Ihr-Recht-Blog

2. April 2024

BGH zur Unwirksamkeit formularmäßiger Quotenabgeltungsklauseln bei Schönheitsreparaturen

Der BGH hat mit Urteil vom 06.03.2024, Az. VIII ZR 79/22 entschieden, dass eine formularmäßige Quotenabgeltungsklausel in einem Wohnraummietvertrag den Mieter nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist, weil sie von dem Mieter bei Vertragsschluss verlangt, zur Ermittlung der auf ihn bei Vertragsbeendigung zukommenden Kostenbelastung mehrere hypothetische Betrachtungen anzustellen, die eine sichere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung nicht zulassen (Bestätigung von Senatsurteil vom 18.03.2015 – VIII ZR 242/13, IMR 2015, 268).

Allerdings, so der BGH weiter, kann eine individualvertraglichen Vereinbarung einer Quotenabgeltungsklausel in einem Wohnraummietvertrag wirksam sein (im Anschluss an Senatsurteil vom 16.06.2010 – VIII ZR 280/09, Rz. 9, IBRRS 2010, 2857 = IMRRS 2010, 2086 = NJW-RR 2010, 1310).

Die Bestimmung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ist dispositiv, so der BGH (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2020 – VIII ZR 163/18, aaO, und VIII ZR 270/18, aaO). Die Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen kann deshalb sowohl im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen – insoweit allerdings eingeschränkt (vgl. Senatsurteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14, BGHZ 204, 302 Rn. 15, 35; vom 22. August 2018 – VIII ZR 277/16, NJW 2018, 3302 Rn. 20; vom 8. Juli 2020 – VIII ZR 163/18, aaO Rn. 15) – als auch individualvertraglich (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 40; Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2021, § 535 Rn. 109; MünchKommBGB/Häublein, 9. Aufl., § 535 Rn. 146; BeckOK-Mietrecht/Siegmund, Stand: 1. November 2023, § 535 Rn. 5246; siehe auch Senatsurteil vom 7. Juni 1989 – VIII ZR 91/88, BGHZ 108, 1, 8 [zu Kleinreparaturklauseln]) auf den Mieter übertragen werden. Hiervon ausgehend kann nach der Rechtsprechung des Senats eine Quotenabgeltungsklausel zwar nicht im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam zum Inhalt des Wohnraummietvertrags gemacht werden. Sie kann jedoch grundsätzlich individualvertraglich wirksam zwischen den Mietvertragsparteien vereinbart werden (vgl. bereits Senatsurteil vom 16. Juni 2010 – VIII ZR 280/09, NJW-RR 2010, 1310 Rn. 9; ebenso BeckOK-BGB/Zehelein, Stand: 1. November 2023, § 535 Rn. 445). Die Bestimmung des § 556 Abs. 4 BGB steht dem nicht entgegen.

Allerdings, so der BGH weiter, ist für ein Aushandeln der die Quotenabgeltungsklausel enthaltenen Vertragsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB erforderlich, dass der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und sich deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung der Klausel bereit erklärt (BGH, Urteil vom 13. März 2018 – XI ZR 291/16, WM 2018, 1046 Rn. 15; Beschlüsse vom 20. November 2012 – VIII ZR 137/12, WuM 2013, 293 Rn. 7; vom 19. März 2019 – XI ZR 9/18, NJW 2019, 2080 Rn. 14). Allein die vorliegend durch die Beklagte erfolgte Eröffnung von Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren vorformulierten Vertragsbedingungen macht die vom Vertragspartner – hier den Klägern – gewählte Alternative grundsätzlich noch nicht zu einer Individualabrede (vgl. BGH, Urteile vom 17. Februar 2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 Rn. 18 [zum Stellen von Vertragsbedingungen]; vom 10. Oktober 2013 – VII ZR 19/12, NJW 2014, 206 Rn. 19 f.). Vielmehr muss auch hier der Vertragspartner des Klauselverwenders Gelegenheit erhalten, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung einzubringen (vgl. BGH, Urteile vom 20. Januar 2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 Rn. 25 mwN [zum Stellen von Vertragsbedingungen]; vom 13. März 2018 – XI ZR 291/16, aaO Rn. 16; BeckOK-BGB/Zehelein, Stand: 1. November 2023, § 535 Rn. 246; Erman/Looschelders, BGB, 17. Aufl., § 305 Rn. 21). Dies bedarf im Streitfall weiterer Aufklärung, so der BGH, was zur Zurückverweisung des Rechtsstreites führte.

    14. November 2023

    Zur Beweislast für die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze

    Der BGH hat mit Beschluss vom 02.08.2023, Az. VII ZR 848/21 die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG Koblenz vom 22.07.2021, Az. 3 U 1804/20, welcher sich mit der Beweislast für die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze auseinandersetzte, zurückgewiesen.

