Ihr-Recht-Blog

2. Mai 2023

Zur Rückforderung von Mieten durch Mieter im Sozialleistungsbezug

Jegliche Forderung eines Beziehers von Sozialleistungen aus einem Mietverhältnis, die während des Bezugs von Sozialleistungen fällig wird, geht nach § 33 Abs. 1 SGB II auf den zuständigen Leistungsträger über, soweit sie im Falle ihrer pünktlichen Erfüllung gemäß § 22 Abs. 3 SGB II den Leistungsbezug des Folgemonats gemindert hätte. Für einen im Leistungsbezug stehenden Mieter bedeutet dies, dass er Ansprüche auf Rückzahlung rechtsgrundlos geleisteter Miete – beispielsweise wegen unter Verstoß gegen die „Mietpreisbremse“ nach §§ 556d ff. BGB überhöhter Mietforderungen oder wegen Eintritt eines Mangels, der nach § 536 BGB zur Minderung der Miete führt – nur dann im eigenen Namen geltend machen kann, wenn ihm der Leistungsträger die Forderungen nach § 33 Abs. 4 SGB II rücküberträgt.

Entsprechend hat das LG Berlin mit Urteil vom 19.04.202, Az. 64 S 190/21 (im Anschluss an LG Hamburg, Urteil vom 31.03.2022 – 333 S 17/21, und LG Hamburg, Urteil vom 31.05.2016 – 316 S 81/15, IMRRS 2016, 1287 = GE 2016, 917 ff.) die Klage eines Mieters auf anteilige Rückzahlung der im Zeitraum September 2018 bis Juni 2020 geleisteten Miete zurückgewiesen.

Der Kläger machte geltend, die Miete sei sittenwidrig überhöht gewesen, er beruft sich außerdem auf einen Verstoß gegen die „Mietpreisbremse“ gemäß §§ 556d ff. BGB und meint, die Miete sei im Zeitraum 15. September 2019 bis 23. März 2020 wegen eines Wasserschadens vollständig auf null gemindert gewesen. Die Mietzahlungen für den Kläger und seinen damaligen Mitmieter wurden ganz überwiegend durch das zuständige Jobcenter erbracht; die Beklagte meinte deshalb, dass die geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht dem Kläger zustünden, sondern gemäß § 33 Abs. 1 SGB II auf das Jobcenter übergegangen seien.

Das LG Berlin hat sich der Meinung der Beklagten angeschlossen, jedoch die Revision gegen das Urteil zum BGH zugelassen.

5. Juni 2018

Bundesarbeitsgericht: Rückzahlung von Leistungen nach SGB II kein Verzugsschaden

Durch die Rückzahlung von Leistungen nach dem SGB II wegen einer verspäteten Lohnzahlung entsteht dem Arbeitnehmer kein (weiterer) Verzugsschaden. Das Bundesarbeitsgericht hat hierauf mit Urteil vom 17.1.2018, Az. 5 AZR 205/17 hingewiesen und auf die Revision des beklagten Arbeitgebers das entgegenstehende Urteil der Vorinstanz (Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28. März 2017, Az. 3 Sa 475/14) aufgehoben.

Der Kläger war aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Mai 2014 beim Beklagten beschäftigt. Sein Bruttomonatsentgelt betrug 1.300,00 Euro, welches einen Auszahlungsbetrag von 986,81 Euro ergab. Die Vergütung zahlte der Beklagte zunächst jeweils im Folgemonat, den Lohn für April 2014 indes erst am 10. Juni 2014 und den für Mai 2014 erst am 14. Juli 2014.  Auf Antrag des Klägers vom 2. Juni 2014 bewilligte ihm das Jobcenter Landkreis W am 10. Juli 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum Juli bis November 2014. Nachdem der Kläger den Lohn für Mai 2014 nachgezahlt erhalten hatte, hob das Jobcenter Landkreis W wegen fehlender Hilfebedürftigkeit im Juli 2014 für diesen Monat die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II auf und verlangte vom Kläger die Erstattung von 535,32 Euro. Über die vom Kläger dagegen nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage zum Sozialgericht D ist noch nicht entschieden.

Mit der am 5. August 2014 beim Arbeitsgericht anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Freistellung von der Erstattungsforderung des Jobcenters Landkreis W verlangt. Er hat gemeint, durch die Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II erleide er einen Vermögensschaden, den ihm der Beklagte wegen der verspäteten Lohnzahlung für den Monat Mai 2014 ersetzen müsse.

Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, daß der Kläger rein rechnerisch schon keinen Schaden erleide, wenn er mit seiner Klage vor den Sozialgerichten Erfolg habe. In diesem Falle stünde fest, dass der Kläger die für den Monat Juli 2014 bezogenen Leistungen nach dem SGB II nicht, auch nicht teilweise, an das Jobcenter Landkreis W zurückzahlen muss.

Aber auch, wenn der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Jobcenters Landkreis W vor den Sozialgerichten Bestand habe, fehlt es gleichwohl an einem Schaden.

