Ihr-Recht-Blog

18. Mai 2021

OLG Zweibrücken zu Ansprüchen wegen Bauzeitverlängerung

Das OLG Zweibrücken, hat sich mit Beschluss vom 03.12.2020, Az. 5 U 62/20 mit Nachtragsansprüchen wegen "baubetrieblicher Ablaufstörungen" auseinandergesetzt. Es bleibt weiterhin ein nahezu aussichtsloses Unterfangen, solche Ansprüche substantiiert darzulegen.

Nach der Entscheidung des OLG Zweibrücken hat ein Auftragnehmer, der Ansprüche wegen Bauzeitverlängerung geltend macht, die sowohl auf vertragsgemäßen Anordnungen als auch auf vertragswidrigen Eingriffen des Auftraggebers beruhen, die vertragsgemäßen und vertragswidrigen Bauzeitverlängerungen hinsichtlich ihrer jeweiligen Ursache und ihres jeweiligen Umfangs deutlich getrennt voneinander darzulegen. Nur dann sind die Voraussetzungen für die verschiedenen Ansprüche schlüssig dar­gelegt.

Macht der Auftragnehmer Schadensersatz wegen Bauablaufstörungen geltend, hat er im Einzelnen darzulegen, welche konkreten Mehrkosten ihm konkret durch welche Behinderung tatsächlich entstanden sind. Hiermit lässt sich eine Schadensberechnung, die einen von dem jeweiligen Fall losgelösten, nur an allgemeinen Erfahrungssätzen orientierten Schaden ermittelt, nicht vereinbaren.

Eine abstrakte Zuordnung und Schadensberechnung, bei der dem vom Auftragnehmer zugrunde gelegten Bauablauf (Soll 1) der sog. störungsmodifizierte Bauablauf (Soll 2) ohne Berücksichtigung des tatsächlichen Bauablaufs gegenübergestellt wird, ist für den Schadensnachweis nur bedingt geeignet, so das OLG.

27. August 2019

Aktuell: BGH zur Preisanpassung bei Mengenmehrungen

Der BGH hat mit Urteil vom 08.08.2019, Az. VII ZR 34/18 von der vorkalkulatorische Preisfortschreibung in den Fällen der Vergütungsanpassung bei Mengenmehrungen, wenn eine Einigung über den neuen Einheitspreis nicht zustande kommt, Abstand genommen.

§ 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B enthält hierzu keine Regelung. Die Bestimmung gibt nur vor, dass bei der von den Parteien zu treffenden Vereinbarung über den neuen Preis Mehr- oder Minderkosten zu berücksichtigen sind. Die VOB/B legt die Verantwortung für die neue Preisbestimmung, durch die etwaigen Störungen des Äquivalenzverhältnisses entgegengewirkt werden soll, damit in die Hände der Vertragsparteien, die unter Berücksichtigung der geänderten Umstände einen neuen Preis aushandeln sollen.

Abgesehen von der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vorgesehenen Einigung auf einen neuen Einheitspreis können die Vertragsparteien sowohl bei Vertragsschluss für den ungewissen Fall, dass Mengenmehrungen im Sinne dieser Bestimmung eintreten, als auch nachträglich, sobald aufgrund konkret eingetretener Mehrmengen ein neuer Einheitspreis verlangt wird, sich über einzelne Teilelemente der Preisbildung verständigen. Sie können etwa einen bestimmten Maßstab beziehungsweise einzelne Kriterien oder Faktoren festlegen, nach denen im konkreten Fall der neue Einheitspreis nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmt werden soll.

Haben sich die Parteien nicht insgesamt oder im Hinblick auf einzelne Elemente der Preisbildung geeinigt, enthält der Vertrag eine Lücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu schließen ist. Dabei, so der BGH,  entspricht es der Redlichkeit und dem bestmöglichen Ausgleich der wechselseitigen Interessen, dass durch die unvorhergesehene Veränderung der auszuführenden Leistungen im von Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmten Umfang keine der Vertragsparteien eine Besser- oder Schlechterstellung erfahren soll.

