Ihr-Recht-Blog

24. Juli 2023

BGH: Leiharbeit und Anwaltszulassung

An eine Kanzlei ausgeliehene Projektjuristen können weder die Zulassung als angestellte Anwälte noch als Syndizi für anwaltliche Tätigkeiten erhalten. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil entschieden. Eine solche Konstellation berge die Gefahr von Interessenkollisionen und sei mit der anwaltlichen Unabhängigkeit nicht vereinbar. Einer Leiharbeit stehe hingegen nichts im Weg, wenn ein niedergelassener Rechtsanwalt bzw. eine –anwältin in der ausgeliehenen Kanzlei lediglich nichtanwaltlich im Back Office arbeite (BGH, Urt. v. 20.03.2023, Az. AnwZ (Brfg) 12/21).

Als Rechts­anwalt oder Rechts­an­wältin dürfe nur tätig werden, wer auch auch als solche/r angestellt sei. Die gesetz­lichen Regelungen für Anwalts­tä­tig­keiten seien in der Bundes­rechts­an­walts­ordnung abschließend geregelt. Das Gesetz sehe nicht vor, dass die anwaltliche Tätigkeit im Wege der Arbeit­neh­mer­über­lassung erfolge. Die Rechts­an­walts­kammer müsse die beantragte Zulassung versagen. Der BGH folgte damit der voraus­ge­gangenen Entscheidung des Anwalts­ge­richtshof (AGH) in Nordrhein-Westfalen (Anwbl Online 2023, 396). Dass Juristen für Kanzleien nach außen als Prozess­ver­treter auftreten, die überhaupt nicht bei der Kanzlei fest angestellt seien, sei vom Gesetz nicht vorgesehen, hatte der AGH Nordrhein-Westfalen klarge­stellt (Urt. v. 15.1.2021, Az. 1 AGH 10/20).

Bei dem Verfahren handelte es sich um einen Musterprozess der Kanzlei Taylor Wessing, in welchem die Grenzen der anwaltlichen Leiharbeit abgesteckt werden sollten. Immer häufiger werden über Zeitarbeitsfirmen Juristinnen und Juristen eingesetzt, um insbesondere in Masseklageverfahren kurzfristig und zeitgebunden Akten bearbeiten zu können. Meist arbeiten sie im Back Office und treten nicht nach außen auf.

In diesem Fall jedoch sollte der bei der Leiharbeitsfirma angestellte Volljurist laut Vertrag genau dies tun. Hierfür beantragte er die Zulassung als Rechtsanwalt. Kanzlei und Jurist wollten auf Nachdruck der Kammer auch nicht auf die Möglichkeit des Außenauftritts verzichten. Die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf lehnte daraufhin die Zulassung nach § 7 Nr. 8 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ab. Ein Rechtsanwalt könne qua Gesetz nur entweder in einer Kanzlei oder in einem Unternehmen als Syndikus angestellt werden. Die hier vorliegende Dreiecks-Konstellation sei gesetzlich jedoch nicht erfasst und auch mit dem Beruf des Rechtsanwalts unvereinbar.

24. Januar 2023

Bundesarbeitsgericht zur Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers bei Verletzung der Hinweispflicht auf Ausschlussfristen

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 22.09.2022, Az. 8 AZR 4/21 erneut darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber, welcher mit seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF in Verzug kommt, nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 BGB verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer den dadurch adäquat-kausal verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadensersatzanspruch ist in Höhe des erloschenen Vergütungsanspruchs begründet, wenn dieser nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre (BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 47, BAGE 168, 254; 5. November 2003 – 5 AZR 676/02 – zu III 3 a der Gründe; 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – zu III 4 b der Gründe, BAGE 101, 75).

Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF ist grundsätzlich zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die Ausschlussfrist beachtet hätte, wenn er auf sie hingewiesen worden wäre (vgl. BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 47, BAGE 168, 254; für einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG aF vgl. auch: BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 486/10 – Rn. 35; 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – zu III 4 b der Gründe, BAGE 101, 75). Diese Auslegung des Nachweisgesetzes ist geboten, um den Zweck der bis 31. Juli 2022 geltenden Nachweisrichtlinie 91/533/EWG vom 14. Oktober 1991, den Arbeitnehmer vor Unkenntnis seiner Rechte zu schützen, wirksam zur Geltung zu bringen. Der Arbeitnehmer könnte im Regelfall kaum nachweisen, dass er bei ordnungsgemäßem Verhalten des Arbeitgebers die Ausschlussfrist beachtet hätte. Dem Arbeitgeber bleibt die Möglichkeit, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen (BAG 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – aaO).


