Ihr-Recht-Blog

8. Juni 2022

beA: „Rechtsanwalt“ nicht ausreichend!

Ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichts ging dem Prozessbevollmächtigten des – unterlegenen -Klägers ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 30.12.2021 am selben Tag zu. Die Berufungsschrift ist dem Oberlandesgericht Hamm aus einem besonderen Anwaltspostfach am 27.01.2022 übermittelt worden. Das Dokument ist nicht qualifiziert signiert. Es schließt mit der Bezeichnung „Rechtsanwalt“; ein konkreter Name wird nicht genannt.

Der Berufungsschriftsatz ging am Montag, den 31.01.2022 auf der Geschäftsstelle des zuständigen 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm ein und wurde dem Vorsitzenden des Senats am 01.02.2022 zur weiteren Bearbeitung vorgelegt.

Mit Verfügung vom 04.02.2022 wies die zuständige Berichterstatterin den Kläger darauf hin, dass die Berufungsschrift nicht den Anforderungen i.S.v. §§ 519 Abs. 4, 130, 130a ZPO entsprechen dürfte. Denn es habe mindestens einer einfachen Signatur bedurft, von der vorliegend mangels abschließender Namenswiedergabe nicht auszugehen sei.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass ihm im Hinblick auf die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Die Versäumung der Frist aufgrund fehlender einfacher Signatur sei unverschuldet.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung blieb ohne Erfolg, so das OLG Hamm mit Beschluss vom 28.04.2022, Az. 30 U 32/22.

Die als elektronisches Dokument eingegangene Berufungsschrift hätte jedenfalls einer einfachen Signatur bedurft, die jedoch vorliegend nicht vorhanden war. Denn eine einfache Signatur i.S.v. § 130a Abs. 3 S. 1 2. Alt. ZPO meint die Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift (vgl. BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.09.2021 – 17 W 13/21 – Rn. 13 f.). Eine solche ist in der Berufungsschrift vom 27.01.2022 indes nicht vorhanden. Dort ist lediglich das Wort „Rechtsanwalt“ aufgeführt.

Es kann auch nicht aufgrund sonstiger Umstände von einer ordnungsgemäßen Berufungseinlegung ausgegangen werden, so das OLG weiter. Zwar kann die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unterschrift i.S.v. § 130 Nr. 6 ZPO, wonach das Fehlen einer Unterschrift unschädlich sein kann, wenn auch ohne die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten aufgrund anderer, eine Beweisaufnahme nicht erfordernder Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 09.12.2010 – IX ZB 60/10, BeckRS 2011, 117, Rn. 5), auch auf die Fälle übertragen werden, wenn eine einfache Signatur nicht erfolgt ist (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 19; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 19 f.). Solche besonderen Begleitumstände sind jedoch vorliegend nicht erkennbar.

Die Nennung des Nachnamens im Kopf der Berufungsschrift ist insoweit nicht ausreichend. Denn sie trifft keine Aussage darüber, wer für den sodann folgenden Inhalt der Berufungsschrift auch die Verantwortung übernehmen will (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 20). Ferner lässt sich auch aus dem Umstand der Versendung aus dem Postfach eines im Kopf der Berufungsschrift genannten Rechtsanwalts nicht zweifelsfrei feststellen, dass dieser die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat. Denn aufgrund der fehlenden einfachen Signatur lässt sich gerade nicht feststellen, ob die als Absender ausgewiesene Person identisch mit der den Inhalt des Schriftsatzes verantwortenden Person ist (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 20)

Der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 10.02.2022 gemäß § 236 ZPO ist zwar zulässig, aber unbegründet, weil die Fristversäumung auf einem dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Anwaltsverschulden beruht (§ 233 S. 1 ZPO).

