insbesondere werde, so das OLG, die Überwachungspflicht eines Architekten nicht dadurch gemindert, dass er einen Teil der Arbeiten nicht selbst vergeben hat (BGH, BauR 1978, 17; BauR 1994, 392; BauR 2000, 1513; Werner in: Werner/ Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rdnr. 2011 ff/ 2014, m.w.N.; Koeble in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 12. Teil, Rdnr. 734 ff, m.w.N.). Erhöhte Aufmerksamkeit sei von einem Architekten auch dann zu erwarten, wenn die Arbeiten nicht nach seiner eigenen Planung, sondern nach den Vorgaben Dritter ausgeführt werden, oder der Bauherr eigenmächtig von den planerischen Vorgaben abweicht (Werner, aaO, Rdnr. 2015, 2017, 2022, j.m.w.N.).

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