Ihr-Recht-Blog

20. Juni 2022

OLG Frankfurt zur Aufklärungspflicht des Architekten über Denkmalschutz

Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 25.04.2022, Az. 29 U 185/20 darauf hingewiesen, dass ein mit der Grundlagenermittlung und der Entwurfsplanung beauftragter Architekt seinen Auftraggeber über ein etwaiges denkmalschutzrechtliches Genehmigungserfordernis aufzuklären hat.

Eine Verletzung dieser Aufklärungspflicht verpflichtet den Architekten mangels besonderer Abreden allerdings nicht zum Ersatz reiner Vermögensschäden, die aus dem Verlust steuerlicher Vergünstigungen resultieren. Denn es müsste sich hierfür bei dem von den Bestellern geltend gemachten Steuerschaden in Form einer von ihnen behaupteten entgangenen steuerlichen Absetzungsmöglichkeit nach § 7h EStG nicht nur um einen Schaden handeln, der kausal auf die Pflichtverletzung des Architekten zurückzuführen ist, sondern auf dessen Verhinderung der Schutzzweck der architektenvertraglichen Pflicht zur Information über das denkmalschutzrechtliche Genehmigungserfordernis (zumindest auch) zielt.

Denn im Vertragsrecht ist insbesondere bei Verletzung von Beratungs- und Hinweispflichten anerkannt, dass der Verstoß gegen eine Rechtspflicht nur dann zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn dessen Eintritt diese Pflicht gerade verhindern soll (BGH, Urt. v. 3.12.1991 – XI ZR 300/90, NJW 1992, 555, 556; Urt. v. 18.1. 2007 – IX ZR 122/04, NJW-RR 2007, 742, 743; Oetker, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 249 Rdn. 123 m.w.N.). Ob dies der Fall ist, richtet sich vornehmlich nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung (§§ 133, 157 BGB). An einem solchen Schutzzweckzusammenhang fehlt es hier jedoch. Nach § 3 Ziff. 2 des Vertrages hatte der Architekt alle zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung und zur Herbeiführung des werkvertraglich geschuldeten Leistungserfolgs erforderlichen Leistungen und Tätigkeiten, auch wenn sie in der Leistungsbeschreibung nicht ausdrücklich aufgeführt sind, zu erbringen. Die Arbeit des Architekten zielt bei – wie vorliegend – vertraglichem Bezug auf die Leistungsphasen der HOAI auf die Bewirkung der Entstehung des Bauvorhabens in Form zahlreicher Einzelerfolge (vgl. Koeble, a. a. O., Rn. 702 f.). Im Zuge dessen übernimmt der Architekt durchaus auch vermögensbezogene Pflichten und muss wirtschaftliche Interessen des Bestellers berücksichtigen (BGH, Urt. v. 7.7.1988 – VII ZR 72/87 -; OLG München, Urt. v. 30.1.2001 – 13 U 4744/00). So treffen ihn im Rahmen der Grundlagenermittlung Aufklärungs- und Beratungspflichten, die auch wirtschaftliche Fragen betreffen (Koeble, a.a.O. Rn. 769). Dazu gehört insbesondere auch, dass er den wirtschaftlichen Rahmen für das Bauvorhaben absteckt, um den Besteller über die zu erwartenden Kosten des Bauvorhabens zu informieren, damit dieser die Entscheidung über die Durchführung des Bauvorhabens auf einer geeigneten Grundlage treffen kann (BGH, Urt. v. 11.11.2004 – VII ZR 128/03, NZBau 2005, 158, 159). Eine allgemeine Verpflichtung des Architekten, in jeder Hinsicht die Vermögensinteressen des Bestellers wahrzunehmen, besteht jedoch nicht (BGH, Urt. v. 7.7.1988 – VII ZR 72/87 -). Die Verpflichtung des Architekten, bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung des Bauvorhabens dessen (denkmalschutzrechtliche) Genehmigungsbedürftigkeit zu ermitteln, betrifft nicht diese wirtschaftlichen Fragen des Bauvorhabens, sondern dient dazu, bereits in einem frühen Stadium zu ermitteln, ob das Vorhaben überhaupt realisierbar ist, welche öffentlich-rechtlichen Vorgaben für dessen Realisierung gelten und ob ggf. entsprechende Antragstellungen erforderlich sind. Sie zielt – jedenfalls ohne weitere Vereinbarung oder besondere Umstände – nicht darauf, dem Besteller die Möglichkeit steuerlicher Vergünstigungen zu erschließen. Solche Vergünstigungen sind vielmehr allein Reflex einer Genehmigung, so das OLG.