Insoweit kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass die Angestellte des Prozessbevollmächtigten des Klägers von diesem beauftragt worden ist, einen Berufungsschriftsatz bis zur Versendungsreife vorzubereiten. Denn es gehört zu den Aufgaben eines Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Dabei gehört die Erstellung fristwahrender Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründungen zu den Aufgaben, die ein Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit selbst sorgfältig zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2022 – VI ZB 78/21, BeckRS 2022, 7011, Rn. 9). Nichts anderes kann im elektronischen Rechtsverkehr für die elektronische Signatur gelten. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Signierung eines elektronischen Dokuments entsprechen daher ebenso denen bei der Leistung einer Unterschrift wie sie bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 11).

Ausgehend hiervon hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers sorgfaltswidrig gehandelt.

Ob seine Angestellte zuverlässig sowie besonders geschult war und sie erstmalig und einmalig entgegen der Weisung des Prozessbevollmächtigten des Klägers anstelle dessen Namen lediglich das Wort „Rechtsanwalt“ eingefügt hat, ist insoweit irrelevant. Denn es oblag dem Prozessbevollmächtigten selber, den Schriftsatz dahingehend zu überprüfen, ob sein Namenszusatz unterhalb des Schriftsatzes vorhanden ist, bevor er diesen an das Gericht übersandt hat.

Schließlich hatte auch das Vorbringen des Klägers, das Gericht habe vor Ablauf der Berufungseinlegungsfrist auf das Fehlen der einfachen Signatur hinweisen müssen, keinen Erfolg.

Zwar kann der Anspruch auf ein faires Verfahren eine gerichtliche Hinweispflicht auslösen, wenn ein Rechtsmittel nicht in der vorgesehenen Form übermittelt worden ist. Insoweit kann eine Partei erwarten, dass dieser Vorgang in angemessener Zeit bemerkt wird und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumnis zu vermeiden. Kann der Hinweis im Rahmen ordnungsgemäßen Geschäftsgangs nicht mehr so rechtzeitig erteilt werden, dass die Frist durch die erneute Übermittlung des fristgebundenen Schriftsatzes noch gewahrt werden kann, oder geht trotz rechtzeitig erteilten Hinweises der formwahrende Schriftsatz erst nach Fristablauf ein, scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein aus diesem Grund aus. Aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte und dem Anspruch auf ein faires Verfahren folgt keine generelle Verpflichtung der Gerichte dazu, die Formalien eines als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsatzes sofort zu prüfen, um erforderlichenfalls sofort durch entsprechende Hinweise auf die Behebung formeller Mängel hinzuwirken. Dies nähme den Verfahrensbeteiligten und ihren Bevollmächtigten ihre eigene Verantwortung dafür, die Formalien einzuhalten. Die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, kann sich nicht nur am Interesse der Rechtssuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern hat auch zu berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss (vgl. BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476, Rn. 27; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18.10.2017 – LwZB 1/17, NJW 2018, 165, Rn. 11).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist nicht von der Verletzung einer gerichtlichen Hinweispflicht auszugehen. Hierbei übersieht der Senat nicht, dass grundsätzlich eine gerichtliche Fürsorgepflicht anzunehmen ist, eine Prozesspartei auf einen leicht erkennbaren Formmangel – wie die fehlende Unterschrift in einem bestimmenden Schriftsatz – hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben (vgl. BAG, a.a.O.; BGH, Beschluss vom 14.10.2008 – VI ZB 37/08, NJW-RR 2009, 564, Rn. 10). Die am 27.01.2022 bei dem Oberlandesgericht Hamm eingegangene Berufungsschrift ging am Montag, den 31.01.2022 auf der Geschäftsstelle des zuständigen 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm ein und wurde dem Vorsitzenden des Senats am 01.02.2022 zur weiteren Bearbeitung vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt war die Rechtsmittelfrist aber schon abgelaufen, so dass ein Hinweis ihre Einhaltung nicht mehr hätte erreichen können.

