Ihr-Recht-Blog

7. Februar 2023

OLG Rostock zur Gartenfläche als Sondereigentum

Das OLG Rostock hat mit Beschluss vom 24.10.2022, Az. 3 W 82/22 entschieden, dass das Sondereigentum gemäß § 3 Abs. 2 WEG in der seit dem 01.12.2020 geltenden Fassung auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks, wie z.B. Gartenflächen, erstreckt werden kann, es sei denn, die Wohnung oder die Räume bleiben dadurch wirtschaftlich nicht die Hauptsache.

Die Hauptsacheeigenschaft der Wohnung bzw. der Räume wird grundsätzlich vermutet, insbesondere bei Verbindung einer Wohnung mit einem Garten.

Eine Prüfung durch das Grundbuchamt hat nur bei konkreten anderweitigen Anhaltspunkten zu erfolgen.

17. Mai 2022

Anspruch auf Verwalter auch in 2er-WEG?

Ein Anspruch auf einen Verwalter besteht auch in einer verwalterlosen Zwei-Personen-WEG und kann ggf. auch im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Für eine Verwalterbestellung durch das Gericht muss der Antragsteller dem Gericht aber übernahmebereite Verwalter benennen, so das LG Frankfurt mit Beschluss vom 10.05.2022, Az. 2-13 T 26/22.

Soweit dies dem Antragsteller in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt nicht möglich war, weil – wie er ausführlich dargelegt hat – alle von ihm angefragten Verwalter (nachvollziehbar) zur Übernahme der Verwaltung in dieser Kleinstgemeinschaft, bei welcher ein Eigentümer eine Fremdverwaltung kategorisch ablehnt, nicht bereit waren, kann auch das Gericht keinen Verwalter zur Übernahme zwingen (Kammer ZWE 2020, 56 Rn. 10; LG Hamburg ZMR 2016, 724). Es ist auch nicht Aufgabe der Gerichte hier an Stelle der Eigentümer Ermittlungen zu betreiben, ob es einen übernahmebereiten Verwalter gibt, so das LG.

12. April 2022

OLG München: Keine Gewährleitungsansprüche vor der Abnahme!

Voraussetzung für den Übergang vom Herstellungsanspruch zu Gewährleistungsansprüchen ist die Abnahme der Bauleistung. Vor der Abnahme können grundsätzlich keine Gewährleistungsansprüche geltend gemacht werden, so das OLG München mit Urteil vom 22.03.2022, Az. 28 U 3194/21 Bau.

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft kann zwar die Herstellungsansprüche der Erwerber an sich ziehen, sie ist aber nicht befugt, die Abnahme der Werkleistung zu erklären, so das OLG weiter.

Erklärt der Prozessbevollmächtigte des Auftraggebers in der mündlichen Verhandlung die Abnahme, ohne eine Vollmachtsurkunde vorzulegen, und wird die Abnahmeerklärung vom Prozessbevollmächtigten des Auftragnehmers aus diesem Grund unverzüglich zurückgewiesen, ist keine wirksame Abnahme erfolgt.

Haben die Parteien eines Bauvertrags die Möglichkeit von Teilabnahmen nicht vereinbart, ist der Auftraggeber nicht berechtigt, das Werk gegen den Willen des Auftragnehmers in Teilen abzunehmen.

8. April 2021

OLG Nürnberg zum isolierten Sondereigentum an einem Kellerraum

Wird das Sondereigentum an einem Kellerraum einer Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Neufassung des Bestandsverzeichnisses wegen Unübersichtlichkeit versehentlich nicht mitübernommen, geht bei einer späteren Übertragung des Miteigentumsanteils verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung auch das Sondereigentum an dem dazugehörenden Kellerraum auf den Käufer über, da isoliertes Sondereigentum an einem Kellerraum ohne Miteigentumsanteil an dem Grundstück nicht möglich ist.