Dabei ersetzt die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens als Beweisregel allerdings nicht den Parteivortrag. Die Tatsachen für die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden hat der Arbeitnehmer darzutun (BAG 20. Juni 2018 – 4 AZR 235/15 – Rn. 23; 20. April 2011 – 5 AZR 171/10 – Rn. 27, BAGE 137, 375; 5. November 2003 – 5 AZR 676/02 – zu III 3 c der Gründe).

17. Januar 2023

LAG Schleswig-Holstein zur Dienstplanänderung durch den Arbeitgeber

Mit der Änderung des Dienstplans eines Mitarbeiters übt der Arbeitgeber diesem gegenüber sein Direktionsrecht aus. Die Änderung muss dem Mitarbeiter zugehen, da es sich bei der Ausübung des Direktionsrechts um eine empfangsbedürftige Gestaltungserklärung handelt.

Ein Mitarbeiter ist nicht verpflichtet, sich in seiner Freizeit zu erkundigen, ob sein Dienstplan geändert worden ist. Er ist auch nicht verpflichtet, eine Mitteilung des Arbeitgebers – etwa per Telefon – entgegenzunehmen oder eine SMS zu lesen. Nimmt er eine Information über eine Dienstplanänderung nicht zur Kenntnis, geht ihm diese erst bei Dienstbeginn zu.

Das LAG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 27.09.2022, Az. 1 Sa 39 öD/22 hierzu weiter:

Beim Lesen einer SMS, mit der der Arbeitgeber sein Direktionsrecht im Hinblick auf Zeit und Ort der Arbeitsausübung konkretisiert, handelt es sich um Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer – hier: Kläger – erbringt mit dem Lesen eine Arbeitsleistung.

Zur im Dienste eines Anderen erbrachten Arbeitsleistung iSv § 611a I BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede im Synallagma vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung aller Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ im Sinne dieser Bestimmungen ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG 18.3.2020 – 5 AZR 36/19, NZA 2020, 868 Rn. 15 mwN).

Danach verlangt die beklagte Arbeitgeberin vom Kl. eine Arbeitsleistung, wenn sie von diesem erwartet, eine dienstliche SMS zu lesen oder sich über Zeit und Ort seiner Arbeitsaufnahme im Internet zu informieren. Denn damit handelt der Kl. ausschließlich zur Befriedigung eines fremden Bedürfnisses, nämlich des Bedürfnisses der Bekl., die ordnungsgemäßen Organisation ihrer Arbeitsabläufe durch eine sachgemäße Personalplanung zu gewährleisten. Dabei setzt die Arbeitsleistung des Kl. in dem Moment ein, indem er eigene Bemühungen anstellen muss (Aufrufen der SMS und Lesen des Inhalts/Einblick in den Dienstplan im Internet). Dagegen ist die bloße Entgegennahme eines Telefonats oder einer mündlichen Weisung zwar möglicherweise ein Verstoß der Bekl. gegen das Recht des Kl. „auf Unerreichbarkeit“ (hierzu: Bayreuther NZA-Beilage 2018, 103 (107) mwN), ändert aber am Zugang der Weisung nichts.

In seiner Freizeit steht dem Kl. dieses Recht auf Unerreichbarkeit zu. Freizeit zeichnet sich gerade dadurch aus, dass Arbeitnehmer/innen in diesem Zeitraum den Arbeitgeber/innen nicht zur Verfügung stehen müssen und selbstbestimmt entscheiden können, wie und wo sie diese Freizeit verbringen. In dieser Zeit müssen sie gerade nicht fremdnützig tätig sein und sind nicht Bestandteil einer fremdbestimmten arbeitsrechtlichen Organisationseinheit und fungieren nicht als Arbeitskraft. Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht (LAG Thüringen 16.5.2018 – 6 Sa 442/17, BeckRS 2018, 14747 Rn. 43). Ob der Kl. einer Weisung, die ihm in seiner Freizeit zur Kenntnis gelangt ist, folgen müsste, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Der Einschätzung, dass das Lesen der SMS zur Arbeitszeit des Kl. zu rechnen ist, steht der zeitlich minimale Aufwand, der mit dem Aufrufen und Lesen einer SMS verbunden ist, nicht entgegen. Arbeit wird nicht deswegen zur Freizeit, weil sie nur in zeitlich ganz geringfügigem Umfang anfällt. Das Recht auf Nichterreichbarkeit dient neben der Gewährleistung des Gesundheitsschutzes des Arbeitnehmers durch Gewährleistung ausreichender Ruhezeiten (§ 5 I ArbZG) auch dem Persönlichkeitsschutz (LAG Thüringen 16.5.2018 – 6 Sa 442/17, BeckRS 2018, 14747). Es ist also auch dann zu beachten, wenn – wie hier – die Ruhezeit nach § 5 I ArbZG durch die Arbeitsaufnahme nicht unterbrochen wird, weil diese zum Zeitpunkt der Dienstplanänderung bereits abgelaufen war (zum Meinungsstand hierzu Baeck/Deutsch/Winzer, 4. Aufl. 2020, ArbZG § 5 Rn. 14/14a).