Insoweit kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, der Schriftsatz hätte dem zuständigen Senat eher vorgelegt werden müssen. Denn der Ablauf entspricht dem eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs und für eine rechtliche Prüfung der gesetzlichen Anforderungen des Schriftsatzes ist ausschließlich der nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts zuständige Senat berufen. Auch der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine anderweitige Wertung nicht zu entnehmen. Denn diese stellt gerade auf die richterliche Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ab.

25. September 2020

BArbG zur Hinweispflicht des Gerichtes bei unwirksamen beA-Versand

Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.

Das BArbG stützt seine mit  Beschluss vom 05.06.2020, Az. 10 AZN 53/20 dargelegte Ansicht auf die Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift, woraus sich ergebe, dass § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 Nr. 2 ZPO einschränkend auszulegen ist. Ein elektronisches Dokument, das aus einem beA versandt wird und nicht mit einer qeS versehen ist, ist nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.

In systematischer Hinsicht steht der sichere Übermittlungsweg bei einer Signatur durch die verantwortende Person gleichrangig neben der qeS (Müller NZA 2019, 1682, 1683). Die qualifizierte elektronische Signatur tritt ihrerseits an die Stelle der eigenhändigen Unterschrift iSd. § 130 Nr. 6 ZPO. Neben den sonstigen Funktionen der Unterschrift soll sie auch gewährleisten, dass das elektronische Dokument nicht spurenlos manipuliert werden kann (Perpetuierungs- oder Integritätsfunktion, vgl. BT-Drs. 14/4987 S. 24; BGH 14. Mai 2013 – VI ZB 7/13 – Rn. 9 mwN, BGHZ 197, 209). Diese Funktionen sollen auch bei einer einfachen Signatur und einem sicheren Übermittlungsweg garantiert werden. Zum Ausdruck kommt dieser Aspekt in den sonstigen bundeseinheitlichen Übermittlungswegen nach § 130a Abs. 4 Nr. 4 ZPO. Sie sind nur dann als sichere Übermittlungswege anzusehen, wenn die Authentizität und Integrität der Daten gewährleistet sind. Der Gleichrang von qeS und sicherem Übermittlungsweg bei einfacher Signatur ergibt sich auch aus der Entwurfsbegründung. Auf S. 25 heißt es dort, dass die das Dokument verantwortende Person das elektronische Dokument mit einer qeS nach dem Signaturgesetz versehen oder einen sicheren Übermittlungsweg nutzen muss (BT-Drs. 17/12634 S. 25). Beide Pflichten richten sich an die verantwortende Person.

Allerdings kann aufgrund der gerichtlichen Fürsorgepflicht ein gerichtlicher Hinweis geboten sein, wenn eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht in der vorgesehenen Form übermittelt worden ist. Eine Partei kann erwarten, dass dieser Vorgang in angemessener Zeit bemerkt wird und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumnis zu vermeiden. Unterbleibt ein gebotener Hinweis, ist der Partei Wiedereinsetzung zu bewilligen, wenn er bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang so rechtzeitig hätte erfolgen müssen, dass es der Partei noch möglich gewesen wäre, die Frist zu wahren. Kann der Hinweis im Rahmen ordnungsgemäßen Geschäftsgangs nicht mehr so rechtzeitig erteilt werden, dass die Frist durch die erneute Übermittlung des fristgebundenen Schriftsatzes noch gewahrt werden kann, oder geht trotz rechtzeitig erteilten Hinweises der formwahrende Schriftsatz erst nach Fristablauf ein, scheidet eine Wiedereinsetzung allein aus diesem Grund dagegen aus. Aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte folgt keine generelle Verpflichtung dazu, die Formalien eines als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsatzes sofort zu prüfen. Dies nähme den Verfahrensbeteiligten und ihren Bevollmächtigten ihre eigene Verantwortung dafür, die Formalien einzuhalten. Eine solche Pflicht überspannte die Anforderungen an die Grundsätze des fairen Verfahrens (vgl. BVerfG 17. Januar 2006 – 1 BvR 2558/05 – Rn. 10; 3. Januar 2001 – 1 BvR 2147/00 – zu II 2 der Gründe; BAG 15. August 2018 – 2 AZN 269/18 – Rn. 11, BAGE 163, 234; 22. August 2017 – 10 AZB 46/17 – Rn. 16; BGH 18. Oktober 2017 – LwZB 1/17 – Rn. 11). Die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, kann sich nicht nur am Interesse der Rechtsuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern hat auch zu berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss (BGH 20. April 2011 – VII ZB 78/09 – Rn. 12).

