Ihr-Recht-Blog

14. Oktober 2021

OLG Schleswig zur Ausgestaltung des Notwegerechts

Bei einer Mehrheit von denkbaren Notwegen i.S.v. § 917 BGB wird den Berechtigten nicht das Recht eingeräumt, einen für sie bequemen Wegverlauf zu wählen. Das Notwegerecht entsteht in seiner konkreten gesetzlichen Ausgestaltung mit dem Vorliegen von dessen Voraussetzungen (OLG Schleswig, Urteil vom 30.09.2021 – 11 U 18/21).

Im Rahmen der Ausübung eines Notwegerechts ist der Verlauf zu wählen, der für den Duldungspflichtigen die geringstmögliche Belastung darstellt, so das OLG weiter. Die inhaltliche Beschränkung des Eigentumsrechts des Nachbarn kann nur so weit reichen, wie sie zur Behebung der Notlage des gefangenen Grundstücks erforderlich ist. Im Rahmen der Abwägung ist dabei auf objektive Gesichtspunkte, wie etwa Nutzungsart und Zuschnitt der Grundstücke abzustellen (vgl. BGH V ZR 47/17 Rn. 11). 

16. Juni 2021

BGH zum Abschneiden überhängender Äste und Standsicherheit des Baumes

Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit  Urteil vom 11. Juni 2021, Az. V ZR 234/19 entschieden, dass ein Grundstücksnachbar – vorbehaltlich naturschutzrechtlicher Beschränkungen – von seinem Selbsthilferecht aus § 910 BGB auch dann Gebrauch machen darf, wenn durch das Abschneiden überhängender Äste das Absterben des Baums oder der Verlust seiner Standfestigkeit droht.

In dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegendem Sachverhalt sind die Parteien Nachbarn. Auf dem Grundstück der Kläger steht unmittelbar an der gemeinsamen Grenze seit rund 40 Jahren eine inzwischen etwa 15 Meter hohe Schwarzkiefer. Ihre Äste, von denen Nadeln und Zapfen herabfallen, ragen seit mindestens 20 Jahren auf das Grundstück des Beklagten hinüber. Nachdem dieser die Kläger erfolglos aufgefordert hatte, die Äste der Kiefer zurückzuschneiden, schnitt er überhängende Zweige selbst ab. Mit der Klage verlangen die Kläger von dem Beklagten, es zu unterlassen, von der Kiefer oberhalb von fünf Meter überhängende Zweige abzuschneiden. Sie machen geltend, dass das Abschneiden der Äste die Standsicherheit des Baums gefährde. Die Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich (Amtsgericht Pankow/Weißensee, Urteil vom 8. August 2018, Az. 7 C 146/18; Landgericht Berlin, Urteil vom 9. September 2019, Az. 51 S 17/18).

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die von dem Berufungsgericht gegebene Begründung, die Kläger müssten das Abschneiden der Zweige nicht nach § 910 BGB dulden, weil diese Vorschrift nur unmittelbar von den überhängenden Ästen ausgehende Beeinträchtigungen erfasse, nicht aber mittelbaren Folgen, wie den Abfall von Nadeln und Zapfen, ist durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 2019 (V ZR 102/18) überholt. Schon aus diesem Grunde war das Berufungsurteil aufzuheben. Das Berufungsgericht wird nunmehr zu klären haben, ob die Nutzung des Grundstücks des Beklagten durch den Überhang beeinträchtigt wird. Ist dies der Fall, dann ist die Entfernung des Überhangs durch den Beklagten für die Kläger auch dann nicht unzumutbar, wenn dadurch das Absterben des Baums oder der Verlust seiner Standfestigkeit droht. Das Selbsthilferecht aus § 910 Abs. 1 BGB sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers einfach und allgemein verständlich ausgestaltet sein, es unterliegt daher insbesondere keiner Verhältnismäßigkeits- oder Zumutbarkeitsprüfung. Zudem liegt die Verantwortung dafür, dass Äste und Zweige nicht über die Grenzen des Grundstücks hinauswachsen, bei dem Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Baum steht; er ist hierzu im Rahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung seines Grundstücks gehalten. Kommt er dieser Verpflichtung – wie hier die Kläger – nicht nach und lässt er die Zweige des Baumes über die Grundstücksgrenze wachsen, dann kann er nicht unter Verweis darauf, dass der Baum (nunmehr) droht, durch das Abschneiden der Zweige an der Grundstücksgrenze seine Standfestigkeit zu verlieren oder abzusterben, von seinem Nachbarn verlangen, das Abschneiden zu unterlassen und die Beeinträchtigung seines Grundstücks hinzunehmen. Das Selbsthilferecht kann aber durch naturschutzrechtliche Regelungen, etwa durch Baumschutzsatzungen oder -verordnungen, eingeschränkt sein. Ob dies hier der Fall ist, wird das Berufungsgericht noch zu prüfen haben, so der BGH.