Die beklagte Arbeitgeberin durfte und musste nach der Verkehrsanschauung damit rechnen, dass der Arbeitnehmer die ihm übersandte SMS erst mit Beginn seines Dienstes um 7:30 Uhr zur Kenntnis nahm. Zu diesem Zeitpunkt ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen und dazu gehört auch die in seiner Freizeit bei ihm eingegangenen dienstlichen Nachrichten des Arbeitgebers zur Kenntnis zu nehmen.

Das Urteil des LAG ist noch nicht rechtskräftig; die Revision ist beim BAG unter dem Az. 5 AZR 349/22 anhängig.

6. Juli 2022

Bundesarbeitsgericht zur Erfüllung bei Urlaubsgewährung ohne Tilgungsbestimmung

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 01.03.2022, Az. 9 AZR 353/21 entschieden, dass in Fällen, in denen einem Arbeitnehmer im Kalenderjahr Ansprüche auf Erholungsurlaub zustehen, die auf unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen beruhen und für die unterschiedliche Regelungen gelten, § 366 BGB Anwendung findet, wenn die Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber nicht zur Erfüllung sämtlicher Urlaubsansprüche ausreicht.

Nimmt der Arbeitgeber dabei keine Tilgungsbestimmung iSv. § 366 Abs. 1 BGB vor, findet die in § 366 Abs. 2 BGB vorgegebene Tilgungsreihenfolge mit der Maßgabe Anwendung, dass zuerst gesetzliche Urlaubsansprüche und erst dann den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende Urlaubsansprüche erfüllt werden.

14. Juni 2022

Bundesarbeitsgericht verneint weiterhin den Anspruch auf Dankes- und Schlußformel im Arbeitszeugnis

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.1.2022, Az 9 AZR 146/21 seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und erneut bekräftigt, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, im Arbeitszeugnis durch eine sog. Schlussformel sein Bedauern über das Ausscheiden, seinen Dank für die geleistete Arbeit und gute Wünsche für die Zukunft zum Ausdruck zu bringen. Es hat damit den Versuchen einiger Landesarbeitsgerichte, insoweit eine Änderung der Rechtsprechung herbeizuführen, eine Absage erteilt.

Bei der Beurteilung, ob der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses aus § 109 GewO auch die Formulierung einer gegebenenfalls auf die Gesamtnote abgestimmten Schlussformel umfasst, sind auf Seiten des Arbeitsgebers die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG und seine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Unternehmerfreiheit und auf Seiten des Arbeitnehmers aufgrund der durch eine Schlussformel erhöhten Bewerbungschancen (vgl. BAG 11. Dezember 2012 – 9 AZR 227/11 – Rn. 12, BAGE 144, 103) dessen Berufsausübungsfreit (Art. 12 Abs. 1 GG) und – gegebenenfalls – das aus Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen. Das Interesse des Arbeitgebers, seine innere Einstellung zu dem Arbeitnehmer sowie seine Gedanken- und Gefühlswelt nicht offenbaren zu müssen, ist dabei höher zu bewerten als das Interesse des Arbeitnehmers an einer Schlussformel.