Die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien nach Treu und Glauben ergibt, dass – wenn nichts anderes vereinbart ist – für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich sind.

Nach bislang herrschender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur ist bei der Preisbildung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die ursprüngliche Kalkulation des Auftragnehmers zu berücksichtigen und sind ihre Einzelbestandteile unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten fortzuschreiben (vorkalkulatorische Preisfortschreibung), wodurch das Vertragspreisniveau bei der Bildung des neuen Einheitspreises beibehalten werden soll (OLG Köln, Urteil vom 30. Dezember 2014 – 17 U 83/13; OLG Hamm, Urteil vom 13. März 2013 – 12 U 74/12, BauR 2013, 1280 = NZBau 2013, 373; OLG Koblenz, Urteil vom 15. Dezember 2011 – 5 U 934/11; OLG Brandenburg, Urteil vom 14. Dezember 2011 – 4 U 113/10, BauR 2012, 1400; OLG Dresden, Urteil vom 25. November 2011 – 1 U 571/10; Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil Rn. 125; Althaus/Bartsch in Althaus/Heindl, Der öffentliche Bauauftrag, 3. Aufl., Teil 4, Rn. 163 ff.; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, Teile A und B, 20. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 19 ff.; Kuffer/Petersen in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 14. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 117 ff.; Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, VOB Teile A und B, 6. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 213 ff.; BeckOK VOB/B/Kandel, Stand: 31. Januar 2019, § 2 Abs. 3 Rn. 20 ff.; Beck’scher VOB/B-Kommentar/Jansen, 3. Aufl., § 2 Abs. 3 Rn. 14 ff.; Leinemann/Leinemann, VOB/B, 6. Aufl., § 2 Rn. 146).

Nach Ansicht des BGH bedarf es des Rückgriffes auf die vorkalkulatorische Preisfortschreibung nicht, um der Störung des Äquivalenzverhältnisses adäquat zu begegnen. Das Preisanpassungsverlangen betrifft nur die relevanten Mehrmengen, während die im Wettbewerb zustande gekommene Vergütungsvereinbarung im Übrigen unangetastet bleibt, denn für die angebotene beziehungsweise im Vertrag vereinbarte Menge zuzüglich des Toleranzzuschlages von 10% verbleibt es bei der vereinbarten Vergütung. Die der Anwendung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B folgende Aufspaltung der Leistungsposition in zwei Teile trägt dem Grundgedanken Rechnung, dass für die im Vertrag aufgelisteten Mengen die Vertragsparteien einen Preis verbindlich festgelegt haben, welchen sie bezogen auf diese Leistungsposition und in der Gesamtschau als Synallagma von Leistung und Gegenleistung für angemessen hielten. An diesem müssen sie sich festhalten lassen.

Die Anknüpfung an die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge stellt sich für keine der Vertragsparteien als zum Nachteil der anderen Partei wirkender Vorteil dar. Der Auftragnehmer erhält so für die relevanten Mehrmengen eine auskömmliche Vergütung. Es widerspräche Treu und Glauben, würde er aufgrund der nicht vorhergesehenen Mengenmehrung auf Kosten seines Vertragspartners einen über die angemessenen Zuschläge hinausgehenden Gewinn erwirtschaften oder der Auftraggeber von einem infolge der Mengenmehrung für den Auftragnehmer unauskömmlich oder unwirtschaftlich gewordenen Preis profitieren.

6. September 2017

BGH: Witterung und Mehrvergütungsansprüche des Auftragnehmers

Es ist vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen keine dem Auftraggeber obliegende erforderliche Mitwirkungshandlung im Sinne des § 642 BGB, während der Dauer des Herstellungsprozesses außergewöhnlich ungünstige Witterungseinflüsse auf das Baugrundstück in Form von Frost, Eis und Schnee, mit denen nicht gerechnet werden musste, abzuwehren.

