Das OLG Frankfurt hat sich mit Urteil vom 06.02.2024, Az. 9 U 35/23 mit der Frage befasst, wie der Schadenersatz wegen unrechtmäßigem Einkürzen von Bäumen auf Nachbargrundstück zu berechnen ist.
Nach Ansicht des OLG Frankfurt ist bei der Zerstörung eines Baumes in der Regel keine Naturalrestitution zu leisten, vielmehr ist der Anspruch des Geschädigten auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines jungen Baumes und darüber hinaus ein Ausgleich für eine etwa verbleibende Werteinbuße des Grundstücks zu leisten.
Hinsichtlich der sogenannten Ausgangsgröße, also der Größe des neu anzupflanzenden Baumes, hat das OLG Frankfurt u. a. auf die Entscheidung des Oberlandesgericht Brandenburg verwiesen, welches wegen der im Jahr 2012 erfolgten Beschädigung mehrerer im den 1930er Jahren gepflanzten Lindenbäume auf Basis eines Sachverständigengutachtens ausgeführt hat, dass von einer größeren Ausgangsgröße auszugehen sei, wenn der Baum eine hohe Funktion habe (Schatten, Gestaltung, Repräsentation, Sichtschutz, Kleinklima, Tierwelt usw.), so dass im dort entschiedenen Fall die Neupflanzung mit einer Ausgangsgröße von 25-30 cm Stammumfang und einer Herstellungszeit von 25 Jahren berechnet wurde (OLG Brandenburg, Urteil vom 8.2.2018 – 5 U 109/16). Das OLG Düsseldorf hat wegen des unberechtigten Fällens von 16 Fichten, deren Zweck sich im Sichtschutz erschöpfte, eine Neupflanzung von neun, jeweils vier Meter hohen Fichten (die damit genauso hoch waren, wie die zuvor gefällten) für angemessen erachtet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.8.2009 – I 15 U 100/08). Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass wegen der Beschädigung eines 40 Jahre alten Walnussbaums Wertersatz in Höhe von 7.671 Euro geschuldet wird (OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.1.2023 – 12 U 92/22, a.a.O. Rn 70).
Wird ein Baum zerstört oder beschädigt, ist nicht auf den beschädigten Baum als solchen, sondern auf die mit der Beschädigung eines Baumes erfolgte Beschädigung des Grundstückes abzustellen, dessen wesentlicher Bestandteil der darauf befindliche Bewuchs ist, § 94 BGB. Insoweit entspricht es der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Instanzgerichte, dass bei einer – als Sachbeschädigung des Grundstücks zu behandelnden – Zerstörung eines Baumes in der Regel keine Naturalrestitution zu leisten ist, weil eine Ersatzbeschaffung in Form einer Verpflanzung eines ausgewachsenen Baumes mit besonders hohen, in aller Regel unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist (BGH, Urteil vom 13.5.1975 – VI ZR 85/74, VersR 1975, 1047 unter II.1.b.; BGH, Urteil vom 25.1.2013 – V ZR 222/12, BGHZ 196, 111 Rn 5; OLG Frankfurt, Beschluss vom 5.2.2014 – 13 U 2/12; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.7.2003 – I-7 U 12/03, VersR 2005, 1445 ff.; OLG Celle, Urteil vom 9.12.1982 – 5 U 69/82, VersR 1984, 69 ff.; OLG München, Urteil vom 26.11.2020 – 29 U 2518/20; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.8.2009 – I-15 U 100/08).
Der Schadensersatz des Geschädigten richtet sich in diesen Fällen vielmehr in der Regel auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines neuen jungen Baums und darüber hinaus einen Ausgleich gemäß § 251 Abs. 2 BGB für die verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Diese Werteinbuße ist nach ebenfalls inzwischen gefestigter einhelliger Rechtsprechung gemäß § 287 ZPO durch den Tatrichter zu schätzen, wobei regelmäßig auf die sogenannte Bewertungsmethode von Koch zurückzugreifen ist (BGH, Urteil vom 25.1.2013 – V ZR 222/12, BGHZ 196, 111 Rn 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 5.2.2014 – 13 U 2/12; OLG Koblenz, Urteil vom 13.6.1997; OLG Celle, Urteil vom 9.12.1982 – 5 U 69/62, a.a.O.; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 31.1.2005 – 12 U 256/01; OLG Brandenburg, Urteil vom 8.2.2018 – 5 U 109/16; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.8.2009 – I-15 U 100/08; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.1.2023 – 12 U 92/22; OLG Hamm, Urteil vom 18.2.2002 – 5 U 120/01, NuR 2005, 276 f.). Hiernach wird der Wertverlust bestimmt, in dem die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und kapitalisiert werden; der danach errechnete Wert wird gegebenenfalls mit Blick auf eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände bereinigt (BGH, Urteil vom 25.1.2013 – V ZR 222/12 a.a.O.; m.w.N.; vgl. BGH, Urteil vom 27.9.1990 – III ZR 97/89, WM 1991, 155 ff., Rn 18).
Die vollen Wiederbeschaffungskosten können hingegen nur zugebilligt werden, wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum wenigstens nahelegen würden (BGH, Urteil vom 13.5.1985 – VI UR 85/74, NJW 1975, 2061, 2063; OLG Koblenz, Urteil vom 13.6.1997, a.a.O.; OLG München, Urteil vom 26.11.2020 – 29 U 2518/20). Maßgeblich ist damit die Überlegung, wie eine Gehölzwiederherstellung unter Berücksichtigung der Funktion des Baumes für das Grundstück erfolgt, wenn kein anderer dafür bezahlt (Koch, VersR 1984, 69 f [Anmerkung zu OLG Celle, Urteil vom 9.12.1982]). Ist etwa das einheitliche geschlossene Bild einer Bepflanzung mit (gleich großen) Bäumen einer Allee für den Grundstückswert von prägender Bedeutung, kann eine Nachpflanzung gleich großer Bäume in Betracht kommen (Koch, a.a.O. entgegen OLG Celle, a.a.O.). Auch bei einem Baum in einem botanischen Garten kann aufgrund seiner Funktion und seines Standorts eine Neupflanzung in Betracht kommen (OLG München, Urteil vom 26.11.2020 – 29 U 2518/20, a.a.O). Liegen die Voraussetzungen für eine Naturalrestitution unter Anwendung dieser Grundsätze nicht vor, schuldet der Schädiger „nur“ Wertersatz und die Kosten für eine Teilwiederherstellung. Fehlt es trotz der Zerstörung oder Beschädigung eines Baumes an einer bezifferbaren Wertminderung des Grundstückes, etwa weil der Baum sich zwischenzeitlich wieder erholt (OLG Frankfurt, Urteil vom 31.1.2005 – 12 U 256/01, a.a.O. Rn 40 ff.) oder die Neupflanzung eines jungen Baumes die Funktion des zerstörten übernommen hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.8.2009 – I-15 U 100/08 a.a.O. Rn 50 [Sichtschutzfunktion]), so besteht kein Anspruch auf Wertersatz; der reine Liebhaberwert oder eine Art „Schmerzensgeld“ sind in diesem Fall nicht ersatzfähig (OLG Frankfurt, Urteil vom 31.1.2005 – 12 U 256/01, a.a.O.).