17. Februar 2022

BGH: Kein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB bei Erwerb eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Gebrauchtwagens

Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen zuständige VII. Zivilsenat des BGH hat in fünf gleichzeitig verhandelten „Dieselverfahren“ betreffend die Volkswagen AG, denen jeweils der Erwerb eines Gebrauchtwagens zugrunde lag, entschieden, dass nach Eintritt der Verjährung des gegen den Hersteller gerichteten Schadensersatzanspruchs des Erwerbers aus § 826 BGB kein Anspruch des Erwerbers gegen den Hersteller gemäß § 852 Satz 1 BGB besteht (Urteile vom 10. Februar 2022, Az. VII ZR 365/21, VII ZR 396/21, VII ZR 679/21, VII ZR 692/21 und VII ZR 717/21).

In den fünf Verfahren nahm die jeweilige Klagepartei die beklagte Volkswagen AG als Fahrzeug- bzw. Motorherstellerin auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch. Die von den Klageparteien jeweils gebraucht bei einem Autohändler bzw. einem Dritten erworbenen Fahrzeuge sind mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189 (EU 5) ausgestattet. Diese verfügten zum Zeitpunkt des Kaufs über eine Software, welche erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselte. Die Klageparteien verlangen jeweils im Wesentlichen – unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung – die Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Die Beklagte hat jeweils die Einrede der Verjährung erhoben.

Jedenfalls in mehraktigen Fällen wie bei dem Kauf eines von der Herstellerin mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebrachten und von dem Geschädigten erst später von einem Dritten erworbenen Gebrauchtwagens führt der letztgenannte Erwerbsvorgang indes zu keiner Vermögensverschiebung im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und der Herstellerin. Denn der Herstellerin, die einen etwaigen Vorteil bereits mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs als Neuwagen realisiert hat, fließt im Zusammenhang mit dem im Abschluss des ungewollten Vertrags liegenden Vermögensschaden des Geschädigten durch ihre unerlaubte Handlung nichts – mehr – zu. Bei einem Gebrauchtwagenverkauf, der – wie hier – zwischen dem klagenden Geschädigten und einem Dritten abgeschlossen wird, partizipiert die Herstellerin weder unmittelbar noch mittelbar an einem etwaigen Verkäufergewinn aus diesem Kaufvertrag, sei es, dass der Gebrauchtwagen von einer Privatperson oder von einem Händler an den Geschädigten verkauft wurde. Deshalb scheidet in diesen Fällen ein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB aus, so der BGH.

5. Juni 2018

Bundesarbeitsgericht: Rückzahlung von Leistungen nach SGB II kein Verzugsschaden

Durch die Rückzahlung von Leistungen nach dem SGB II wegen einer verspäteten Lohnzahlung entsteht dem Arbeitnehmer kein (weiterer) Verzugsschaden. Das Bundesarbeitsgericht hat hierauf mit Urteil vom 17.1.2018, Az. 5 AZR 205/17 hingewiesen und auf die Revision des beklagten Arbeitgebers das entgegenstehende Urteil der Vorinstanz (Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28. März 2017, Az. 3 Sa 475/14) aufgehoben.