4. Januar 2021

BGH zur Bindungswirkung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils zu einer Baugenehmigung im folgenden zivilgerichtlichen Verfahren

Weist das Verwaltungsgericht die auf die Verpflichtung der Behörde zur Erteilung einer Baugenehmigung gerichtete Klage mit der tragenden Begründung ab, dass das Bauvorhaben materiell baurechtswidrig ist, weil es gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt, steht dieser Verstoß für einen nachfolgenden Zivilprozess unter denselben Beteiligten bzw. Parteien bindend fest. Hierauf hat der BGH mit Urteil vom 27.11.2020, Az. V ZR 121/19 hingewiesen.

Nach Ansicht des BGH beschränkt sich die Bindungswirkung eines Urteils, mit dem – wie im vorliegenden Fall – die auf die Verpflichtung der Behörde zum Erlass einer Baugenehmigung gerichtete Klage abgewiesen wird, aber nicht auf die Feststellung, dass der Kläger den Erlass der Baugenehmigung nicht verlangen kann. Vielmehr erwachsen bei einem klageabweisenden Urteil auch die tragenden Gründe in materielle Rechtskraft, da nur sie Aufschluss darüber geben, weshalb ein geltend gemachter Anspruch verneint (oder bejaht) wurde (BVerwGE 131, 346 Rn. 17 f. zu einer Anfechtungsklage; BVerwG, VIZ 1999, 413 zu einer Verpflichtungsklage; vgl. auch Senat, Urteil vom 7. Februar 1992, Az. V ZR 246/90, BGHZ 117, 159, 166). Die Rechtskraft eines Urteils, durch das die Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung abgewiesen wurde, erstreckt sich daher auch auf die Feststellung der materiellen Baurechtswidrigkeit des Bauwerks (BVerwG, Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 33). Weist das Verwaltungsgericht die auf die Verpflichtung der Behörde zur Erteilung einer Baugenehmigung gerichtete Klage mit der – wie hier – tragenden Begründung ab, dass das Bauvorhaben materiell baurechtswidrig ist, weil es gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt, steht folglich dieser Verstoß für einen nachfolgenden Zivilprozess unter denselben Beteiligten bzw. Parteien bindend fest. Die Nutzung eines solchen Bauwerks stellt gegenüber dem von dem öffentlich-rechtlichen Gebot der Rücksichtnahme geschützten Nachbarn zivilrechtlich einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB dar, sodass der Nachbar einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog auf Unterlassung der entsprechenden Nutzung – im entschiedenen Fall auf Unterlassung der Nutzung eines Offenstalls durch das Einstellen von Pferden – hat, so der BGH.

17. Juni 2020

BGH: Baulärm und Mietminderung

Nach Abschluss des Mietvertrags eintretende erhöhte Geräusch- und Schmutzimmissionen begründen, auch wenn sie von einer auf einem Nachbargrundstück eines Dritten betriebenen Baustelle (hier: zur Errichtung eines Neubaus in einer Baulücke) herrühren, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen gem. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss. Der BGH hat mit diesem Urteil vom 29.04.2020, Az. VIII ZR 31/18 seine Rechtsprechung mit Senatsurteil vom 29.04.2015, Az. VIII ZR 197/14 bestätigt und fortgeführt.

Eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien kann nicht mit der Argumentation bejaht werden, die Freiheit der Wohnung von Baustellenlärm werde regelmäßig stillschweigend zum Gegenstand einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien. Die bei einer Mietsache für eine konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Einigung kommt nicht schon dadurch zustande, dass dem Vermieter eine bestimmte Beschaffenheitsvorstellung des Mieters (hier: hinsichtlich eines Fortbestands der bei Abschluss des Mietvertrags vorhandenen "Umweltbedingungen" der Wohnung) bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert, so der BGH.

Macht der Mieter einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung in Gestalt der vorgenannten Geräusch- und Schmutzimmissionen geltend, richtet sich die Darlegungs- und Beweislast nicht nach den im Bereich des § 906 BGB bestehenden Regelungen, sondern nach den Grundsätzen des Wohnraummietrechts und insbesondere nach der dort grundsätzlich geltenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nach Verantwortungsbereichen (Anschluss an BGH, Urteil vom 01.03.2000 – XII ZR 272/97, unter II 2 a m.w.N., IBRRS 2000, 1446 = IMRRS 2000, 0417 = NJW 2000, 2344; vgl. auch BGH, Urteil vom 18.05.1994 – XII ZR 188/92, IBRRS 1994, 0398 = IMRRS 1994, 0003 = BGHZ 126, 124, 127 ff.; BGH, Beschluss vom 25.01.2006 – VIII ZR 223/04, IBR 2006, 234 = NJW 2006, 1061 Rn. 3). Demnach hat der Mieter darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass die von ihm angemietete Wohnung Immissionen der vorbezeichneten Art ausgesetzt ist, die die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung unmittelbar beeinträchtigen, und dass es sich hierbei um eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Hierbei darf von den auf dieser Grundlage zu treffenden notwendigen Feststellungen der Tatrichter – schon mangels eines entsprechenden Erfahrungssatzes – nicht mit der Begründung absehen, dass Baumaßnahmen, die auf einer in der Nähe der Wohnung gelegenen Baustelle (hier: zur Errichtung eines Neubaus in einer Baulücke) durchgeführt werden, typischerweise mit Immissionen in Form von Lärm und Schmutz einhergingen, die eine Mietminderung rechtfertigten. Vielmehr ist die Frage nach der Art und dem Umfang von Immissionen wegen deren Objektbezogenheit regelmäßig anhand des konkreten Einzelfalles zu beantworten.

Beruft sich der Vermieter gegenüber dem Wohnungsmieter darauf, Ansprüche nach § 906 BGB gegen den Verursacher nicht zu haben, hat er diejenigen, dem Verhältnis zwischen ihm und dem Verursacher – und damit dem Verantwortungsbereich des Vermieters – entstammenden Tatsachen, seien sie personen- oder grundstücksbezogen, vorzubringen und im Falle des Bestreitens zu beweisen, die in Anbetracht des bis dahin festgestellten Sachverhalts – auch unter Beachtung der im Verhältnis zum Verursacher gelten-den Beweislastverteilung – dazu führen, dass weder Abwehr- noch Entschädigungsansprüche bestehen, so der BGH.

6. Mai 2019

VGH Baden-Württemberg zum Eilrechtschutz des Nachbarn nach Beginn der Errichtung des Baukörpers

Wendet sich ein Nachbar gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung und hat der Begünstigte von der Baugenehmigung bereits durch Errichtung der baulichen Anlage Gebrauch gemacht, kann eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Beeinträchtigungen, die vom Baukörper selbst ausgehen, dem Eilrechtsschutz suchenden Nachbarn in aller Regel keinen Vorteil mehr bringen. Der Antrag nach § 80a Abs. 3 und 1 Nr. 2 Alt. 1 sowie § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist dann insoweit wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, so der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 01.04.2019, Az.- 5 S 2102/18.