Der Arbeitnehmer ist durch die Erteilung eines Arbeitszeugnisses ohne Schlussformel nur in geringem Maße in seinen grundrechtlich geschützten Positionen betroffen. Der Grad seiner Betroffenheit ist in erster Linie unter Berücksichtigung des Zeugniszwecks zu bewerten. Je stärker die Realisierung des Zeugniszwecks durch das Fehlen der Schlussformel gefährdet ist, desto näher liegt eine wesentliche Beeinträchtigung grundrechtlicher Positionen des Arbeitnehmers. Spiegelbildlich betrachtet ist der Arbeitgeber nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten, das Zeugnis mit einem den Zeugniszweck überschießenden Inhalt zu versehen.

Ein qualifiziertes Zeugnis enthält gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO Angaben über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und dadurch Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, als Grundlage für die Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber sein Verhalten und seine Leistung beurteilt. Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und das in § 109 Abs. 2 GewO auch ausdrücklich normierte Gebot der Zeugnisklarheit (st. Rspr., vgl. BAG 27. April 2021 – 9 AZR 262/20 – Rn. 11). Als individuelle Beurteilung der beruflichen Verwendbarkeit des Arbeitnehmers muss das Arbeitszeugnis seinem Leser Auskunft über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis geben (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 262/20 – Rn. 17).

Positive Schlusssätze können zwar geeignet sein, die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen. Ein Zeugnis wird durch einen Schlusssatz aufgewertet, in dem der Arbeitgeber seinen Dank für die guten Leistungen zum Ausdruck bringt und dem Arbeitnehmer für die berufliche Zukunft weiterhin alles Gute wünscht (BAG 11. Dezember 2012 – 9 AZR 227/11 – Rn. 12, BAGE 144, 103; 20. Februar 2001 – 9 AZR 44/00 – zu B I 2 b bb (3) der Gründe, BAGE 97, 57).

Der materielle Aussagegehalt von auf die Gesamtnote abgestimmten Schlusssätzen beschränkt sich allerdings im Wesentlichen darauf, dass der Arbeitgeber die bereits abgegebene Leistungs- und Verhaltensbeurteilung mit anderen Worten nochmals formelhaft wiederholt (vgl. BAG 11. Dezember 2012 – 9 AZR 227/11 – Rn. 13, BAGE 144, 103, 20. Februar 2001 – 9 AZR 44/00 – BAGE 97, 57). Damit trägt eine Schlussformel nicht zur Realisierung des Zeugniszwecks bei. Aus ihr ergeben sich für den Zeugnisleser bei objektiver Betrachtung keine über die eigentliche Leistungs- und Verhaltensbeurteilung hinausgehenden Informationen zur Beurteilung, inwieweit der Arbeitnehmer für eine zu besetzende Stelle geeignet ist. Durch eine Dankes- und Wunschformel bringt der Arbeitgeber vielmehr nur Gedanken und Gefühle zum Ausdruck, die weder Rückschlüsse auf die Art und Weise, in der der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben erledigt hat, noch auf dessen für das Arbeitsverhältnis wesentlichen Charaktereigenschaften und Persönlichkeitszüge zulassen.

Wäre eine Dankes- und Wunschformel integraler Bestandteil eines qualifizierten Zeugnisses, wäre der Arbeitgeber verpflichtet, innere Gedanken über und Gefühle für den aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer zu äußern. Hierdurch würde seine durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte negative Meinungsfreiheit beeinträchtigt, die Freiheit also, eine Meinung nicht zu haben, nicht zu äußern und insoweit zu schweigen und nicht gezwungen zu werden, eine fremde Meinung als eigene zu verbreiten (vgl. BVerfG 2. Mai 2018 – 1 BvR 666/17 – Rn. 17; 22. Januar 1997 – 2 BvR 1915/91 – zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 95, 173; BAG 24. Oktober 2018 – 10 AZR 69/18 – Rn. 26; BGH 19. Juli 2018 – IX ZB 10/18 – Rn. 18 mwN). Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei einer Dankes- und Wunschformel nicht um eine bloße Höflichkeitsformel ohne Beziehung zur Wirklichkeit. Selbst wenn Arbeitgeber die Schlussformel teilweise nur floskelhaft aus Gründen der Höflichkeit verwenden, ohne die mitgeteilten Gefühle zu empfinden, enthält sie überprüfbare innere Tatsachen (BAG 20. Februar 2001 – 9 AZR 44/00 – zu B I 2 b bb (4) der Gründe, BAGE 97, 57). Der Arbeitgeber kann Dank empfinden und dem Arbeitnehmer für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg wünschen oder auch nicht. Ist die Tatsachenbehauptung wahr, unterfällt ihre Äußerung wie ihre Nichtäußerung dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit (BVerfG 27. August 2019 – 1 BvR 811/17 – Rn. 16; 22. Juni 2018 – 1 BvR 673/18 – Rn. 20). Der Eingriff in den Schutzbereich wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass eine Vielzahl von Arbeitgebern dazu übergegangen ist, Schlussformeln in ihre Arbeitszeugnisse aufzunehmen, und deshalb entsprechendes von anderen Zeugnisverfassern erwartet. Erst recht kann ein Arbeitgeber, der seinem ausscheidenden Arbeitnehmer gegenüber weder Dank empfindet noch ihm eine positive Zukunft wünscht, nicht gezwungen werden, aus Höflichkeit oder aufgrund einer Erwartungshaltung Dritter eine unwahre Erklärung über seine innere Haltung abzugeben. Dies stände weder im Einklang mit dem einfachgesetzlichen Verbot der Zeugniswahrheit noch mit der negativen Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, so das Bundesarbeitsgericht weiter.