    Nach Ansicht des OLG Koblenz, welche vom BGH nicht beanstandet wurde, ist der Architekt zwar verpflichtet, die Planungsvorgaben des Auftraggebers zu den Herstellungskosten des Bauwerks zu beachten. Dabei muss er nicht nur genau vereinbarte Baukostenobergrenzen einhalten, sondern ist auch dazu verpflichtet, die ihm bekannten Kostenvorstellungen des Auftraggebers bei seiner Planung zu berücksichtigen.

    Bestreitet allerdings der Architekt die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze, muss der Auftraggeber, der verlangt, so gestellt zu werden, als wäre diese eingehalten worden, die behauptete Vereinbarung beweisen. Der Auftraggeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für eine von ihm behauptete Beschaffenheitsvereinbarung.

    Macht der Auftraggeber Schadensersatz wegen der Überschreitung einer vereinbarten Baukostenobergrenze geltend, hat er den Schaden substanziiert darzulegen. Hat die Baumaßnahme offenkundig zu einer umfangreichen Wertsteigerung geführt, gehört dazu auch, spezifiziert darzustellen, dass diese Steigerung hinter den aufgewendeten Baukosten zurückbleibt.

    5. Dezember 2022

    OLH Hamburg zur Honorarvereinbarung unter den Mindestsätzen der HOAI

    Der BGH bleibt seiner nunmehr eingeschlagenen Linie zur Honorarvereinbarung unter den Mindestsätzen treu und hat mit Beschluss vom 05.10.2022, Az. VII ZR 92/17 die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des OLG Hamburg vom 24.03.2017, Az. 6 U 119/16, in welchem das OLG Hamburg die Mindestsätze der HOAI 2013 als zwischen Privaten verbindlich angesehen hat, zurückgewiesen.

    Die Mindestsätze, so das OLG, können durch schriftliche Vereinbarung nur in Ausnahmefällen unterschritten werden.

    Ein Ausnahmefall kann vorliegen, wenn die vom Architekten oder Ingenieur geschuldete Leistung nur einen besonders geringen Aufwand erfordert oder bei engen Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer oder persönlicher Art sowie sonstigen besonderen Umständen gegeben sein (hier verneint).

    Die Geltendmachung der Mindestsätze der HOAI 2013 kann ausgeschlossen sein, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung vertrauen durfte und ihm die Zahlung des Differenzbetrags zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nicht zugemutet werden kann (hier ebenfalls verneint).

    29. Juni 2022

    OLG Brandenburg: Schweigen auf Nachtragsangebot

    Lässt der Auftraggeber in Kenntnis eines Nachtragsangebots eine Position zu dem ihm angebotenen Einheitspreis widerspruchslos ausführen, kommt konkludent eine vertragliche Vereinbarung auch über die Höhe des Einheitspreises zustand.

    Das OLG Brandenburg hat insoweit in seinem Urteil vom 12.05.2022, Az. 12 U 141/21 weiter ausgeführt: Aus der zwischen den Parteien eines VOB/B-Vertrags bestehenden Kooperationspflicht folgt die Pflicht des Auftraggebers zu einem alsbaldigen Widerspruch, wenn er die einem Nachtragsangebot zugrunde liegenden Preise nicht gegen sich gelten lassen will.

    25. Oktober 2021

    BGH zum Schriftformerfordernis bei nachträglicher Änderung eines Gewerberaummietvertrages

    Eine Änderung von vertragswesentlichen Vereinbarungen ist nur dann gemäß § 550 Satz 1 BGB schriftformbedürftig, wenn sie für einen ein Jahr übersteigenden Zeitraum Geltung beansprucht .

    Der BGH hat mit seinem Beschluss vom 15.09.2021, Az. XII ZR 60/20 seine Rechtsprechung der Senatsurteile IBR 2005, 1197; IMR 2016, 71 = NJW 2016, 311 und IMR 2018, 242 = NJW-RR 2018, 1101 fortgeführt.

    Die Vorschrift des § 550 BGB soll den Erwerber eines Grundstücks davor schützen, bei Eintritt in einen Mietvertrag, dessen Bedingungen er mangels Schriftlichkeit nicht zuverlässig erkennen kann, an die vertraglichen Regelungen länger als ein Jahr gebunden zu sein (vgl. Senatsurteile BGHZ 154, 171 = NJW 2003, 2158, 2160 und BGHZ 163, 27 = NJW 2005, 1861, 1862). Daneben dient § 550 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Senats dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen (vgl. etwa Senatsurteil BGHZ 216, 68 = NJW 2017, 3772 Rn. 35 mwN), wobei der Gesetzgeber mit dem einen Jahr in § 550 Satz 1 BGB die Grenze benannt hat, bis zu der nicht von einer Langfristigkeit auszugehen ist.