Entsprechend hat das OLG Nürnberg mit seinem Beschluss vom 22.03.2021, Az. 15 W 421/21das zuständige Grundbuchamt angewiesen, das Sondereigentum an dem Kellerraum Nr. ## laut Aufteilungsplan in das Bestandsverzeichnis einzutragen und die beantragte Eintragung der Auflassung in das Grundbuch vorzunehmen.

23. März 2021

BGH zur Anfechtung von Beschlüssen der WEG durch den Nießbraucher

Dem Nießbraucher von Wohnungseigentum steht die Befugnis zur Anfechtung eines von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlusses nicht zu. Der BGH hat mit jetzt veröffentlichtem Urteil vom 27.11.2020, Az. V ZR 71/20  seine bisherige Rechtsprechung mit Urteil vom 10.07.2015, Az. V ZR 194/14, bestätigt.

Erhebt ein Nießbraucher, der von dem Wohnungseigentümer hierzu ermächtigt worden ist, Beschlussanfechtungsklage, ist diese zwar zulässig, wenn die Voraussetzungen der Prozessstandschaft im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung objektiv vorliegen und vorgetragen sind. Begründet kann sie – vorbehaltlich etwaiger Nichtigkeitsgründe – aber nur sein, wenn die Ermächtigung zur Prozessführung bereits innerhalb der Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 WEG objektiv vorliegt und offengelegt wird oder offensichtlich ist, so der BGH nunmehr weiter.

Die Klagefrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 WEG ist nur gewahrt, wenn die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats von einer Person erhoben wird, der entweder ein eigenes Anfechtungsrecht zusteht oder die zur Ausübung eines fremden Anfechtungsrechts befugt ist. Wird die Klage unter Berufung auf ein eigenes Anfechtungsrecht als Wohnungseigentümer erhoben, ist die Frist folglich nur gewahrt, wenn der Kläger bei Klageerhebung bereits Wohnungseigentümer ist oder das Eigentum spätestens bis zum Ablauf der Klagefrist erwirbt (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 1992, 1170; Staudinger/Lehmann-Richter, WEG [2018], § 46 Rn. 150; BeckOK WEG/Elzer [1.8.2020], § 46 Rn. 96.1; Bärmann/Seuß/Bergerhoff, Praxis des Wohnungseigentums, 7. Aufl., § 87 Rn. 8). Für die von einem Dritten als gewillkürtem Prozessstandschafter erhobene Klage gilt nichts anderes. Auch diese Klage wahrt die Anfechtungsfrist nur, wenn die Voraussetzungen der Prozessstandschaft innerhalb der Frist vorliegen, insbesondere die von dem Wohnungseigentümer erteilte Ermächtigung zur Prozessführung (vgl. Suilmann in Jennißen, WEG, 6. Aufl., § 46 Rn. 95). Wird die Klageerhebung durch den Dritten nach Ablauf einer materiell-rechtlichen Klagefrist von dem Inhaber des Rechts genehmigt, wirkt die Genehmigung nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juni 2003 – V ZR 320/02, WM 2003, 1974, 1976 zu Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB; BGH, Urteil vom 3. März 1993 – IV ZR 267/91, NJW-RR 1993, 669, 670 f. zu § 12 Abs. 3 VVG aF). Die Klageerhebung des Nichtberechtigten stellt nämlich keine Verfügung über das Recht dar, die materiell-rechtlich nach § 185 BGB genehmigt werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 1993 – IV ZR 267/91, aaO).

Der BGH weiter:

Es ist allgemein anerkannt, dass die Wirkungen der gewillkürten Prozessstandschaft erst in dem Augenblick eintreten, in dem sie prozessual offengelegt wird oder offensichtlich ist. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden, so etwa für die Hemmung der Verjährung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 1972, Az. I ZR 75/71, NJW 1972, 1580; Urteil vom 3. Juli 1980, Az. IVa ZR 38/80, BGHZ 78, 1, 6; Urteil vom 21. März 1985, Az. VII ZR 148/83, BGHZ 94, 117, 122; Urteil vom 12. Dezember 2013, Az. III ZR 102/12, ZLR 2014, 162 Rn. 36 mwN), aber auch für Klagefristen, die materiell-rechtlich zum Verlust des Rechts führen, wie etwa zu Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juni 2003, Az. V ZR 320/02, WM 2003, 1974, 1975; Urteil vom 27. September 2013, Az. V ZR 43/12, NJOZ 2014, 1101 Rn. 23) oder zur Ausschlussfrist nach § 12 Abs. 3 VVG aF (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 1993, Az. IV ZR 267/91, NJW-RR 1993, 669).