5. Oktober 2018

OLG Düsseldorf zur Hinweispflicht des Sachverständigen auf Kostenüberschreitung

Überschreitet die vom Sachverständigen begehrte Vergütung den Auslagenvorschuss um mehr als 20% und hat der Sachverständige auf die Überschreitung nicht rechtzeitig hingewiesen, so ist die Vergütung mit dem Betrag des Vorschusses zu kappen. Zu berücksichtigen sind insoweit auch die notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte. Auch diese sind Bestandteil der Vergütung des Sachverständigen i.S.d. § 8a Abs. 4 JVEG.

Hierauf hat das OLG Düsseldorf mit  Beschluss vom 06.02.2018, Az. 10 W 22/18 hingewiesen und darauf abgestellt, dass die frühere Rechtsprechung, nach der die Kürzung der Vergütung des Sachverständigen unterblieb, wenn davon auszugehen war, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gekommen wäre, durch die gesetzliche Neuregelung des § 8a Abs. 4 JVEG überholt ist.

12. September 2018

OLG Schleswig zur Hinweispflicht des Auftragnehmers auf fehlende Sachkunde

Die Hinweispflicht des Auftragnehmers bezieht sich nicht nur auf die Vorgaben des Auftraggebers sowie die Vorgewerke und die vom Auftraggeber bauseitig gestellten Materialien, der Auftragnehmer muss ebenfalls darauf hinweisen, soweit er sich, seiner Prüfungspflicht nachzukommen. (OLG Schleswig, Urteil vom 27.06.2018, Az. 12 U 13/18).

Die Grenzen der Prüfungs- und Hinweispflicht ergeben sich aus dem Grundsatz der Zumutbarkeit, was jeweils unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist. Dabei bestimmen sich die Anforderungen u.a. nach dem vom Unternehmer zu erwartenden Fachwissen, nach seiner Kenntnis vom Informationsstand des Vorunternehmers und überhaupt durch sämtliche Umstände, die bei hinreichend sorgfältiger Prüfung als bedeutsam angesehen werden können (OLG Schleswig a. a.O. unter Hinweis auf OLG Zweibrücken, Beschluss vom 20.07.2015, Az. 6 U 7/14, IBR 2017, 492).

Die Erfüllung der Pflicht schafft einen Befreiungstatbestand, für den der Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast trägt, so das OLG.

1. August 2016

Hinweispflicht des Heizungsbauers auf erforderliche Wärmedämmung!

Der mit der Erneuerung einer Heizungsanlage beauftragte Werkunternehmer hat den Auftraggeber darüber aufzuklären, dass die angebotene Anlage angesichts der baulichen Gegebenheiten nur dann wirtschaftlich betrieben werden kann, wenn umfangreiche und kostenintensive Wärmeschutzmaßnahmen an dem Gebäude durchgeführt werden. Verletzt der Unternehmer die ihm obliegenden Aufklärungspflichten, kann der Auftraggeber den Vertrag rückabwickeln und ist nicht zur Zahlung des vereinbarten Werklohns verpflichtet.

Der BGH hat mit Beschluss vom 13.07.2016, Az. VII ZR 305/13 die Zulassungsbeschwerde gegen die entsprechende Entscheidung des OLG Oldenburg, vom 09.10.2013, Az. 3 U 5/13 zurückgewiesen.