29. März 2022

BArbG zur Einhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes während Corona

Auf die Einhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes kann im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht verzichtet werden. Hierauf hat das Bundesarbeitsgericht (BArbG) mit Beschluss vom 02.03.2022, Az. 2 AZN 629/21 hingewiesen.

In dem der Entscheidung des BArbG zugrundliegenden Sachverhalt war im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht war im Sitzungssaal im Hinblick auf die Coronavirus-Pandemie aufgrund der zur Verfügung stehenden Fläche nach den Vorgaben der Gerichtsverwaltung, die mit der Gesundheitsbehörde abgesprochen worden waren, die Anzahl der anwesenden Personen auf drei Richter und sieben weitere Personen begrenzt.

Diese zur Verfügung stehenden Plätze sind vollständig von den Verfahrensbeteiligten genutzt worden und standen für weitere Zuhörer nicht mehr zur Verfügung. Nach dem Protokoll der Sitzung vom 31. Mai 2021, auf die das Berufungsurteil ergangen ist, waren der Vorsitzende Richter, zwei ehrenamtliche Richter, die Klägerin mit ihrem Rechtsanwalt, die beiden Rechtsanwälte der beiden Beklagten, der Geschäftsführer der Beklagten zu 2. sowie der dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetretene Streitverkündete mit seinem Rechtsanwalt anwesend.

Der Grundsatz der Öffentlichkeit, der zu den Prinzipien demokratischer Rechtspflege gehört und auch in § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG niedergelegt ist, verlangt, dass jedermann nach Maßgabe des tatsächlich verfügbaren Raums Zutritt zur Verhandlung ermöglicht wird (vgl. BAG 22. September 2016 – 6 AZN 376/16 – Rn. 5; 19. Februar 2008 – 9 AZN 777/07 – Rn. 8; BFH 12. Juni 2009 – II B 26/09 – Rn. 16; BGH 23. März 2006 – 1 StR 20/06 – Rn. 11; Zöller/Lückemann ZPO 34. Aufl. § 169 GVG Rn. 2). Die Beachtung des Grundsatzes findet ihre Grenze in der tatsächlichen Unmöglichkeit, ihr zu entsprechen (vgl. BGH 10. Juni 1966 – 4 StR 72/66 – BGHSt 21, 72; RG 5. Februar 1918 – V 34/18 – RGSt 52, 137). Er ist nicht verletzt, wenn aus zwingenden Gründen Beschränkungen bestehen oder angeordnet werden müssen. Hierzu gehören insbesondere gegebene Raumbeschränkungen. Es besteht kein Anspruch der Öffentlichkeit auf so viele Plätze, wie Interessenten kommen (Zöller/Lückemann ZPO 34. Aufl. § 169 GVG Rn. 6). Zulässig ist auch eine Reduzierung der Zuhörerzahl in einem Saal, um Abstandsregelungen im Zuge einer Pandemiebekämpfung einhalten zu können (vgl. Greger MDR 2020, 509, 511). Die Verhandlung ist aber nur dann öffentlich, wenn beliebige Zuhörer, sei es auch nur in sehr begrenzter Zahl, die Möglichkeit des Zutritts haben (BGH 10. November 1953 – 5 StR 445/53 – zu III 2 b der Gründe, BGHSt 5, 75). Erforderlich ist, dass Zuhörer in einer Anzahl Einlass finden, in der sie noch als Repräsentanten einer keiner besonderen Auswahl unterliegenden Öffentlichkeit angesehen werden können. Ein einziger Platz für Zuhörer wäre zu wenig, weil dies zu einem faktischen Ausschluss der Öffentlichkeit führte (vgl. BayObLG 30. November 1981 – 1 Ob OWi 331/81 – zu 2 der Gründe; OLG Köln 8. September 1983 – 3 Ss 63/83 (185) -; Anders/Gehle/Becker ZPO 80. Aufl. § 169 GVG Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Schreiber 4. Aufl. § 169 GVG Rn. 15).