Der Kläger war aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Mai 2014 beim Beklagten beschäftigt. Sein Bruttomonatsentgelt betrug 1.300,00 Euro, welches einen Auszahlungsbetrag von 986,81 Euro ergab. Die Vergütung zahlte der Beklagte zunächst jeweils im Folgemonat, den Lohn für April 2014 indes erst am 10. Juni 2014 und den für Mai 2014 erst am 14. Juli 2014.  Auf Antrag des Klägers vom 2. Juni 2014 bewilligte ihm das Jobcenter Landkreis W am 10. Juli 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum Juli bis November 2014. Nachdem der Kläger den Lohn für Mai 2014 nachgezahlt erhalten hatte, hob das Jobcenter Landkreis W wegen fehlender Hilfebedürftigkeit im Juli 2014 für diesen Monat die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II auf und verlangte vom Kläger die Erstattung von 535,32 Euro. Über die vom Kläger dagegen nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage zum Sozialgericht D ist noch nicht entschieden.

Mit der am 5. August 2014 beim Arbeitsgericht anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Freistellung von der Erstattungsforderung des Jobcenters Landkreis W verlangt. Er hat gemeint, durch die Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II erleide er einen Vermögensschaden, den ihm der Beklagte wegen der verspäteten Lohnzahlung für den Monat Mai 2014 ersetzen müsse.

Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, daß der Kläger rein rechnerisch schon keinen Schaden erleide, wenn er mit seiner Klage vor den Sozialgerichten Erfolg habe. In diesem Falle stünde fest, dass der Kläger die für den Monat Juli 2014 bezogenen Leistungen nach dem SGB II nicht, auch nicht teilweise, an das Jobcenter Landkreis W zurückzahlen muss.

Aber auch, wenn der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Jobcenters Landkreis W vor den Sozialgerichten Bestand habe, fehlt es gleichwohl an einem Schaden.

Ob – rechnerisch – ein Vermögensschaden eingetreten ist, bemisst sich zunächst nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne dieses Ereignis bestünde (vgl. BAG 16. Januar 2013 – 10 AZR 560/11 – Rn. 24; 26. September 2012 – 10 AZR 370/10 – Rn. 18, BAGE 143, 165; 15. September 2011 – 8 AZR 846/09 – Rn. 47). Dabei kann ein nach § 249 BGB zu beseitigender Schaden auch darin liegen, Schuldner einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten zu sein (BGH 18. Januar 2005 – VI ZR 73/04 – zu II 2 der Gründe; BAG 20. November 1996 – 5 AZR 518/95 – zu II 4 der Gründe, BAGE 84, 344).

Die Differenzhypothese ist indes nur Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob ein Schaden eingetreten ist. Weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt, muss die Differenzhypothese stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden. Erforderlich ist eine wertende Überprüfung des anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes (BGH 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 – Rn. 17 mwN; Palandt/Grüneberg 77. Aufl. Vorbem. vor § 249 BGB Rn. 10 ff.).

Zahlt der Arbeitgeber Arbeitsentgelt nicht oder verspätet, hat der Arbeitnehmer wie jeder Gläubiger einer Geldschuld unabhängig von einem konkreten Schaden zunächst den Zinsanspruch nach § 288 Abs. 1 BGB, dessen Höhe dem Schuldner den Anreiz nehmen soll, fällige Zahlungen hinauszuzögern (vgl. MüKoBGB/Ernst 7. Aufl. § 288 BGB Rn. 3; Palandt/Grüneberg 77. Aufl. § 288 BGB Rn. 3; zur Präventionsfunktion der Norm sh. auch BAG Großer Senat 7. März 2001 – GS 1/00 – zu III 4 b ff der Gründe, BAGE 97, 150). Der nach § 288 Abs. 4 BGB ersatzfähig bleibende weitere Schaden ist typischerweise derjenige, der dem Arbeitnehmer entsteht, weil ihm das nicht oder nicht rechtzeitig gezahlte Geld zum Bestreiten seines Lebensunterhalts fehlt und er deshalb einen Kredit aufnehmen und dafür Zinsen zahlen muss. Einen solchen Schaden hat der Kläger nicht geltend gemacht.