Hierauf hat der BGH mit Urteil vom 20.04.2017, Az.  VII ZR 194/13 hingewiesen.

Die Klägerin hatte von der Beklagten Zahlung in Höhe von 95.438,67 € brutto wegen witterungsbedingter Unterbrechung der Bauausführung bei der Errichtung einer Autobahnbrücke begehrt.

Zwar ergebe sich aus dem Umstand, dass die Parteien als herzustellendes Werk die Errichtung einer Autobahnbrücke vereinbart haben, im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB, dass die Beklagte als erforderliche Mitwirkungshandlung der Klägerin das betreffende Baugrundstück während des Herstellungsprozesses für die Erbringung der vereinbarten Leistungen zur Verfügung zu stellen hatte. Hieraus ergebe sich ferner, dass die Beklagte grundsätzlich auch gehalten war, das Baugrundstück in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass die Klägerin die von ihr geschuldeten Leistungen erbringen konnte, mithin etwa erforderliche Vorarbeiten, die nicht von der Klägerin zu leisten waren, rechtzeitig durchgeführt wurden. Indes kann dem Vertrag nicht entnommen werden, dass es der Beklagten oblag, für die Dauer des Herstellungsprozesses die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zugrunde zu legenden äußeren Einwirkungen in Form von Frost, Eis und Schnee auf das zur Verfügung gestellte Baugrundstück abzuwehren. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Verhinderung dieser Einwirkungen für eine Fortführung der Bauausführung erforderlich gewesen wäre. Eine ausdrückliche Regelung zu einer derartigen Mitwirkungshandlung haben die Parteien nicht getroffen. Sie kann dem Vertrag unter Berücksichtigung des Verständnisses einer redlichen Partei auch nicht konkludent entnommen werden. Bei Frost, Eis und Schnee handelt es sich um Umstände, die von keiner Partei beeinflusst werden können. Darüber hinaus ist es auch tatsächlich oder zumindest mit wirtschaftlich vernünftigen Mitteln nicht möglich, diese Einwirkungen auf das Baugrundstück durch Schutzmaßnahmen in einer Weise auszuschließen, dass die Erbringung der anstehenden Leistungen der Klägerin möglich gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund verbietet sich die Annahme, eine hierauf gerichtete Mitwirkungshandlung der Beklagten ergebe sich im Wege der Auslegung auch ohne ausdrückliche Regelung konkludent aus dem Vertrag, so der BGH.

28. September 2016

BGH: Mehrkosten bei Umbuchung einer Pauschalreise

Filed under: Reiserecht — Schlagwörter: , , , , , , , , , — ihrrecht @ 06:34

Die Umbuchungen bei einer Pauschalreise bleiben teuer. Reiseveranstalter dürfen ihren Kunden auch künftig – ggf. auch hohe – Zusatzkosten in Rechnung stellen, wenn sie deren Pauschalreise auf einen Ersatz-Teilnehmer umbuchen. Dies hat der BGH mit 2 Urteilen vom 27. September 2016, Az. X ZR 107/15 und X ZR 141/15 entschieden.

Der Kläger in der Sache X ZR 107/15 buchte bei der beklagten Reiseveranstalterin für seine Eltern eine einwöchige Reise von Hamburg nach Dubai zu einem Gesamtpreis von 1.398 €. Die Luftbeförderung zum Reiseziel sollte nach dem Vertrag mit einer Linienfluggesellschaft erfolgen. Wegen einer Erkrankung seiner Mutter erkundigte sich der Kläger zwei Tage vor Abflug nach den Bedingungen eines Eintritts zweier anderer Personen in den Reisevertrag. Die Beklagte teilte ihm am nächsten Tag mit, dass eine Umbuchung entweder den Erwerb von Business-Class-Tickets mit Mehrkosten in Höhe von 1.850 € pro Person oder neuer Economy-Class-Tickets mit einer anderen Abflugzeit und Mehrkosten in Höhe von 725 € pro Person erfordere. Der Kläger trat daraufhin vom Reisevertrag zurück.

