Ihr-Recht-Blog

19. Mai 2023

BGH zur Erforderlichkeit des Zustellungsdatums auf der Zustellungsurkunde

Der BGH hat mit Urteil vom 15.03.2023, Az. VIII ZR 99/22 ausgeführt, daß es sich bei der Verpflichtung des Zustellers gem. § 180 Satz 3 ZPO, das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks zu vermerken, um eine zwingende Zustellungsvorschrift i.S.d. § 189 ZPO handelt mit der Folge, dass das Schriftstück bei einer Verletzung dieser Vorschrift erst mit dem tatsächlichen Zugang als zugestellt gilt (im Anschluss an BGH, IBR 2022, 547).

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt nimmt der Kläger den Beklagten auf Erstattung von Stromkosten in Anspruch. Das Amtsgericht hat den Beklagten durch Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß verurteilt. Die Zustellung dieser Entscheidung an den Beklagten erfolgte am 7. Oktober 2021 durch Einlegen in den zur Wohnung des Beklagten gehörenden Briefkasten. Die zur Gerichtsakte gelangte Zustellungsurkunde enthält die Bemerkung, dass der Tag der Zustellung durch den Zusteller auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks vermerkt wurde.

Mit am 22. Oktober 2021, einem Freitag, beim Amtsgericht eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz hat der Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt. Nachdem ihn das Amtsgericht auf die Nichteinhaltung der zweiwöchigen Einspruchsfrist hingewiesen hatte, hat der Beklagte vorgetragen, den Brief mit dem Versäumnisurteil erst am 8. Oktober 2021 aus dem Briefkasten entnommen zu haben. Auf dem Umschlag sei das Zustellungsdatum nicht vermerkt gewesen.

Der BGH hat das Verfahren zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes zurückverwiesen und ausdrücklich darauf hingewiesen, daß den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für eine noch am 7. Oktober 2021 erfolgte tatsächliche Kenntnisnahme des Beklagten von dem Versäumnisurteil im Sinne des § 189 ZPO trifft (vgl. MünchKommZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl., § 189 Rn. 20; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 189 Rn. 17; jeweils mwN) und es insoweit nicht genügt, den unter Beweis gestellten Vortrag des Beklagten, er habe den Brief erst am 8. Oktober 2021 aus dem Briefkasten genommen, lediglich zu bestreiten.

1. September 2022

Aktuell: BGH zum Vermerk des Zustellungsdatums

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Vermerkt der Zusteller entgegen § 3 Abs. 2 VwZG, § 180 Satz 3 ZPO auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung nicht, gilt das Dokument gemäß § 8 VwZG erst in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist.

Der BGH hat sich in seinem Beschluss vom 29.07.2022, Az. AnwZ (Brfg) 28/20 der Auffassung angeschlossen, wonach es sich bei § 180 Satz 3 ZPO um eine zwingende Zustellungsvorschrift handelt, so dass bei einem Verstoß hiergegen das Schriftstück gemäß § 189 ZPO und § 8 VwZG erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs als zugestellt gilt (vgl. BFH, Großer Senat, NJW 2014, 2524 Rn. 63 ff. mwN; BFH, DStR 2015, 2824 Rn. 17 ff.; BFH, Beschluss vom 15. Mai 2020 – IX B 119/19 mwN; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: November 2021, § 3 VwZG Rn. 94a; Gräber/Stapperfend, FGO, 9. Aufl., § 53 Rn. 97; Czybulka/Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 56 Rn. 81; Schenk in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Januar 2020, § 56 Rn. 74; Lampe in KK-OWiG, 5. Aufl., § 51 Rn. 35; Preisner in BeckOK OWiG, Stand: 1. April 2022, § 3 VwZG Rn. 27).

Die bislang ebenfalls vertretene Ansicht, wonach die Zustellung mit dem Zeitpunkt der Einlegung in den Briefkasten wirksam sein soll (vgl. VGH Mannheim, VBlBW 2016, 328 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 1. August 2018 – 2 Rb 8 Ss 387/18; OVG Schleswig, NJW 2020, 633 Rn. 5; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 4. März 2021- 3 Sa 45/20; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 180 Rn. 4; Zöller/ Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 180 Rn. 9; Wieczorek/Schütze/Rohe, ZPO, 4. Aufl., § 180 Rn. 11; Ronellenfitsch in BeckOK VwVfG, Stand: 1. Oktober 2019, § 3 VwZG Rn. 42; Smollich in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl., § 3 VwZG Rn.15), wurde vom BGH abgelehnt.

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