Prüf- und Hinweispflichten namentlich des Verkäufers und des Werkunternehmers haben ihren Grund in seinem gegenüber dem Interessenten größeren Fachwissen, auf das der Besteller einer Leistung in der Regel setzt und dessen Einsatz zu seinen Gunsten er nach Treu und Glauben erwarten darf. Dabei wird der Umfang der Aufklärungs- und Prüfungspflichten maßgeblich einerseits durch den Beratungsbedarf des Auftraggebers und andererseits durch das Fachwissen des Unternehmers bestimmt.
Diese Pflichten bestanden vorliegend dahingehend, dass der beklagte Werkunternehmer gehalten war, den Auftraggeber darüber aufzuklären, dass die angebotene Anlage angesichts der baulichen Gegebenheiten in dem Wohnhaus des Auftraggebers nur dann wirtschaftlich oder gar wirtschaftlicher als die vorhandene Anlage betrieben werden könnte, wenn umfangreiche und kostenintensive Wärmeschutzmaßnahmen an dem Gebäude durchgeführt werden. Diese Verpflichtung hat der Beklagte nicht erfüllt.

Der Beklagte hat den Auftraggeber vielmehr einseitig und falsch dahin beraten, dass der bloße Austausch der vorhandenen Heizungsanlage gegen die Wärmepumpe möglich sei, so der Senat.

15. Juli 2016

OLG Düsseldorf: Prüfungs- und Hinweispflicht besteht bei allen Bauverträgen!

Auch im BGB-Bauvertrag haftet der Unternehmer nicht für einen Mangel, wenn dieser auf der Vorleistung eines anderen Unternehmers, auf der fehlerhaften Beschaffenheit des vom Auftraggeber gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffs oder auf Anweisungen des Auftraggebers zurückzuführen ist und der Unternehmer seiner Prüfungs- und Hinweispflicht nachgekommen ist. Der BGH hat nunmehr mit Beschluß vom 28.01.2016, Az. VII ZR 206/13 die gegen das Urteil des OLG Düsseldorf vom 18.07.2013, Az. 5 U 142/12 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Der Kläger begehrte u.a. im Wege des Schadensersatzes die Rückzahlung bereits an den Beklagten gezahlten Werklohns. Er hatte den Beklagten beauftragt, eine Gussasphaltdecke auf den Betonboden seines Garagenhofs aufzubringen. Im Anschluss an diese Arbeiten bildeten sich Blasen auf der Gussasphaltfläche. Die Schadensursache lag war die Verdichtung des Bodengemisches unter den Betonplatten, auf die der Asphalt aufgebracht wurde, in einer Weise, daß es nicht als kapillarbrechende Schicht geeignet war. Daher konnte Feuchtigkeit aus dem Untergrund oder aus Rand- und Arbeitsfugen nicht abgeführt werden. Diese war unter der dampfdichten Gussasphalt-Deckschicht eingeschlossen.

Die VOB/B war nicht wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden.

Grundsätzlich mag Gussasphalt zum Ausgleich einer solchen Betonfläche wie der Hoffläche des Klägers geeignet sein, so das OLG. Vorliegend ließ aber der Untergrund der Betonfläche einen solchen Asphaltbelag nicht zu, was die Verlegearbeiten insgesamt mangelhaft i.S.v. § 633 Abs. 2 BGB macht. Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll. Daher entspricht ein Werk nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn es nicht die vereinbarte Funktionstauglichkeit aufweist (BGH BauR 2008, 344 ff).

Der Beklagte habe seiner Prüfungs- und Hinweispflicht nicht genügt, so das OLG. Anders als in § 13 Abs. 3 VOB/B enthält das BGB-Werkvertragsrecht zwar keine ausdrückliche Regelung über die Befreiung des Auftragnehmers von seiner Haftung. Über § 242 BGB werden jedoch Ausnahmen von der Mängelhaftung angenommen, wenn z.B. der Mangel auf der Vorleistung eines anderen Unternehmers, auf der fehlerhaften Beschaffenheit des von dem Auftraggeber gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffs oder auf Anweisungen des Auftraggebers zurückzuführen ist.