Ob – rechnerisch – ein Vermögensschaden eingetreten ist, bemisst sich zunächst nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne dieses Ereignis bestünde (vgl. BAG 16. Januar 2013 – 10 AZR 560/11 – Rn. 24; 26. September 2012 – 10 AZR 370/10 – Rn. 18, BAGE 143, 165; 15. September 2011 – 8 AZR 846/09 – Rn. 47). Dabei kann ein nach § 249 BGB zu beseitigender Schaden auch darin liegen, Schuldner einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten zu sein (BGH 18. Januar 2005 – VI ZR 73/04 – zu II 2 der Gründe; BAG 20. November 1996 – 5 AZR 518/95 – zu II 4 der Gründe, BAGE 84, 344).

Die Differenzhypothese ist indes nur Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob ein Schaden eingetreten ist. Weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt, muss die Differenzhypothese stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden. Erforderlich ist eine wertende Überprüfung des anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes (BGH 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 – Rn. 17 mwN; Palandt/Grüneberg 77. Aufl. Vorbem. vor § 249 BGB Rn. 10 ff.).

Zahlt der Arbeitgeber Arbeitsentgelt nicht oder verspätet, hat der Arbeitnehmer wie jeder Gläubiger einer Geldschuld unabhängig von einem konkreten Schaden zunächst den Zinsanspruch nach § 288 Abs. 1 BGB, dessen Höhe dem Schuldner den Anreiz nehmen soll, fällige Zahlungen hinauszuzögern (vgl. MüKoBGB/Ernst 7. Aufl. § 288 BGB Rn. 3; Palandt/Grüneberg 77. Aufl. § 288 BGB Rn. 3; zur Präventionsfunktion der Norm sh. auch BAG Großer Senat 7. März 2001 – GS 1/00 – zu III 4 b ff der Gründe, BAGE 97, 150). Der nach § 288 Abs. 4 BGB ersatzfähig bleibende weitere Schaden ist typischerweise derjenige, der dem Arbeitnehmer entsteht, weil ihm das nicht oder nicht rechtzeitig gezahlte Geld zum Bestreiten seines Lebensunterhalts fehlt und er deshalb einen Kredit aufnehmen und dafür Zinsen zahlen muss. Einen solchen Schaden hat der Kläger nicht geltend gemacht.

Nimmt der Arbeitnehmer Sozialleistungen in Anspruch, zeigen die einschlägigen Normen, dass der Arbeitnehmer nicht (verspätetes) Arbeitsentgelt und Sozialleistung erhalten soll, so das BArbG. Zahlt der Arbeitgeber kein Arbeitsentgelt (mehr) – etwa nach einer Kündigung, die sich später im Kündigungsschutzprozess als unwirksam erweist – und nimmt der Arbeitnehmer deshalb Sozialleistungen in Anspruch, erhält er diese nicht „umsonst“. Vielmehr geht sein Anspruch auf Arbeitsentgelt kraft Gesetzes bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen auf den Leistungsträger über, § 115 Abs. 1 SGB X, sofern eine sachliche und zeitliche Kongruenz von Entgeltanspruch und Sozialleistung besteht (vgl. dazu BAG 29. April 2015 – 5 AZR 756/13 – Rn. 8, BAGE 151, 281, st. Rspr.). Dies gilt auch für Sozialleistungen nach dem SGB II, denn gemäß § 33 Abs. 5 SGB II geht § 115 Abs. 1 SGB X der Regelung zum Übergang von Ansprüchen in § 33 Abs. 1 SGB II vor. Wäre das Arbeitsverhältnis nicht beendet gewesen und hätte der Kläger gegen den Beklagten für den Monat Juli 2014 noch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt, wäre dieser in Höhe der erbrachten Leistung kraft Gesetzes auf das Jobcenter W übergegangen.

Darüber hinaus berücksichtige das SGB II auch inkongruente Leistungen, bei denen eine cessio legis nach § 115 Abs. 1 SGB X ausscheidet. Die Hilfebedürftigkeit iSd. § 9 Abs. 1 SGB II hängt u. a. von dem zu berücksichtigenden Einkommen ab. Bei diesem stellt das Gesetz nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs, sondern auf den des Zuflusses der Einnahmen ab, § 11 Abs. 2 und Abs. 3 SGB II. Hätte im Streitfall das Jobcenter W erst nach dem 14. Juli 2014 über den Antrag des Klägers entschieden, hätte dieser wegen des zwischenzeitlichen Zuflusses von Arbeitsentgelt von vornherein für den Monat Juli 2014 keine Leistungen nach dem SGB II erhalten. Fließen dem Bezieher von Leistungen nach dem SGB II erst nach deren Bewilligung Einnahmen (oder Vermögen, das die Freibeträge des § 12 SGB II übersteigt) zu, die die Hilfebedürftigkeit (zeitweise) entfallen lassen, soll nach § 40 Abs. 1 SGB II iVm. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X die Bewilligung rückwirkend aufgehoben werden.