Die Offenlegung der Prozessstandschaft ist zur Klarstellung des Prozessrechtsverhältnisses erforderlich. Nur wenn der Gegner weiß, dass der Kläger für sich in Anspruch nimmt, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend machen zu können, kann er die behauptete Ermächtigung bestreiten oder auch das Rechtsschutzinteresse des Klägers in Frage stellen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 1972, Az. I ZR 75/71, NJW 1972, 1580; Urteil vom 7. Juli 2008, Az. II ZR 26/07, NZI 2008, 561 Rn. 14). Zudem erstreckt sich bei der gewillkürten Prozessstandschaft die Rechtskraft des auf die Klage des Ermächtigten ergehenden Urteils auf den Ermächtigenden nur, wenn sich der Ermächtigte im Rechtsstreit auf die Ermächtigung gestützt hat (vgl. Senat, Urteil vom 28. Juni 1985, Az. V ZR 43/84, NJW 1985, 2825; BGH, Urteil vom 30. Mai 1972, Az. I ZR 75/71, aaO; Urteil vom 7. Juli 2008, Az. II ZR 26/07, aaO).

Dies gilt gleichermaßen für die Beschlussanfechtungsklage im Wohnungseigentumsrecht. Der Umstand, dass es sich bei den Fristen des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG um materiell-rechtliche Ausschlussfristen handelt, deren Versäumung – vorbehaltlich etwaiger Nichtigkeitsgründe – zur Abweisung der Klage als unbegründet führt (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 16. Januar 2009, Az. V ZR 74/08, BGHZ 179, 230 Rn. 7 ff.; Urteil vom 2. Oktober 2009, Az. V ZR 235/08, BGHZ 182, 307 Rn. 9; Urteil vom 8. Februar 2013, Az. V ZR 238/11, NJW 2013, 3092 Rn. 20; Urteil vom 14. Dezember 2018, Az. V ZR 2/18, NZM 2019, 374 Rn. 6), hat hier – wie auch sonst – nicht zur Folge, dass es für die Wahrung der Fristen allein auf die objektive materielle Berechtigung des Klägers ankommt.

23. Februar 2021

BGH zur Anwendung des AGB-Rechts auf die Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer

Der BGH hat mit Urteil vom 20.11.2020, Az. V ZR 196/19 die Anwendbarkeit des AGB-Rechtes auf die Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer verneint. Nach Ansicht des BGH unterliegt die Inhaltskontrolle von dem teilenden Eigentümer vorgegebener Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung, die in einem spezifischen Zusammenhang mit der einseitigen Aufteilung stehen, im Hinblick auf einen Missbrauch der einseitigen Gestaltungsmacht und richtet sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls am Maßstab von Treu und Glauben gem. § 242 BGB aus.