Nach Ansicht des OLG trifft den Beklagten eine umfassende Pflicht, den nicht fachkundigen Kläger über Eignung und die Risiken des von ihm begehrten Gussasphaltbelags aufzuklären. Insbesondere hätte er darauf hinweisen müssen, dass bei einer Gussasphaltschicht ein drainagefähiger Unterbau notwendig ist, er den Untergrund unter der Betonoberfläche nicht kennt und deshalb die Feuchtigkeitsproblematik nicht abschließend beurteilten könne. Er hätte dem Kläger seine Bedenken mitteilen müssen, dass vom Untergrund unterhalb der Betonflächen aufsteigende Feuchtigkeit von dem Gussasphalt umschlossen werden und unter Sonneneinfluss zu einer Blasenbildung des Asphalts führen kann. Aufgrund diese Hinweise hätte der Kläger die Wahl gehabt, den Untergrund auf seine Eignung untersuchen zu lassen, eine andere Belegung des Hofs auszuwählen oder unter Verzicht auf eingehende Untersuchungen das Risiko von Blasen einzugehen.

25. September 2013

OLG Frankfurt: Unkenntnis des Unternehmers und Hinweispflicht

Filed under: Bau- und Architektenrecht — Schlagwörter: , , , , , — ihrrecht @ 13:17

Die Unkenntnis des Unternehmers ändert nichts an seiner Hinweispflicht. Dabei treffen ein spezialisiertes Fachunternehmen grundsätzlich auch gegenüber einem fachkundigen Besteller Prüf- und Hinweispflichten (OLG Frankfurt, Urteil vom 01.08.2013, Az. 15 U 163/12).

Nach Ansicht des Senates ist, wenn in einem Fachaufsatz die Ansicht vertreten wird, dass die marktübliche Verwendung von sauren Reinigern zu einem chemischen Abbau der Zementverfugung führt, ein Fachunternehmer dazu verpflichtet, dem Besteller einen entsprechenden Hinweis zu erteilen. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Unternehmer tatsächlich Kenntnis von dem Fachaufsatz hatte. Wer die Herstellung eines Werks als Unternehmer übernimmt, bringe damit zum Ausdruck, die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu besitzen. Soweit nicht besondere Umstände dagegen sprechen, kann der Auftraggeber daher von ihrem Vorhandensein ausgehen, so dass insoweit – wie auch sonst – ein objektiver, durch den Gegenstand des Vertrags bestimmter Maßstab zugrunde zu legen ist (vgl. BGH, Urteil vom 02.11.1995 – X ZR 81/93, NJW-RR 1996, 789, 791).

28. August 2013

BGH: Bauherr und Baugrundrisiko

Der mit der Grundlagenermittlung beauftragte Architekt muss mit dem Auftraggeber erörtern, ob dieser trotz ihm bekannter risikoreicher Bodenverhältnisse – hier: unzureichende Standsicherheit des Bauvorhabens wegen der Lage an einem abbruchgefährdeten Steilhang – an dem Bauvorhaben festhalten will. Unterlässt der Architekt die gebotene Erörterung, ist er beweispflichtig dafür, dass der Auftraggeber an dem Bauvorhaben festgehalten hätte, wenn ihm die Gefährdung in ihrer ganzen Tragweite bewusst gemacht worden wäre.  Diese Grundsätze gelten auch für den Tragwerksplaner, weil auch er im Rahmen der von ihm vertraglich übernommenen Grundlagenermittlung standortbezogene Einflüsse unter Berücksichtigung der Bodenverhältnisse in Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber klären muss. Muss sich dem Auftraggeber aufgrund eigener Kenntnis tatsächlicher Umstände aufdrängen, dass die Planung des Architekten sowie die Statik des Tragwerksplaners eine bestimmte Gefahrenlage in Kauf nehmen, verstößt der Auftraggeber regelmäßig gegen die in seinem eigenen Interesse bestehende Obliegenheit, sich selbst vor Schaden zu bewahren, wenn er die Augen vor der Gefahrenlage verschließt  und das Bauvorhaben durchführt (BGH, Urteil vom 20.06.2013, Az. VII ZR 4/12).