Nach diesem Maßstab ist das Berufungsurteil aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt wurden. Es hatten keine beliebigen Zuhörer – auch nicht in sehr begrenzter Zahl – Zutritt zu der Verhandlung. Im Verhandlungsraum war nicht einmal für einen Zuhörer Platz, so das BArbG.

23. November 2021

3G am Arbeitsplatz

Die ab dem 24.11.2021 geltenden Regelungen sind nach derzeitigem Kenntnisstand voraussichtlich wie folgt auszulegen, wobei die Regelungen unabhängig von der Betriebsgröße gelten:

  • Arbeitnehmer haben bei Betreten des Betriebes 3G nachzuweisen, wenn Kontakt zu Dritten (= auch Kollegen) besteht.
  • Arbeitgeber haben 3G zu kontrollieren und zu dokumentieren, wobei ein konkretes Fragerecht nach dem Impfstatus nicht besteht. Teilt der Arbeitnehmer seinen Impfstatus zum Beispiel aus Datenschutzgründen nicht mit, gilt er als Ungeimpfter und hat täglich ein negatives Testergebnis vorzulegen.
  • Für die Beibringung und Vorlage der Testnachweise ist der Arbeitnehmer verantwortlich, er hat auch die Kosten der Tests zu tragen (Schnelltests; Betriebstests dürfen maximal 24 Stunden zurückliegen, PCR-Tests dürfen maximal 48 Stunden zurückliegen).
  • Soweit der Arbeitgeber weiterhin betriebliche Testung für die Arbeitnehmer anbietet (= Berechtigung des Arbeitgebers), gilt die Testungszeit nicht als Arbeitszeit.
  • Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Daten des 3G-Status elektronisch zu erfassen und zu speichern (wobei auch insoweit der Grundsatz der Datensparsamkeit zu beachten ist: es ist wohl ausreichend, zu erfassen, bei welchen Arbeitnehmern mangels Impfung und Genesung ein täglicher Testnachweis erforderlich ist).
  • Bei Weigerung des Arbeitnehmers z. B. einen Testnachweis vorzulegen, darf der Arbeitnehmer den Betrieb nicht betreten; ist seine Tätigkeit nicht im Home-Office zu verrichten, besteht nach derzeitiger Auffassung kein Vergütungsanspruch.
  • Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Arbeitnehmern die Möglichkeit zum Home-Office anzubieten, wenn keine „zwingenden betrieblichen Gründe“ entgegenstehen, also wenn zum Beispiel der Betriebsablauf nicht aufrechterhalten werden kann oder zumindest erheblich eingeschränkt wäre oder die entsprechende Tätigkeit im Home-Office überhaupt nicht ausgeführt werden kann.
  • Der Arbeitnehmer darf das Home-Office-Angebot nur bei dringenden Gründen ablehnen, z. B. wenn die räumlichen oder technischen Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Es muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass anderweitige Auslegungen durch die Rechtsprechung möglich sind; es sind ferner jederzeit Änderungen und Anpassungen durch den Gesetzgeber nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich und zu erwarten.

Die vorgenannten Änderungen und Anpassungen sind vom Anwender daher ständig zu beobachten und die Handhabung ist entsprechend anzupassen.

2. September 2021

LSG Berlin-Brandenburg: Subunternehmer und Scheinselbständigkeit

Bei als Subunternehmern beauftragten Bauhilfskräften handelt es sich um Scheinselbständige, wenn, mangels schriftlicher Verträge und aussagekräftiger Rechnungen, diesen ein konkret von ihnen zu erbringendes Werk nicht zugeordnet werden kann (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.06.2021, Az. L 28 BA 122/18).