Eine direkte Anwendung der §§ 307 ff. BGB scheidet, so der BGH, von vornherein aus, weil es sich bei einer einseitig vorgegebenen Gemeinschaftsordnung nicht um Vertragsbedingungen handelt, die bei Abschluss eines Vertrags im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Verwender (hier: teilender Eigentümer) gestellt werden. Die als Bestandteil der Teilungserklärung in das Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung steht ab dem Zeitpunkt, ab dem sie von dem teilenden Eigentümer nicht mehr einseitig geändert werden kann, einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer gleich (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 13. September 2000 – V ZB 14/00, BGHZ 145, 133, 136; Urteil vom 25. Oktober 2019 – V ZR 271/18, BGHZ 223, 305 Rn. 16 mwN). Einer Annahmeerklärung der Erwerber gegenüber dem teilenden Eigentümer bedarf es nicht, weil der Eintritt in die Gemeinschaftsordnung kraft Gesetzes mit dem Eigentumserwerb erfolgt (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1, § 10 Abs. 3 WEG; Staudinger/Rapp, BGB [2018], § 7 WEG Rn. 35). Die Gemeinschaftsordnung ist nämlich nicht Inhalt des Erwerbsvertrags, sondern sie bestimmt den Inhalt des zu erwerbenden Sondereigentums (zutreffend Binkowski aaO, S. 121; eingehend zu letzterem Gesichtspunkt Senat, Urteil vom 25. Oktober 2019 – V ZR 271/18, BGHZ 223, 305 Rn. 14 ff.). Das gilt erst recht für nachfolgende Erwerber, die zu dem teilenden Eigentümer von vornherein keine rechtsgeschäftliche Beziehung haben.

Weil es sich nicht um Vertragsbedingungen handelt und die §§ 307 ff. BGB nicht anwendbar sind, bedarf es des – teilweise erwogenen (vgl. etwa Bärmann/Armbrüster, WEG, 14. Aufl., § 2 Rn. 54) – Rückgriffs auf die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht. Die Voraussetzungen für die allein in Betracht zu ziehende analoge Anwendung der §§ 307 ff. BGB liegen nicht vor. Es fehlt sowohl an der Vergleichbarkeit der Gemeinschaftsordnung mit einem schuldrechtlichen Vertrag als auch an einer planwidrigen Regelungslücke.

Die einseitige Vorgabe der Gemeinschaftsordnung unterscheidet sich grundlegend von dem einseitigen Stellen schuldrechtlicher Vertragsbedingungen. Es fehlt schon an der durch ein Informations- und Motivationsgefälle zwischen Verwender und Kunden gekennzeichneten Konfliktsituation und der daraus resultierenden Gefahr einer unangemessenen Risikoabwälzung, der mit der AGB-Kontrolle begegnet werden soll (zu diesen Aspekten MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl., vor § 305 Rn. 4 ff.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 23. April 2015, C-96/14, van Hove, EU:C:2015:262, Rn. 26). Denn bei typisierender Betrachtung scheidet der teilende Eigentümer nach Aufteilung und Abverkauf aus der Gemeinschaft aus und profitiert daher allenfalls vorübergehend von dem vorgegebenen Regelwerk. Die in das Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung bezieht sich typischerweise nicht – wie es für AGB kennzeichnend wäre – auf das Verhältnis zwischen Kunden (hier: einzelner Wohnungseigentümer) und Verwender (hier: teilender Eigentümer). Vielmehr soll sie das künftige Zusammenleben der Wohnungseigentümer – also deren Grundverhältnis untereinander – dauerhaft regeln (vgl. § 10 Abs. 3 WEG). Da die Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 11 WEG unauflöslich ist, hat die Gemeinschaftsordnung für die Wohnungseigentümergemeinschaft eine ähnlich grundlegende Bedeutung wie die Satzung für einen Verein (vgl. Senat, Urteil vom 23. März 2018 – V ZR 65/17, NJW-RR 2018, 776 Rn. 22; Urteil vom 22. März 2019 – V ZR 298/16, ZWE 2019, 318 Rn. 11).