    Aus diesen Gesetzeszwecken folgt, dass eine Änderung auch von vertragswesentlichen Vereinbarungen wie etwa denen zur Miethöhe (vgl. dazu Senatsurteile vom 25. November 2015 – XII ZR 114/14 – NJW 2016, 311 Rn. 17 und vom 11. April 2018 – XII ZR 43/17 – NJW-RR 2018, 1101 Rn. 18) nur dann gemäß § 550 Satz 1 BGB schriftformbedürftig ist, wenn sie für einen ein Jahr übersteigenden Zeitraum Geltung beansprucht (in diese Richtung schon Senatsurteil BGHZ 163, 27 = NJW 2005, 1861, 1862; vgl. auch BGH Urteil vom 18. Juni 1969 – VIII ZR 88/67 – WM 1969, 920, 921; KG NZM 2018, 607, 611; BeckOK MietR/ Leo [Stand: 1. Mai 2021] BGB § 550 Rn. 246; Blank/Börstinghaus Miete 6. Aufl. § 550 BGB Rn. 54; Guhling/Günter/Schweitzer Gewerberaummiete 2. Aufl. § 550 Rn. 46; Lindner-Figura in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete 4. Aufl. Kap. 6 Rn. 36; Staudinger/V. Emmerich BGB [Updatestand: 13. Juli 2021] § 550 Rn. 42; kritisch Schmidt-Futterer/Lammel Mietrecht 14. Aufl. § 550 BGB Rn. 41).

    Damit korrespondierend beginnt die Jahresfrist des § 550 Satz 2 BGB auch erst mit Abschluss eines nicht formgerechten Änderungsvertrags, der die Schriftform des ursprünglich formwirksamen Mietvertrags entfallen lässt (vgl. BGHZ 99, 54 = NJW 1987, 948, 949; BGHZ 125, 175 = NJW 1994, 1649, 1651 mwN und Senatsurteil vom 29. März 2000 – XII ZR 316/97 – NJW-RR 2000, 1108, 1109; vgl. auch Senatsurteil vom 25. Januar 2017 – XII ZR 69/16 – NJW 2017, 1017 Rn. 22 mwN), so dass die Vertragsparteien einschließlich eines gegebenenfalls in den Vertrag eintretenden Erwerbers sich selbst bei Vorliegen eines Schriftformverstoßes erst nach Ablauf eines Jahres aus der vertraglichen Bindung lösen können.

    11. Februar 2020

    OLG München: Obergrenze auch für individuell vereinbarte Vertragsstrafe!

    Auch eine individualvertraglich vereinbarte Vertragsstrafenregelung ist sittenwidrig und nichtig, wenn für die Vertragsstrafe keine absolute Obergrenze festgelegt wird.
    Hierauf hat das OLG München mit Beschluss vom 13.07.2018, Az. 28 U 429/18 Bau hingewiesen, der BGH hat nunmehr mit Beschluss vom 09.10.2019, Az. VII ZR 166/18 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

    Nach Auffassung des OLG München lässt sich der Entscheidung des BGH vom 08.10.1992 (Az. IX ZR 98/91) entnehmen, dass der BGH dem Gesichtspunkt einer Obergrenze auch im Rahmen der Kontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB maßgebliche Bedeutung zumisst. In Tz. 71 der Entscheidung führt der BGH die fehlende Begrenzung nach oben hin ausdrücklich als Argument an und folgert aus ihr – zusammen mit dem Gesichtspunkt des Anwachsens je nach Höhe der geleisteten Zahlungen – eine Nichterreichung des Zwecks "Druckfunktion". Hieraus mag kein Automatismus herzuleiten sein, dass bei Fehlen einer Obergrenze stets und in jedem Fall die Sittenwidrigkeit folgt. Das OLG München zieht aber aus dem Urteil des BGH die eindeutige Erkenntnis, dass das Fehlen einer Obergrenze im Einzelfall ein maßgebliches Kriterium ist, das Zweifel an der zulässigen Funktion der Vertragsstrafe aufwirft und insbesondere Anlass zu einer eingehenden Prüfung dieser Frage geben muss.

    Auch aus der obergerichtlichen Rechtsprechung, so der Senat des OLG München, lässt sich ablesen, dass dem Gesichtspunkt einer Vertragsstrafen-Obergrenze im Hinblick auf eine Vereinbarkeit mit § 138 Abs. 1 BGB maßgebliche Bedeutung zukommt. So hat das OLG Nürnberg in einem Urteil vom 25.11.2009 (Az. 12 U 681/09) entschieden, dass dem Fehlen einer Begrenzung nach oben bei der Kontrolle einer individualvertraglich vereinbarten Vertragsstrafenregelung anhand § 138 Abs. 1 BGB maßgebliche Bedeutung zukommt. Das Urteil ist zwar nicht im Bereich Baurecht ergangen, für den Senat erschließt sich aber nicht, warum die an den allgemeinen Zwecken einer Vertragsstrafe orientierte Argumentation nicht auf den Bereich des Baurechts übertragen werden könnte.

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