Das LSG hat in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen, dass bestimmte berufliche Tätigkeiten sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbstständigkeit wahrgenommen werden können und dass es für die Zuordnung insoweit auf die Gesamtschau der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl. BSG, Urteil vom Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – "Rackjobbing" m.w.N.). Ohne Belang ist, mit welchem "Etikett" die am Vertragsverhältnis Beteiligten eine Tätigkeit versehen. Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr – wie dargelegt – anhand abstrakter Merkmale und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw. Tätigkeitskatalogen (BSG a.a.O.). Fehlen zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben und kann die zu prüfende sowohl in der Form einer Beschäftigung als auch in der einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden, kommt, so die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, die auch der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, den vertraglichen Vereinbarungen keine allein ausschlaggebende, aber eine gewichtige Rolle zu. Denn die Vertragsparteien haben es zwar nicht in der Hand, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen. Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, kommt aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 R 3/17 R – m.w.N. ). Insofern ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen "Etikettenschwindel" handelt. Dieser kann als Scheingeschäft i.S.d. § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Nichtigkeit dieser Vereinbarung und der Notwendigkeit führen, den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. BSG, Urteile vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R – ; vom 4. September 2018 – B 12 KR 11/17 R – m.w.N. <Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychotherapie> und vom 14. März 2018 – B 12 KR 3/17 – <Opernchorsänger>).

Das LSG hat auch darauf hingewiesen, daß die objektive Beweislast für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung dem Träger der Sozialversicherung obliegt. Es ist auch nicht in einem etwaigen Zweifelsfall wegen des starken Gewichts der Sozialversicherung eher eine abhängige als eine selbständige, unternehmerische Tätigkeit anzunehmen. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BSG, Urteil vom 24. Oktober 1978 – 12 RK 58/76 -). Der mit der Feststellung von Sozialversicherungspflicht und der daraus folgenden Beitragspflicht einhergehende Eingriff jedenfalls in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz; vgl. BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12- R 6/18 R – ; BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1998 – 1 BvR 1318/86 u.a. – m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2003 – 1 BvR 558/99 -) ist nur zu rechtfertigen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Sozialversicherung erfüllt sind. Daher muss der abhängige Charakter der Tätigkeit und damit die Sozialversicherungspflicht positiv festgestellt werden können, so der Senat.

22. November 2019

Bundesarbeitsgericht: Saisonarbeit Befristung oder Begrenzung?

Nach einer aktuellen Entscheidung des BArbG liegt kann bei einer sogenannten Saisonarbeit nicht etwa, wie bislang regelmäßig angenommen, ein befristetes Arbeitsverhältnis sondern vielmehr ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, bei welchem die Arbeits- und Vergütungspflicht auf bestimmte Zeiträume eines jeden Jahres begrenzt sind, vorliegen (BArbG, Urteil vom 19.11.2019, Az. 7 AZR 582/17).

In dem der Entscheidung zugrundeliegendem Sachverhalt war der klagende Arbeitnehmer seit Juli 2000 bei der beklagten Gemeinde als Badeaufsicht und gelegentlich zur Reinigung und Pflege des Schwimmbads beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst unbefristet, wurde aber im September 2005 gekündigt. Gleichzeitig wurde dem Mann ein neuer Arbeitsvertrag ab dem 1. April 2006 angeboten. Dieser sah vor, dass er "jeweils für die Saison vom 1. April bis zum 31. Oktober eines Kalenderjahres eingestellt" wird. In dringenden Fällen sollte er seine Arbeitsleistung auf Anordnung des Arbeitgebers aber auch darüber hinaus erbringen. Mit seiner Klage hatte der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch Befristungsabrede vom 1. April 2006 am 31. Oktober 2016 aufgelöst wurde und dass das Arbeitsverhältnis über den 31. Oktober 2016 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Verden und in zweiter Instanz das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen unterstellten, dass die Parteien jedes Jahr aufs Neue ein befristetes Arbeitsverhältnis für die Dauer von April bis Oktober eines Kalenderjahres abgeschlossen hätten. Die Wirksamkeit des Vertrags prüften sie am Maßstab des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Die Klage hatte jeweils keinen Erfolg.

Das BArbG kam zwar zum gleichen Ergebnis, ging allerdings hierbei – anders als die Vorinstanzen – nicht davon aus, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis vorliegt. Die Parteien hätten in dem Vertrag keine Vielzahl befristeter Arbeitsverhältnisse für künftige Jahre vereinbart, sondern das Arbeitsverhältnis sei vielmehr unbefristet geschlossen worden. Besonders sei nur, dass die Arbeits- und Vergütungspflicht auf die Monate April bis Oktober eines jeden Kalenderjahres begrenzt sei. Als Maßstab für die Prüfung der Vertragsabreden zog das BArbG dann auch konsequenterweise  nicht die Regeln des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) heran, sondern prüften, ob der Kläger nicht nach § 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unangemessen benachteiligt werde, was im konkreten Fall letztendlich verneint wurde. Nach Ansicht des BArbG war die Begrenzung sachlich ausreichend begründet.