Es besteht nach Ansicht des BGH auch keine planwidrige Regelungslücke. Im Allgemeinen bedarf es des Schutzes der Wohnungseigentümer durch eine engmaschige AGB-Kontrolle der Gemeinschaftsordnung nicht. Das ergibt sich schon daraus, dass die Wohnungseigentümer die ursprünglich einseitig vorgegebene Gemeinschaftsordnung jederzeit einstimmig (und im Anwendungsbereich gesetzlicher oder vereinbarter Öffnungsklauseln sogar durch Mehrheitsbeschluss) ändern können. Zudem stellt das Wohnungseigentumsgesetz insofern einen wirksamen Individualschutz bereit, als einzelne Wohnungseigentümer unter den Voraussetzungen von § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG eine Änderung unbilliger Vereinbarungen verlangen können, und zwar selbst dann, wenn diese von Anfang an in der Gemeinschaftsordnung enthalten waren ("Geburtsfehler", vgl. Senat, Urteil vom 22. März 2019 – V ZR 298/16, ZWE 2019, 318 Rn. 14). Daneben bezweckt eine Reihe von nicht dispositiven Bestimmungen den Schutz vor einseitigen Regelungen in der Gemeinschaftsordnung (vgl. etwa § 16 Abs. 5, § 18 Abs. 4, § 26 Abs. 1 Satz 5 WEG). Schließlich ergeben sich Schranken für den Inhalt der Gemeinschaftsordnung aus den Grenzen der Vertragsfreiheit (vgl. Senat, Beschluss vom 11. November 1986 – V ZB 1/86, BGHZ 99, 90, 94). Die Anwendung der §§ 134, 138 BGB führt zur Unwirksamkeit von Regelungen, die die personenrechtliche Gemeinschaftsstellung der Wohnungseigentümer aushöhlen oder in unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte eingreifen, ohne dass es insoweit auf den Ursprung der Regelung ankäme. Deshalb hat der Senat beispielsweise gestützt auf § 134 BGB ein Stimmrechtsverbot bei Zahlungsverzug als unwirksam angesehen, ohne insoweit auf die Art der Aufteilung abzustellen (vgl. Senat, Urteil vom 10. Dezember 2010 – V ZR 60/10, NJW 2011, 679 Rn. 8).

Allgemein besteht damit ein Gestaltungsspielraum für die Vereinbarung von Regeln für das dauerhafte Zusammenleben der Wohnungseigentümer in der Gemeinschaftsordnung, der durch seine (im Vergleich zu der AGB-Kontrolle) höhere inhaltliche Flexibilität der in § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG gewährleisteten Privatautonomie der Wohnungseigentümer Rechnung trägt. Zugleich ist aber die Kontrolldichte insoweit höher als bei der AGB-Kontrolle, als die Schranken dieses Gestaltungsspielraums unabhängig von der Entstehung der Regelung durch einseitige Teilungserklärung, Teilungsvertrag oder nachträgliche Vereinbarung (bzw. einen durch Öffnungsklausel legitimierten Mehrheitsbeschluss) zu beachten sind.

Richtig ist allerdings, so der BGH weiter,  dass der teilende Eigentümer Regelungen in der Gemeinschaftsordnung vorgeben kann, die ihn – ähnlich wie einen Verwender von unangemessenen AGB – insbesondere in der Aufteilungsphase einseitig begünstigen (vgl. Erman/Grziwotz, BGB, 16. Aufl., § 7 WEG Rn. 6). Aus diesem Grund unterliegen von dem teilenden Eigentümer vorgegebene Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung, die in einem spezifischen Zusammenhang mit der einseitigen Aufteilung stehen, einer Inhaltskontrolle im Hinblick auf einen Missbrauch der einseitigen Gestaltungsmacht; diese (richterrechtlich bereits ausgeformte) Inhaltskontrolle richtet sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls am Maßstab von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB aus.Dem besonderen Schutzbedürfnis der Sondereigentümer in der Aufteilungsphase trägt das Gesetz in § 26 Abs. 1 Satz 2 WEG insoweit Rechnung, als die erste Bestellung eines Verwalters nach der Begründung von Wohnungseigentum nur für drei Jahre vorgenommen werden darf, um der Gefahr von Interessenkollisionen im Hinblick auf die Verjährung von Gewährleistungsrechten zu begegnen (vgl. BT-Drucks. 16/3843 S. 26). Darüber hinaus ergeben sich rechtliche Grenzen der einseitigen Gestaltungsmacht aus § 242 BGB. Gemessen an dem Gebot von Treu und Glauben hat der Senat eine in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Ermächtigung des teilenden Bauträgers zu der nachträglichen Zuweisung von Sondernutzungsrechten wegen der ohnehin bestehenden zeitlichen und inhaltlichen Schranken als zulässig erachtet (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2011 – V ZR 74/11, NJW 2012, 676 Rn. 14 ff.), während ein langfristiger Kontrahierungszwang in der Gemeinschaftsordnung keinen Bestand hatte (vgl. jeweils zum betreuten Wohnen Senat, Urteil vom 13. Oktober 2006 – V ZR 289/05, NJW 2007, 213 Rn. 17; BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 – III ZR 37/18, NZM 2019, 221 Rn. 29 f.). Auch ein in der Gemeinschaftsordnung bei Säumnis eines Wohnungseigentümers vorgesehener, unangemessen hoher Vergütungszuschlag eines "Bauträgerverwalters" ist wegen missbräuchlicher Ausnutzung der Gestaltungsmacht des teilenden Bauträgers gemäß § 242 BGB als unwirksam angesehen worden (vgl. OLG Hamm, ZWE 2008, 293, 294). Denkbar ist ein Missbrauch der Gestaltungsmacht aber auch bei Kostenverteilungs- oder Stimmrechtsregeln (dazu OLG Zweibrücken, OLGZ 1990, 186, 188 ff.).

