Das KG hat sich mit Urteil vom 13.01.2023, Az. 21 U 50/22 mit den Voraussetzungen auseinandergesetzt, unter denen ein Architekt oder Ingenieur bei Verhandlungen über den Abschluss eines Architektenvertrags die einschlägige Vorstrafe einer Person ungefragt offenbaren muss, die mit maßgeblichem Einfluss an der Vertragserfüllung mitwirken soll.
Nach Ansicht des KG ist in Verhandlungen über den Abschluss eines Architektenvertrags die frühere Verurteilung des Architekten zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wegen Bestechlichkeit jedenfalls dann eine einschlägige Vorstrafe, wenn Leistungen der Leistungsphasen 7 und 8 gemäß HOAI Gegenstand des Architektenvertrags sein sollen.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt verpflichtete sich die X GmbH unter anderem zur Mitwirkung bei der Abwehr von Nachtragsangeboten, zur Mitwirkung bei der Prüfung der Rechnungen der ausführenden Bauunternehmen und zur Vorbereitung der Abnahme.
Angesichts dieser Aufgabenstellung ist nach Ansicht des KG die Vorstrafe von dem bei der X GmbH beschäftigten Herrn G, die seine Bestechlichkeit bei der Rechnungs- bzw. Nachtragsprüfung zugunsten eines von ihm zu überwachenden Bauunternehmens betrifft, für die streitgegenständlichen Verträge unmittelbar einschlägig.
Die Aufklärungspflicht der X-GmbH hinsichtlich der Vorstrafe des Herrn G entfällt nicht deshalb, weil sie gemäß § 53 Abs. 1 BZRG nicht mehr zu offenbaren gewesen wäre (vgl. oben bb) (4)). Die Voraussetzungen dieser Regelung sind nicht erfüllt. Insbesondere war die Verurteilung weiter gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1, 34 Abs. 1 Nr. 3 BZRG in ein Führungszeugnis aufzunehmen; Herr G verbüßte im Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen noch die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe im offenen Vollzug.
Von daher konnte die Auftraggeberin den Vertrag anfechten, nachdem sie von der Vorstrafe des Herrn G. erfuhr. Herr G war zwar nicht selbst Vertragspartei, aber er hatte – auch und gerade aus Sicht der Auftraggeberin – maßgeblichen Einfluss auf die Erfüllung des Vertrags durch die Klägerin. Er hatte die Verträge unstreitig auf Seiten der Klägerin ausgehandelt und war auf deren Seite für ihre Durchführung hauptverantwortlich. Dies hat die Auftraggeberin so vorgetragen, die X-GmbH hat demgegenüber ausdrücklich eingeräumt, dass Herr G die „Abwicklung“ der Verträge „koordiniert“ habe. Außerdem ist er in den Überwachungsverträgen der X GmbH ausdrücklich als Projektverantwortlicher genannt. Schließlich ist er Alleingesellschafter der X GmbH und kann als solcher bzw. über die alleinige Geschäftsführerin, seine Mutter, Einfluss auf die Geschäftstätigkeit nehmen.