23. Oktober 2019

BArbG zum Zugang einer Kündigungserklärung durch Einwurf in den Hausbriefkasten

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 25. April 2018 – 2 AZR 493/17 – Rn. 15, BAGE 162, 317; 26. März 2015 – 2 AZR 483/14 – Rn. 37) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH 14. Februar 2019 – IX ZR 181/17 – Rn. 11; 5. Dezember 2007 – XII ZR 148/05 – Rn. 9) geht eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie ein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten. Wenn für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Ihn trifft die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er dies, wird der Zugang durch solche – allein in seiner Person liegenden – Gründe nicht ausgeschlossen.

Hierauf hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 22.8.2019, Az. 2 AZR 111/19 hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der beklagte Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 27. Januar 2017 (Freitag) außerordentlich fristlos gekündigt. Das Kündigungsschreiben wurde an diesem Tag von Mitarbeitern der Beklagten gegen 13:25 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Die Postzustellung in B ist bis gegen 11:00 Uhr vormittags beendet. Mit seiner am 20. Februar 2017 (Montag) beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er habe das Kündigungsschreiben erst am 30. Januar 2017 (Montag) in seinem Hausbriefkasten vorgefunden. Dieses sei ihm nicht am 27. Januar 2017, sondern frühestens am Folgetag zugegangen.

Das Landesarbeitsgericht hatte angenommen, die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 27. Januar 2017 gelte nach § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, da der Kläger deren Rechtsunwirksamkeit nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht habe. Das Kündigungsschreiben sei dem Kläger bereits am 27. Januar 2017 zugegangen. Es könne nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs mit einer Kenntnisnahme von Schriftstücken, die in den Hausbriefkasten eines Arbeitnehmers eingeworfen würden, bis 17:00 Uhr gerechnet werden. Auf den Zeitpunkt der Beendigung der örtlichen Postzustellung komme es nicht an. Denn zum einen lasse sich ein solcher Zeitpunkt heute nicht mehr einheitlich feststellen. Zum anderen beruhe ein solches Verständnis auf der Annahme, dass der Empfänger zeitnah nach der Postzustellung in seinem Hausbriefkasten nachsehe, ob er Post erhalten habe. Diese Annahme entspreche nicht mehr der Wirklichkeit, da berufstätige Menschen ihren Hausbriefkasten regelmäßig erst nach Rückkehr von der Arbeit leerten.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts stellen entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts  die örtlichen Zeiten der Postzustellung nicht unbeachtliche individuelle Verhältnisse des Empfängers dar. Zu diesen könnte zB eine Vereinbarung mit dem Postboten über persönliche Zustellzeiten zählen (vgl. BGH 21. Januar 2004 – XII ZR 214/00 – aaO), konkrete eigene Leerungsgewohnheiten oder auch die krankheits- oder urlaubsbedingte Abwesenheit (vgl. BAG 25. April 2018 – 2 AZR 493/17 – Rn. 15, BAGE 162, 317). Die allgemeinen örtlichen Postzustellungszeiten gehören dagegen nicht zu den individuellen Verhältnissen, sondern sind vielmehr dazu geeignet, die Verkehrsauffassung über die übliche Leerung des Hausbriefkastens zu beeinflussen. Das Landesarbeitsgericht, an welches das Verfahren zurückverwiesen wurde, wird Tatsachenfeststellungen zu einer (ggf. gewandelten) Verkehrsanschauung betreffend den Zeitpunkt der Leerung von Hausbriefkästen in dem von ihm als maßgeblich angesehenen räumlichen Gebiet (Wohnort des Klägers) zu treffen haben, wonach eine solche noch bis 13:25 Uhr zu erwarten ist. Hierzu bedarf es allerdings eines substantiierten Tatsachenvortrags der Beklagten, die für den ihr günstigen Umstand eines Zugangs des Kündigungsschreibens noch am 27. Januar 2017 die Darlegungs- und Beweislast trägt, so das Bundesarbeitsgericht.

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