Diese Problemfelder, so das Fazit des BGH, rechtfertigen es nicht, Gemeinschaftsordnungen insgesamt den (zu) engen Vorgaben der AGB-Kontrolle zu unterwerfen. Sie lassen sich mit der auf einen Missbrauch der einseitigen Gestaltungsmacht durch den teilenden Eigentümer bezogenen Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB angemessen bewältigen. Ihrem Zweck entsprechend beschränkt sich eine solche Inhaltskontrolle auf jene Regelungen in der Gemeinschaftsordnung, die in einem spezifischen Zusammenhang mit der einseitigen Aufteilung stehen; daran fehlt es jedenfalls bei gebräuchlichen, unabhängig von der Art der Aufteilung verwendeten Klauseln, die keinen inhaltlichen Bezug zu dem teilenden Eigentümer erkennen lassen.

19. Januar 2021

Zum Anspruch der Wohnungseigentümer auf Teilnahme an der WEG-Versammlung auch während Corona

Ein Anspruch der Eigentümer auf persönliche Teilnahme an Eigentümerversammlungen besteht auch während der Corona-Pandemie. Dies hat das LG Frankfurt/Main mit Urteil vom 17.12.2020 – 2-13 S 108/20 ausgeführt.

Es ist aber nicht zu beanstanden, wenn der Verwalter in der Einladung Vertretungsmöglichkeiten bewirbt und sich bei der Größe des angemieteten Saals an der zu erwartenden Teilnehmerzahl orientiert, so weiter das LG Frankfurt in seiner Entscheidung.

Zu der der Entscheidung zugrundeliegenden Versammlung lud die Hausverwaltung die 11 Eigentümer mit folgendem Text ein:
"Aufgrund der Größe der Sitzungsräume muss die Anzahl der anwesenden Eigentümer bei dieser Versammlung beschränkt werden (10 Personen inkl. Verwalter). Erteilen Sie deshalb möglichst dem Verwaltungsbeirat oder der Verwaltung die Vollmacht für die Teilnahme an der Versammlung. […] Der Verwalter behält sich vor, die Versammlung nicht durchzuführen, sofern die Höchstzahl der Anwesenden überschritten wird und keine einvernehmliche Regelung am Versammlungstag dazu getroffen werden kann."

