Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 18.04.2023, Az. 2 U 43/22 ausgeführt, daß in dem Fall, in dem sich der Vermieter unbekleidet auf dem Grundstück sonnt, hierdurch die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nicht beeinträchtigt wird, wenn keine gezielte Einwirkung beabsichtigt ist.
Grundsätzlich sind ästhetische oder sittlich als anstößig empfundene Einwirkungen auf ein Grundstück keine, gegebenenfalls einen Abwehranspruch nach § 906 BGB auslösende, ideelle Einwirkung, denen der Eigentümer des Grundstücks mit einem Unterlassungsanspruch begegnen kann und die, falls sie den Tatbestand des § 906 BGB erfüllten, demzufolge auch als Beeinträchtigung des Gebrauchs der Mietsache im Sinne des § 536 Abs. 1 S. 1 BGB in Betracht kommen.
Die Begrenzung der im § 906 BGB genannten Einwirkungen ist aus den vom Gesetz angeführten Beispielen und aus der Formulierung „ähnliche Einwirkungen“ zu entnehmen. Danach sind unter Einwirkungen zunächst nur sinnlich wahrnehmbare, wenn auch unwägbare Einwirkungen zu verstehen, die entweder auf das Grundstück und die dort befindlichen Sachen schädigend einwirken, oder auf dem Grundstück sich aufhaltende Personen derart belästigen, dass ihr gesundheitliches Wohlbefinden gestört oder ein körperliches Unbehagen bei ihnen hervorgerufen wird (so das Reichgericht für eine dem Hause der damaligen Klägerin zugewandten Seite eines Umkleideraums in einem Freibad (RG, Urt. v. 08.04.1911, Az.: V 328/10, RGZ 76, S. 130 ff. (131/132))
Von diesem Begriff der Einwirkung geht der Senat mit dem BGH (vgl. BGH, Urt. v. 07.03.1969, V ZR 169/65, BGHZ 51, S. 396-400, Rn. 6) ebenfalls aus. Er entspricht der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG, Urt. v. 27.02.1902, Az.: V 403/01, RGZ 50, S. 225 ff. (228); RG, Urt. v. 09.04.1904, Az. V 15/04, RGZ 57, S. 239 f. (240); RG, Urt. v. 08.04.1911, Az.: V 328/10, RGZ 76, S. 130 ff (131/132) und einer in der Literatur verbreiteten Auffassung (vgl. z. B. Staudinger/Seufert, BGB 11. Aufl. § 906 Rn. 12 und Staudinger/Roth, BGB (2022), § 906, Rn. 130), MünchKomm/Brückner, BGB, 8. Aufl. 2020, Rn. 58). Danach liegt in der Regel eine Einwirkung nicht vor.
Auch unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung des BGH zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelten Grundsätze, welches begrenzt ist auf den unantastbaren persönlichen Bereich des Einzelnen, der sich in die Gemeinschaft einzufügen und auf die Rechte und Interessen anderer Rücksicht zu nehmen hat (BGH, Urt. v. 18.03.1959, Az. IV ZR 182/58, BGHZ 30, S. 7 ff, (11)), verletzt ein nur das ästhetische Empfinden eines anderen verletzender Anblick, dessen Darbietung sich nicht gezielt gegen den andern richtet, dessen Persönlichkeitsrecht i.d.R. ebenfalls nicht und führen nicht zu einem Abwehrecht des Eigentümers (BGH, Urt. v. 15.05.1970, Az.: V ZR 20/68, BGHZ 54, S. 56 ff.). Ebenso wenig sind die Abwehrrechte des Eigentümers durch die Grundsätze zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht in der Weise erweitert worden, dass sie sich auch auf die Unterbindung eines solche Eindrücke verursachenden Verhaltens des Nachbarn erstreckten.
So hatte das Reichsgericht bereits im Jahre 1904 in den „Belästigungen der Nachbarn durch das unzüchtige Treiben in einem Grundstücke keine Einwirkung im Sinne des § 906 BGB gefunden“ (so wörtlich: RG, Urt. v. 09.04.1904, Az. V 15/04, RGZ 57, S. 239 f. (240))
Ausnahmen sind allerdings bei gezielten Einwirkungen denkbar, die sittenwidrigen und schädigenden Charakter haben. Errichtet jemand bspw. auf seinem Grundstück an der Grenze zum Nachbargrundstück einen Galgen, an dem er eine Puppe mit der Aufschrift „Ich bin ein Drecksack“ befestigt, so kann der Nachbar die Beseitigung dieser Anlage verlangen, wenn der Galgen aus der Sicht eines neutralen Beobachters mit erkennbarer Zielrichtung auf den Nachbarn gerichtet ist (so LG Limburg a. d. Lahn, Urt. v. 19.02.1986, Az. 3 S 262/85).
Der Vermieter hatte anlässlich des Ortstermins, den die Stelle, an der er sich vollständig unbekleidet auf eine Liege gelegt hatte, im Hof markiert. Von der der Straße … abgewandten Rückseite des Hauses konnte man allerdings durch einen Blick aus dem Fenster diesen Ort nicht sehen. Von Nebenstraße aus war dieser Ort ebenfalls nicht einzusehen, weil ein hölzerner Unterstand dem Liegeplatz Sichtschutz gibt. Man musste das Fenster aufmachen und sich weit aus dem Fenster herausbeugen, um überhaupt eine sich dort befindliche Person und die Stelle in das Blickfeld zu bekommen, die hart an der Hausmauer lag. Hinzukommt, dass bei einem Fenster, das Blickfeld durch ein unter dem Fenster befindliches Vordach weiter eingeschränkt war. Auch aus den anderen Fenstern von der Rückseite des Hauses, konnte man den Ort nicht sehen.
Damit scheidet ein eine gezielte Einwirkung aus. Eine Beeinträchtigung dadurch, dass man den gegebenenfalls nackt sonnenden Kläger im Hof oder im Garten nur dann sieht, wenn man sich weit aus dem Fenster herausbeugt, ist nicht gegeben und rechtfertigt auch keine Mietminderung, so das OLG.
So weit im Termin streitig geworden ist, ob der Vermieter sich, falls er sich zum Sonnenbaden in den Hof begeben wollte, zu diesem Zweck unbekleidet und damit ein sich zufällig zu diesem Zeitpunkt auf der Treppe befindlichen Bewohner oder Besucher mit seiner Nacktheit konfrontierend durch das Treppenhaus gelaufen ist, ist dies nicht bewiesen. Der Vermieter hatte in seiner Anhörung glaubhaft bekundet, dass er, wenn er sich zum Sonnenbad nach draußen habe begeben wollen, hierbei stets einen Bademantel getragen, diesen erst unmittelbar vor der Sonnenliege ausgezogen und sich dann nackt auf die Liege gelegt habe. Oft habe dabei im Bereich der Liege auch noch einen Sonnenschirm gestanden.
Damit ist nicht bewiesen, dass der Vermieter, um die Geschäftsführerin der Mieterin mit seiner Nacktheit zu konfrontieren, unbekleidet auf dem Grundstück herumgelaufen ist.
Das Auftreten des Vermieters im Bademantel im Treppenhaus ist dem gegenüber nicht als entsprechende unzulässige und damit einen Mietmangel rechtfertigende Beeinträchtigung zu werten, so das OLG weiter.