Der VGH hat darauf hingewiesen, daß ein Rechtsschutzbedürfnis auch im Eilverfahren nur anzunehmen ist, soweit der vorläufige Rechtsschutz dem Antragsteller einen rechtlich relevanten Vorteil bringen kann. Wendet sich ein Nachbar gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung und hat der Begünstigte von der Baugenehmigung bereits durch Errichtung der baulichen Anlage Gebrauch gemacht, kann eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Beeinträchtigungen, die vom Baukörper selbst ausgehen, dem Eilrechtsschutz suchenden Nachbarn in aller Regel keinen Vorteil mehr bringen . Die Möglichkeit eines Rechtsschutzbedürfnisses kann auch dann jedoch insoweit bestehen, als der Antrag nach § 80a Abs. 3 und 1 Nr. 2 Alt. 1 und § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die Vollziehung des die Nutzung der baulichen Anlage gestattenden Regelungsinhalts der Baugenehmigung zum Gegenstand hat, wozu auch die in dem seitens des VGH entschiedenen Fall von den Antragstellern befürchtete Vermietung gehört. Diesen Anspruch sah der VGH im konkreten Sachverhalt mangels Verletzung nachbarschützender Normen als unbegründet an, wobei er im Hinblick auf die seitens der Antragsteller ebenfalls eingewandte Befürchtung, ihr Grundstück erleide durch die Nachbarbebauung eine Wertminderung, auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verwies, aus der sich ergibt, dass Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Baugenehmigung für sich genommen keinen Maßstab dafür bilden, ob Beeinträchtigungen im Sinne des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht. Einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass der einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu werden, gibt es nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.11.1997 – 4 B 195/97 – NVwZ-RR 1998, 540).

27. April 2016

BGH: Rheinland-Pfalz: Streitschlichtung für Zahlungsansprüche bei Nachbarn nicht obligatorisch!

In Rheinland-Pfalz unterliegen Zahlungsansprüche nicht der obligatorischen Streitschlichtung für Nachbarrechtsstreitigkeiten nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 LSchlG RP. Dies hat der BGH mit Urteil vom 19. Februar 2016, Az. V ZR 96/15 festgestellt.

Die maßgebliche Vorschrift wurde  bislang von den beiden Oberlandesgerichten des Landes Rheinland-Pfalz in diesem Punkt unterschiedlich ausgelegt. Das Oberlandesgericht Zweibrücken nimmt in ständiger Rechtsprechung an, die Vorschrift erfasse auch Zahlungsansprüche (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 9. Juli 2012 – 7 U 302/11, juris Rn. 76 zu einem Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 BGB analog). Demgegenüber ist das Oberlandesgericht Koblenz der Ansicht, für eine auf § 823 Abs. 1 BGB gestützte Klage gelte der obligatorische Schlichtungsversuch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe e LSchlG RP nicht (OLG Koblenz, MDR 2013, 399). In dem zuletzt genannten Sinne wird die Vorschrift auch im Schrifttum verstanden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 5; Grziwotz/Saller, Bayerisches Nachbarrecht, 3. Aufl., 5. Teil, Rn. 18; vgl. auch Deckenbrock/Jordans, MDR 2013, 945, 946; MüKoZPO/Gruber, 4. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 33).

Der BGH hat sich nunmehr der Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz angeschlossen. Er stützt sich insoweit auf die Entstehungsgeschichte der Norm und die nahezu wörtliche Übereinstimmung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 LSchlG RP einerseits und von § 1 Abs. 1 Nr. 1 HSchlG und § 53 Abs. 1 Nr. 1 JustG NRW. Der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber wollte die Erfahrungen dieser und anderer Bundesländer – zu denen außer Hessen und Nordrhein-Westfalen noch Bayern (Gesetz vom 24. Dezember 2005, GVBl. 2005 S. 655) und Brandenburg (Gesetz vom 18. Dezember 2006, GVBl. I 2006 S. 186) zählen – aufgreifen und das neue Schlichtungsgesetz von vorherein wie diese Bundesländer gestalten. Die Vorschrift ist deshalb auch im gleichen Sinne zu verstehen, wie es der Senat für Hessen und Nordrhein-Westfalen entschieden hat, so der BGH.