Nach Ansicht des LG Frankfurt hält diese Einladung keine "Ausladung" einzelner Eigentümer (anders der Sachverhalt der Entscheidung des AG Lemgo ZWE 2020, 480, wo ausdrücklich darauf verwiesen wurde, nicht zu erscheinen), in der hier maßgeblichen Einladung ist lediglich darauf verwiesen worden, dass ein Versammlungssaal für 10 Personen angemietet wurde, zugleich ist auf die Erteilung von Vollmachten hingewiesen worden. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Aufgabe des Verwalters ist es, zu einer Versammlung einzuladen, dabei hat er über den Ort und die Zeit der Versammlung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Gerade in den Zeiten der Corona-Pandemie, in welchen der Verwalter bei der Auswahl des Versammlungsortes die Abstandsgebote und Hygiene-Vorschriften einzuhalten hat, ist es ein sachgerechtes Ermessenskriterium, sich bei der Auswahl des Versammlungsortes an der zu erwartenden Teilnehmerzahl zu orientieren und dabei Vertretungsmöglichkeiten aktiv zu bewerben (zu den Einzelheiten Schmidt/Zschieschack, COVID-19, 2. Aufl., § 4 Rn. 11, 47 ff.; ebenso Först NZM 2020, 493 (496); Greiner ZWE 2020, 480). Alleine darin liegt eine Beeinträchtigung des Teilnahmerechtes der Eigentümer nicht. Bei der Auswahl in welcher Größe ein Versammlungsort angemietet wird, darf sich der Verwalter natürlich von der zu erwartenden Teilnehmerzahl leiten lassen und muss (wie sonst allerdings auch) nicht, jedenfalls wenn dies nicht zu erwarten ist, einen Saal anmieten, der in jedem Falle sämtliche Eigentümer fasst (zutreffend Greiner ZWE 2020, 480; offengelassen AG Dortmund ZMR 2020, 790).

Ein – wohl allerdings auch nur zur Anfechtbarkeit führender – Verstoß gegen die Teilnahmerechte könnte bei dieser Vorgehensweise darin liegen, dass Teilnehmern der Zugang zum Saal verweigert wird, wenn die Kapazität erschöpft ist. Dies wurde vorliegend jedoch nicht geltend gemacht. Nach den getroffenen Feststellungen war die Klägerin aus anderen Gründen nicht anwesend. Es war bei der streitgegenständlichen Einladung mit einer derartigen Zurückweisung auch nicht zu rechnen. Der Verwalter hat sich lediglich vorbehalten, die Versammlung nicht durchzuführen, wenn die Höchstzahl der für den angemieteten Raum zulässigen Teilnehmerzahl überschritten ist. Auch diese Ankündigung ist nicht zu beanstanden, denn wenn eine Versammlung nicht durchgeführt werden kann, kommt dem Verwalter als Einladenden auch die Aufgabe zu, die Versammlung abzusagen (BGH NJW-RR 2011, 1519 Rn. 9; vgl. auch LG Meiningen NZM 2020, 992). Die aufgrund öffentlich-rechtlicher Beschränkungen fehlende Möglichkeit zur Versammlungsdurchführung ist dabei ein Grund die Versammlung abzusagen, wobei sich in diesem Fall hierauf das Absageermessen des Verwalters reduziert, so das LG Frankfurt.

8. Oktober 2020

Wohnungseigentümergemeinschaft: Vergleichsangebote bei Sanierung erforderlich!

Ein Beschluss der Wohnungseigentümer über die Vergabe von größeren Aufträgen zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten verstößt regelmäßig gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn zuvor nicht mehrere (in der Regel mindestens drei) Vergleichsangebote eingeholt worden sind.

Dies gilt auch dann, wenn die Sanierung etappenweise erfolgt. Hier kann nicht einfach das Unternehmer der vorangegangenen Arbeiten erneut beauftragt werden, vielmehr muss jede Etappe neu vergeben werden mit entsprechenden Vergleichsangeboten.

Hierauf hat das AG Charlottenburg mit Urteil vom 13.03.2020, Az. 73 C 82/19 hingewiesen.

Hierbei müssen die Angebote vergleichbar sein, d.h. die angebotenen Leistungen dürfen sich nicht unterscheiden. Die Wohnungseigentümer sind über sämtliche relevanten Umstände aufzuklären. Dadurch soll gewährleistet werden, dass technische Lösungen gewählt werden, die eine dauerhafte Beseitigung von Mängeln und Schäden versprechen, dass aber auch auf Wirtschaftlichkeit geachtet wird und keine finanziell nachteiligen Beschlüsse gefasst werden (LG Berlin, Urt. v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG; Bärmann/Merle, WEG, 14. Auf,, § 21 Rdnr. 31 mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung).

