Es ist umstritten, ob Feststellungen zur Minderungshöhe einer Miete Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 ZPO sein können (verneinend: LG Berlin, MDR 1991, 444; LG Saarbrücken, WuM 1992, 144, 145; LG Hamburg, Beschluss vom 27. Juli 2011, Az. 333 T 43/11, BeckRS 2012, 8455). Begründet wird die ablehnende Meinung damit, dass die Beurteilung, in welchem Umfang die Miete aufgrund eines Mangels der Mietsache gemäß § 536 BGB gemindert sei, eine Rechtsfrage darstelle, deren Beantwortung dem Gericht obliege.
KG, NJW-RR 2000, 513; BeckOK ZPO/Kratz [1.3.2021], § 485 Rn. 37; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 485 Rn. 27; Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 4. Aufl., § 485 Rn. 46; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 485 Rn. 9; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 14. Aufl., § 536 BGB Rn. 520; Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl., § 536 BGB Rn. 66d; Bub/Treier/ Fischer/Günter, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap. XI Rn. 217; Guhling/Günter/Nober, Gewerberaummiete, 2. Aufl., Kap. 5 Rn. 14; Scholl, NZM 1999, 108, 109 vertreten dagegen die Auffassung, wonach § 485 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit eröffne, in einem selbständigen Beweisverfahren auch die Höhe der Mietminderung durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen.
Dem hat sich jetzt das OLG Saarbrücken mit Beschluss vom 05.05.2021, Az. 2 W 11/21 angeschlossen.
Nach Ansicht des OLG Saarbrücken stehe der Wortlaut des § 485 Abs. 2 ZPO einer Beweiserhebung nicht entgegen. Feststellungen zur Höhe der Minderung betreffen den Zustand bzw. den Wert einer Sache im Sinne von § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die Höhe der Mietminderung knüpft unmittelbar an den Zustand der Mieträume an (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. Januar 2017 – 12 W 34/16, BeckRS 2017, 102285 Rn. 9), auf deren Wert sie sich zudem – jedenfalls mittelbar – auswirkt. Daneben ist die Bestimmung der Mietminderung zumindest im weiteren Sinne dem Bereich der Schadensfeststellung gemäß § 485 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO zuzuordnen (KG, aaO).
Auch der Normzweck spreche für die Zulässigkeit einer Begutachtung der Minderungshöhe, so das OLG. § 485 Abs. 2 ZPO stellt eine Sonderregelung für die Fälle dar, in denen ein selbständiges Beweisverfahren unabhängig vom drohenden Verlust eines Beweismittels zweckmäßig erscheint, weil es eine vorprozessuale Einigung der Parteien erleichtert (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009, Az. VI ZB 53/08, NJW-RR 2010, 946 Rn. 6). Voraussetzung für die Beweiserhebung ist, dass einer der in § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO genannten Fälle vorliegt und dass der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der zu treffenden Feststellung hat. Der Begriff des rechtlichen Interesses ist dabei weit zu fassen (BGH, Beschluss vom 14. März 2018, Az. V ZB 131/17, NJW 2018, 1749 Rn. 11; Beschluss vom 20. Oktober 2009, Az. VI ZB 53/08, aaO; Beschluss vom 16. September 2004, Az. III ZB 33/04, NJW 2004, 3488 Rn. 2). § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO bestimmt ergänzend, dass ein rechtliches Interesse anzunehmen ist, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Dies wird bei gutachterlichen Feststellungen zur Höhe der Mietminderung nicht selten der Fall sein, sofern es den Parteien gelingt, auf der Grundlage des Gutachtens einvernehmlich einen bestimmten Minderungsbetrag festzulegen (vgl. hierzu auch OLG Hamm, NJW-RR 2002, 1674).
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