In der Sache X ZR 141/15 buchten die Klägerin und ein vorgesehener Mitreisender, der der Klägerin seine Ansprüche abgetreten hat, bei der beklagten Reiseveranstalterin eine zehntägige Reise von Berlin nach Phuket (Thailand) zu einem Gesamtpreis von 2.470 €. Die Luftbeförderung zum Reiseziel sollte wiederum mit einer Linienfluggesellschaft erfolgen. Wegen einer Erkrankung des Mitreisenden bat die Klägerin zwei Tage vor Abflug um den Eintritt zweier anderer Personen in den Reisevertrag. Die Beklagte teilte ihr am nächsten Tag mit, dass eine Umbuchung den Erwerb neuer Flugtickets mit Mehrkosten in Höhe von 1.648 € pro Person erfordere. Die Klägerin und ihr Mitreisender traten daraufhin vom Reisevertrag zurück.

In beiden Fällen stellte der Reiseveranstalter den Kunden eine Rücktrittsentschädigung in Höhe von 85 bzw. 90 % des Reisepreises in Rechnung und zahlte nur den restlichen Reisepreis zurück. Die Kläger verlangen jeweils Rückzahlung des vollen Reisepreises. Sie waren damit beim Amtsgericht erfolglos, das Berufungsgericht hat hingegen den Klagen jeweils stattgegeben (AG München – Urteil vom 21. November 2014, Az. 121 C 25717/13, folgend: LG München I, Urteil vom 25. August 2015, Az. 30 S 25399/14 sowie  AG München, Urteil vom 20. Februar 2015, Az.  281 C 9715/14, folgend LG München I, Urteil vom 27. Oktober 2015, Az. 13 S 5113/15).

Auf die Revision der beklagten Reiseveranstalter hat der für das Reiserecht zuständigen X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Berufungsurteile aufgehoben und die klageabweisenden erstinstanzlichen Urteile wiederhergestellt.

Er hat hierzu ausgeführt, der Reiseveranstalter müsse dem Kunden zwar nach § 651b Abs. 1 BGB die Übertragung des Anspruchs auf die Reiseleistungen auf einen Dritten ermöglichen. Hierdurch entstehende Mehrkosten muss er jedoch nicht selbst tragen, sondern kann den Kunden und den Dritten damit belasten, die hierfür als Gesamtschuldner haften. Er ist auch nicht gezwungen, die vertraglichen Reiseleistungen so zu gestalten, dass sie für den Kunden möglichst kostengünstig auf einen Dritten übertragbar sind. Für den Streitfall bedeutet dies, dass der Reiseveranstalter den Anspruch des Kunden auf Flugbeförderung im Rahmen der gebuchten Pauschalreise auch dadurch erfüllen kann, dass er für diesen bei einem Luftverkehrsunternehmen einen Flug zu einem Tarif bucht, der einen nachträglichen Wechsel der Person des Fluggastes nicht zulässt und typischerweise zu einem niedrigeren Preis erhältlich ist als Tarife, die eine größere Flexibilität gestatten. Der Reiseveranstalter bleibt gleichwohl verpflichtet, dem Dritten auch in einem solchen Fall den Eintritt in den Reisevertrag zu ermöglichen. Die Kosten für den notwendigen Erwerb eines neuen Flugscheins sind dann jedoch Mehrkosten im Sinne des § 651b Abs. 2 BGB. Auch wenn sie insbesondere den Eintritt eines Dritten kurz vor Reisebeginn, wie er in den Streitfällen in Rede stand, wirtschaftlich unattraktiv machen können, rechtfertigt dieser Umstand es nicht, derartige Mehrkosten den Reiseveranstalter tragen zu lassen, so der BGH.

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