Ihr-Recht-Blog

1. Februar 2023

KG Berlin zum vorbestraften Architekten

Das KG hat sich mit Urteil vom 13.01.2023, Az. 21 U 50/22 mit den Voraussetzungen auseinandergesetzt, unter denen ein Architekt oder Ingenieur bei Verhandlungen über den Abschluss eines Architektenvertrags die einschlägige Vorstrafe einer Person ungefragt offenbaren muss, die mit maßgeblichem Einfluss an der Vertragserfüllung mitwirken soll.

Nach Ansicht des KG ist in Verhandlungen über den Abschluss eines Architektenvertrags die frühere Verurteilung des Architekten zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wegen Bestechlichkeit jedenfalls dann eine einschlägige Vorstrafe, wenn Leistungen der Leistungsphasen 7 und 8 gemäß HOAI Gegenstand des Architektenvertrags sein sollen.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt verpflichtete sich die X GmbH unter anderem zur Mitwirkung bei der Abwehr von Nachtragsangeboten, zur Mitwirkung bei der Prüfung der Rechnungen der ausführenden Bauunternehmen und zur Vorbereitung der Abnahme.

Angesichts dieser Aufgabenstellung ist nach Ansicht des KG die Vorstrafe von dem bei der X GmbH beschäftigten Herrn G, die seine Bestechlichkeit bei der Rechnungs- bzw. Nachtragsprüfung zugunsten eines von ihm zu überwachenden Bauunternehmens betrifft, für die streitgegenständlichen Verträge unmittelbar einschlägig.

Die Aufklärungspflicht der X-GmbH hinsichtlich der Vorstrafe des Herrn G entfällt nicht deshalb, weil sie gemäß § 53 Abs. 1 BZRG nicht mehr zu offenbaren gewesen wäre (vgl. oben bb) (4)). Die Voraussetzungen dieser Regelung sind nicht erfüllt. Insbesondere war die Verurteilung weiter gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1, 34 Abs. 1 Nr. 3 BZRG in ein Führungszeugnis aufzunehmen; Herr G verbüßte im Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen noch die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe im offenen Vollzug.

Von daher konnte die Auftraggeberin den Vertrag anfechten, nachdem sie von der Vorstrafe des Herrn G. erfuhr. Herr G war zwar nicht selbst Vertragspartei, aber er hatte – auch und gerade aus Sicht der Auftraggeberin – maßgeblichen Einfluss auf die Erfüllung des Vertrags durch die Klägerin. Er hatte die Verträge unstreitig auf Seiten der Klägerin ausgehandelt und war auf deren Seite für ihre Durchführung hauptverantwortlich. Dies hat die Auftraggeberin so vorgetragen, die X-GmbH hat demgegenüber ausdrücklich eingeräumt, dass Herr G die „Abwicklung“ der Verträge „koordiniert“ habe. Außerdem ist er in den Überwachungsverträgen der X GmbH ausdrücklich als Projektverantwortlicher genannt. Schließlich ist er Alleingesellschafter der X GmbH und kann als solcher bzw. über die alleinige Geschäftsführerin, seine Mutter, Einfluss auf die Geschäftstätigkeit nehmen.

8. Dezember 2022

BGH: Auch die Mindestsätze der HOAI 1996/2002 sind zwischen Privaten verbindlich!

Der BGH hat seine Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der HOAI zwischen Privaten nach seiner Entscheidung zur HOAI 2013 (Beschluss vom 14.05.2020, Az. VII ZR 174/19) nunmehr mit aktuellem Urteil vom 03.11.2022, Az. VII ZR 724/21 konsequenterweise auch auf die HOAI 1996/2002 ausgedehnt. Entsprechend findet auch insoweit das Mindestsatzrecht der HOAI regelmäßig Anwendung.

Der BGH hierzu:

Aus dem Unionsrecht folgt keine Verpflichtung, das gegen Art. 15 Abs. 1, 2 g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstoßende verbindliche Mindestsatzrecht der HOAI (1996/2002) im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Privatpersonen gegenüberstehen, unangewendet zu lassen (im Anschluss an EuGH, IBR 2022, 74 – Thelen Technopark Berlin, und BGH, IBR 2020, 352, 353).

§ 4 HOAI (1996/2002) kann nicht richtlinienkonform dahin ausgelegt werden, dass die Mindestsätze der HOAI im Verhältnis zwischen Privatpersonen grundsätzlich nicht mehr verbindlich sind und daher einer die Mindestsätze unterschreitenden Honorarvereinbarung nicht entgegenstehen.

Die Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) über die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Kapitalverkehr finden auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen, grundsätzlich keine Anwendung und führen daher in einem solchen Fall nicht zu der Verpflichtung, das verbindliche Mindestsatzrecht der HOAI unangewendet zu lassen (im Anschluss an EuGH, IBR 2022, 74 – Thelen Technopark Berlin; Urteil vom 27.10.2022 – Rs. C-544/21, IBRRS 2022, 3359; BGH, IBR 2020, 352, 353).

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