15. September 2020

WEG: Teilnahme an Eigentümerversammlung trotz Corona!

Die Corona-Pandemie rechtfertigt regelmäßig keine Beschränkung der Personsanzahl auf einer Eigentümerversammlung auf einen Wert unterhalb der teilnahmeberechtigten Eigentümer incl. Verwalter. Spricht die Einladung zu einer Versammlung ohne ausreichende Rechtfertigung eine solche Beschränkung aus, so sind die auf der Versammlung getroffenen Beschlüsse wegen Eingriffs in den Kernbereich des Wohnungseigentums nichtig. Vorrangig ist ein Raum zu organisieren, in dem die Vorgaben der landesrechtlichen Corona-Schutzverordnungen eingehalten werden können.

Hierauf hat das AG Kassel mit Urteil vom 27.08.2020, Az. 800 C 2563/20 hingewiesen.

3. Juli 2020

BGH zum Anspruch auf Lärmschutz bei Auswechslung des Teppichbodens durch Fliesen

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26. Juni 2020, Az. V ZR 173/19 entschieden, dass ein Wohnungseigentümer von einem anderen Wohnungseigentümer, der in seiner Wohnung den Bodenbelag ausgetauscht hat (Fliesen statt Teppichboden), die Einhaltung der schallschutztechnischen Mindestanforderungen nach der DIN 4109 auch dann verlangen kann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und ohne diesen Mangel der Trittschall den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche.

Die Parteien des der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Verfahrens sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnung des Klägers befindet sich im zweiten Obergeschoss des 1962 errichteten Hauses, die Wohnung des Beklagten in dem darüber liegenden Dachgeschoss. Dieses war 1995 zu Wohnraum ausgebaut und mit Teppichboden ausgestattet worden. 2008 ließ der Beklagte den Teppichboden durch Fliesen ersetzen. Der Kläger macht geltend, seitdem komme es in seiner Wohnung zu unzumutbaren Lärmbelästigungen durch Trittschall. Ein im Jahr 2013 von der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft in Auftrag gegebenes Gutachten ergab, dass die Trittschalldämmung der Wohnungstrenndecke mit dem Fliesenbelag nicht den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspricht.

Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten, wieder Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag mit einem Trittschallverbesserungsmaß von mindestens 15 dB zu verlegen, hilfsweise durch geeignete Maßnahmen einen Normtrittschallpegel des Fußbodens von = 53 dB herzustellen.

Der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende Schallschutz richtet sich nach der DIN 4109, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt und dabei nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich und die Geschossdecke eingegriffen wird. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche. Zwar muss der Schallschutz in erster Linie durch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile gewährleistet werden, insbesondere durch die Art und den Aufbau der Geschossdecke und des Estrichs. Daraus folgt aber nur, dass das mittels der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile bislang erreichte Schallschutzniveau bei Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum im Prinzip erhalten bleiben muss und jedenfalls nicht signifikant verschlechtert werden darf. Das ändert nichts daran, dass der Wohnungseigentümer nach § 14 Nr. 1 WEG gehalten ist, insbesondere bei der Änderung des Bodenbelags darauf zu achten, dass die durch die DIN 4109 vorgegebenen schallschutztechnischen Mindestanforderungen eingehalten werden.

Anders kann es sein, wenn bei einer mangelhaften Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums der Wohnungseigentümer keine zumutbare Abhilfemöglichkeit hat. Solange er aber mit zumutbaren Maßnahmen an seinem Sondereigentum die Mindestanforderungen an den Trittschallschutz einhalten kann, wie etwa durch die Verlegung eines schalldämpfenden Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags, kann der andere Wohnungseigentümer gemäß § 1004 BGB und § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG von ihm die Beseitigung der Beeinträchtigungen seines Wohneigentums verlangen., so der BGH.

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