In dem vom BGH entschiedenen Fall war der Bauherr Eigentümer eines Bestandsgebäudes sowie weiterer unbebauter Grundstücke an der Steilküste von Rügen. Er beauftragte den Architekten und den Tragwerksplaner, die Altbausanierung und die Errichtung von Neubauten zu planen. In einem zuvor von der Gemeinde eingeholten Baugrundgutachten heißt es zusammenfassend: "Somit ist festzustellen, dass nach den Ergebnissen der durchgeführten Berechnungen der Steilhang(…) als nicht standsicher zu betrachten ist." Die in der Baugenehmigung verlangten Baugrundaufschlüsse werden nicht durchgeführt. Kurz nach Beendigung der Bauarbeiten brach ein großer Abschnitt der Steilküste weg. Das Bestandsgebäude ist nicht mehr bewohnbar.

Für den Nachweis einer eventuellen Mitverantwortung des Bauherrn hat der BGH dem Berufungsgericht, an welches die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen wurde, enge Vorgaben gemacht. Das Berufungsgericht wird im Hinblick auf die von den Beklagten verletzte Erörterungs- und Beratungspflicht in erster Linie festzustellen haben, ob der Bauherr auch bei pflichtgemäßer Erörterung der Gefährdungslage an dem Bauvorhaben festgehalten hätte. Im Rahmen der Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten ist dabei zu beachten, dass der Bauherr tatsächliche Umstände, aus denen sich das Vorhandensein des Risikos ergab, kannte. Die 1997 und 1998 eingeholten Baugrundgutachten und die 1999 abgelehnte Bauvoranfrage stellen gleichzeitig gewichtige objektive Indizien dafür dar, dass der Bauherr nach Ansicht des BGH auch die Tragweite der Gefahrenlage subjektiv ermessen konnte. Soweit es bei der Frage, ob dem Bauherrn das Risiko in seiner ganzen Tragweite bewusst war, auf innere Einschätzungen ankommt, wird, so der BGH, zu beachten sein, dass dem Prozessgegner eine so genannte sekundäre Darlegungslast obliegt, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner zumutbar nähere Angaben machen kann. Die Beklagten müssen insoweit lediglich spezifizierten Vortrag der Klägerin ausräumen, so der BGH.

23. September 2010

Aktuell: BGH: Abweichende Rechtsauffassung auch ohne Hinweis!

Ein Berufungsgericht muss grundsätzlich keinen Hinweis darauf erteilen, dass es von der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts abweichen will, wenn die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts als zentraler Streitpunkt zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wird und die betroffene Partei deshalb von der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht überrascht wird. Dies hat der BGH in einer jetzt publizierten Entscheidung ausgeführt (BGH, Urteil vom 19.08.2010, II ZR 113/09).

Ein Berufungsgericht, so der BGH,  müsse eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf hinweisen, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH, Beschluss vom 15. März 2006 – IV ZR 32/05, NJW-RR 2006, 937; Urteil vom 16. Mai 2002 – VII ZR 197/01, BauR 2002, 1432 = ZfBR 2002, 678; Urteil vom 27. April 1994 – XII ZR 16/93, WM 1994, 1823, 1824;). Diese Voraussetzungen liegen regelmäßig nicht vor, wenn eine Partei in erster Instanz obsiegt hat, die dem zugrunde liegende Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts als zentraler Streitpunkt zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wird, und das Berufungsgericht sich sodann der Auffassung des Berufungsklägers anschließt. Denn in diesem Fall müsse die in erster Instanz erfolgreiche Partei von vornherein damit rechnen, dass das Berufungsgericht anderer Auffassung ist; seine dementsprechende Entscheidung kann nach Ansicht des BGH im Grundsatz nicht überraschend sein.

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