In dem seitens des BGH entschiedenen Fall  waren die Parteien Nachbarn, deren Grundstücke in Verlängerung der Wand des klägerischen Hauses durch eine Mauer getrennt werden, die im Bereich des ersten Obergeschosses aus Glasbausteinen gebildet ist. Die an dem Haus des Beklagten befindliche Regenrinne war undicht. Die Beklagten erneuerten sie erst nach wiederholter Aufforderung seitens der Kläger. Diese verlangten von den Beklagten Schadensersatz für die Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden an der Glasbausteinwand in Höhe von 1.376,56 €. Sie haben ohne vorheriges Güteverfahren nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Landesschlichtungsgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz Klage erhoben.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung war erfolglos geblieben.

21. Juli 2015

BGH: Zur Verschattung eines Grundstücks durch Bäume des Nachbarn

Filed under: Nachbarrecht, Zivilrecht/Verfahrensrecht — Schlagwörter: , , , , , , , , , — ihrrecht @ 09:49

Der Bundesgerichtshof hat sich mit Urteil vom 10.07.2015, Az. V ZR 229/14 mit der Frage befasst, ob ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn die Beseitigung von Bäumen wegen der von diesen verursachten Verschattung verlangen kann.

In dem seitens des BGH entschiedenen Fall sind die Kläger sind seit 1990 Bewohner und seit 1994 Eigentümer eines in Nordrhein-Westfalen belegenen Grundstücks, das mit einem nach Süden ausgerichteten Reihenhausbungalow bebaut ist. Ihr 10 mal 10 m großer Garten grenzt an eine öffentliche Grünanlage der beklagten Stadt. Dort stehen in einem Abstand von 9 bzw. 10,30 m von der Grenze zwei ca. 25 m hohe, gesunde Eschen. Die Kläger verlangen die Beseitigung dieser Bäume mit der Begründung, ihr Garten werde vollständig verschattet. Er eigne sich infolgedessen weder zur Erholung noch zur Hege und Pflege der von ihnen angelegten anspruchsvollen Bonsai-Kulturen. Das Wachstum der Bäume sei für sie bei Erwerb des Hauses nicht vorhersehbar gewesen. Derartig hoch wachsende Laubbäume seien mit einer konzeptionell nach Süden ausgerichteten Bungalow-Siedlung unvereinbar. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Bielefeld, Urteil vom 26. November 2013, Az. 1 O 307/12) . Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen (OLG Hamm,  Urteil vom 1. September 2014, Az. I-5 U 229/13).

Der BGH hat die Revision der Kläger zurückgewiesen. Ein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB setze voraus, dass das Eigentum der Kläger beeinträchtigt wird. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Eine Benutzung des Grundstücks in dessen räumlichen Grenzen – hier durch die auf dem Grundstück der Beklagten wachsenden Bäume – ist im Zweifel von dem Eigentumsrecht des Nachbarn gedeckt. Zwar können nach dem in § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB enthaltenen Maßstab bestimmte Einwirkungen auf das benachbarte Grundstück durch den Nachbarn abgewehrt werden. Dazu zählt aber nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, die bereits das Reichsgericht begründet hat, der Entzug von Luft und Licht als sogenannte "negative" Einwirkung nicht. Dies hat der Senat im Hinblick auf Anpflanzungen damit erneut bestätigt.

Ein aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis hergeleiteter Beseitigungsanspruch komme mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Er setzt voraus, dass die Kläger wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Nachteilen ausgesetzt werden. Daran fehle es im vorliegenden Fall, selbst wenn insoweit – was der Senat offengelassen hat – nicht auf die Verschattung des gesamten Grundstücks, sondern nur auf die der Gartenfläche abzustellen wäre.

Die Verschattung sei Ausdruck der Situationsgebundenheit des klägerischen Grundstücks, das am Rande einer öffentlichen Grünanlage belegen ist, so der BGH.

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