In ihrer Zusammenschau zeigen diese Regelungen, dass der Arbeitnehmer im Falle des Verzugs des Arbeitgebers mit der Entgeltzahlung in keinem Falle Arbeitsentgelt und Leistungen nach dem SGB II erhalten soll. Bei zeitlicher Kongruenz von Arbeitsentgelt und Sozialleistung geht der Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe der bezogenen Sozialleistung auf den Sozialleistungsträger über, bei zeitlicher Inkongruenz entfällt der Anspruch auf die Leistung nach dem SGB II rückwirkend, sofern der Arbeitnehmer wegen des nach Bewilligung der Sozialleistung zugeflossenen Arbeitsentgelts im Bezugszeitraum oder Teilen davon objektiv nicht hilfebedürftig iSd. § 9 Abs. 1 SGB II war. Dieses normative Konzept schließe es aus, eine berechtigte Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II wegen verspätet gezahlten Arbeitsentgelts als Schaden des Arbeitnehmers zu werten.

1. Februar 2018

BGH zum Rückforderungsanspruch des Jobcenters gegen den Vermieter

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Jobcenter, welcher im Rahmen von Sozialleistungen Mietzahlungen gemäß § 22 Abs. 7 SGB II unmittelbar an einen Vermieter überweist, im Fall versehentlich über das Ende des Mietverhältnisses hinaus gezahlter Mieten einen diesbezüglichen Rückforderungsanspruch unmittelbar gegenüber dem Vermieter geltend machen kann, wenn letzterer bereits bei Erhalt der Zahlung wusste, dass ihm dieser Betrag wegen der Beendigung des Mietvertrags nicht zusteht (BGH, Urteil vom 31. Januar 2018, Az. VIII ZR 39/17).

Zwar haben die Vermieter bei objektiver Betrachtung die hier streitgegenständliche Zahlung von 860 € nicht durch eine Leistung des klagenden Jobcenters, sondern vielmehr durch eine Leistung ihrer (ehemaligen) Mieter enthalten, denen gegenüber der Jobcenter wiederum in seiner Eigenschaft als Sozialleistungsträger im Rahmen des bestehenden Bedarfs für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II Sozialleistungen zu erbringen hatte. Insoweit hatten die Mieter mit ihrem Antrag nach § 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II dem Kläger lediglich die Anweisung erteilt, die ihnen zustehenden Unterstützungsleistungen direkt an die Vermieter zu zahlen.

Dennoch erfolgt die Rückabwicklung der für August 2014 zu Unrecht gezahlten 860 € vorliegend ausnahmsweise nicht im Rahmen der insoweit bestehenden Leistungsbeziehungen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (also zwischen den beklagten Vermietern und den Mietern einerseits und den Mietern und dem klagendem Jobcenter andererseits), sondern steht dem Jobcenter ein direkter Rückzahlungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion) gegen die Vermieter zu. Denn die Mieter hatten ihren Antrag nach § 22 Abs. 7 Satz SGB II bereits vor Ausführung der streitgegenständlichen Zahlung gegenüber dem Kläger (konkludent durch Vorlage des neuen Mietvertrags) widerrufen. Vor allem aber wussten die Vermieter in dem entschiedenen Fall aufgrund der Beendigung des Mietverhältnisses bereits bei Erhalt des Geldes, dass ihnen der für den Monat August 2014 überwiesene Betrag von 860 € nicht zustand und es damit an einer Leistung der Mieter als ihrem (ehemaligen) Vertragspartner fehlte. Diesen Betrag haben die Vermieter vielmehr in sonstiger Weise auf Kosten des Jobcenters ohne rechtlichen Grund erlangt (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB), so der BGH.

11. November 2014

Aktuell: EuGH: Kein Hartz 4 bei Armutszuwanderung!

Filed under: Öffentliches Recht — Schlagwörter: , , , , , , — ihrrecht @ 10:19

Deutschland kann Zuwanderern aus der EU unter bestimmten Bedingungen Hartz-IV-Leistungen verweigern. Ein Staat müsse die Möglichkeit haben, Sozialleistungen zu versagen, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am heutigen Tage  in Luxemburg.

In dem seitens des EuGH entschiedenen Fall ging es um eine Rumänin aus Leipzig, die auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II (sog.  Hartz IV) geklagt hatte. Das Jobcenter Leipzig hatte der Frau diese Leistung verweigert, weil sie keine Arbeit aufnahm. Sie hat weder einen Schulabschluss noch eine Berufsausbildung und lebt seit 2010 mit ihrem Sohn in Deutschland. Nach Angaben der Behörden bemühte sie sich nicht darum, eine Beschäftigung zu finden. Das Sozialgericht Leipzig hatte das Verfahren dem EuGH vorgelegt.

Der Staat könne auf diese Weise Missbrauch und "eine gewisse Form von "Sozialtourismus" verhindern und die Systeme vor Überlastung schützen (Az. C 333-13).

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