Nimmt der Arbeitnehmer Sozialleistungen in Anspruch, zeigen die einschlägigen Normen, dass der Arbeitnehmer nicht (verspätetes) Arbeitsentgelt und Sozialleistung erhalten soll, so das BArbG. Zahlt der Arbeitgeber kein Arbeitsentgelt (mehr) – etwa nach einer Kündigung, die sich später im Kündigungsschutzprozess als unwirksam erweist – und nimmt der Arbeitnehmer deshalb Sozialleistungen in Anspruch, erhält er diese nicht „umsonst“. Vielmehr geht sein Anspruch auf Arbeitsentgelt kraft Gesetzes bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen auf den Leistungsträger über, § 115 Abs. 1 SGB X, sofern eine sachliche und zeitliche Kongruenz von Entgeltanspruch und Sozialleistung besteht (vgl. dazu BAG 29. April 2015 – 5 AZR 756/13 – Rn. 8, BAGE 151, 281, st. Rspr.). Dies gilt auch für Sozialleistungen nach dem SGB II, denn gemäß § 33 Abs. 5 SGB II geht § 115 Abs. 1 SGB X der Regelung zum Übergang von Ansprüchen in § 33 Abs. 1 SGB II vor. Wäre das Arbeitsverhältnis nicht beendet gewesen und hätte der Kläger gegen den Beklagten für den Monat Juli 2014 noch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt, wäre dieser in Höhe der erbrachten Leistung kraft Gesetzes auf das Jobcenter W übergegangen.

Darüber hinaus berücksichtige das SGB II auch inkongruente Leistungen, bei denen eine cessio legis nach § 115 Abs. 1 SGB X ausscheidet. Die Hilfebedürftigkeit iSd. § 9 Abs. 1 SGB II hängt u. a. von dem zu berücksichtigenden Einkommen ab. Bei diesem stellt das Gesetz nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs, sondern auf den des Zuflusses der Einnahmen ab, § 11 Abs. 2 und Abs. 3 SGB II. Hätte im Streitfall das Jobcenter W erst nach dem 14. Juli 2014 über den Antrag des Klägers entschieden, hätte dieser wegen des zwischenzeitlichen Zuflusses von Arbeitsentgelt von vornherein für den Monat Juli 2014 keine Leistungen nach dem SGB II erhalten. Fließen dem Bezieher von Leistungen nach dem SGB II erst nach deren Bewilligung Einnahmen (oder Vermögen, das die Freibeträge des § 12 SGB II übersteigt) zu, die die Hilfebedürftigkeit (zeitweise) entfallen lassen, soll nach § 40 Abs. 1 SGB II iVm. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X die Bewilligung rückwirkend aufgehoben werden.

In ihrer Zusammenschau zeigen diese Regelungen, dass der Arbeitnehmer im Falle des Verzugs des Arbeitgebers mit der Entgeltzahlung in keinem Falle Arbeitsentgelt und Leistungen nach dem SGB II erhalten soll. Bei zeitlicher Kongruenz von Arbeitsentgelt und Sozialleistung geht der Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe der bezogenen Sozialleistung auf den Sozialleistungsträger über, bei zeitlicher Inkongruenz entfällt der Anspruch auf die Leistung nach dem SGB II rückwirkend, sofern der Arbeitnehmer wegen des nach Bewilligung der Sozialleistung zugeflossenen Arbeitsentgelts im Bezugszeitraum oder Teilen davon objektiv nicht hilfebedürftig iSd. § 9 Abs. 1 SGB II war. Dieses normative Konzept schließe es aus, eine berechtigte Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II wegen verspätet gezahlten Arbeitsentgelts als Schaden des Arbeitnehmers zu werten.

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